83. Kapitel - Tiefschwarzes Wasser

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„Hm... Lian Lust auf eine Wetter?", fragte Connor herausfordernd und sah Lian mit funkelnden Augen entgegen. Ich spürte Angst in meiner Brust, während ich Connors Hand zur Klippe hin folgte. Es war dunkel, die Klippe wurde einzig und allein von dem Licht des Vollmondes erleuchtet. Das Wasser wirkte in dieser Dunkelheit tiefschwarz. Lian würde keine so dumme Entscheidung treffen, richtig? Wir hatten erst darüber gesprochen. Doch als er plötzlich seine Hand aus meiner Hand löste und sie Connor hinhielt, merkte ich, dass etwas nicht stimmen konnte.

„Immer."

„Wetten du traust dich nicht, dort runterzuspringen?" Connor deutete noch einmal genauer auf die Klippe. Lian begann breit zu grinsen.

„Wette gilt, aber... ich wette, dass du dich auch nicht traust."

„Hört auf mit dem Scheiß", mischte sich Linn ein und versuchte sich zwischen die Beiden zu stellen. Doch Lian und Connor reagierten auf ihre Stimme nicht. Sie gaben sich den Handschlag und machten sich kurz darauf in die Richtung der Klippe.

„Lian!", rief ich, doch er reagierte nicht. Panisch sah ich Linn entgegen, die sich ebenso einen grausamen Ausgang dieses Szenarios vorstellen musste. Das... das konnte nicht echt sein. Er hatte mir versprochen es nicht zutun.

„Bleib verdammt noch mal stehen!", zischte ich laut und lief ihnen hinterher. Aber sie waren so sehr in ihrem Gespräch vertieft, dass sie mich nicht mitbekamen. Unruhig sah ich mich um. Das hier war seltsam. Ich versuchte schnell zu sein, ich beeilte mich, aber Lian und Connor waren schneller. Auch Linn kam ihnen nicht im Ansatz näher. Als würden wir auf der Stelle treten. Ich verstand Lians Reaktion nicht, aber was noch viel merkwürdiger war, war das Gefühl, das hier schon mal erlebt zu haben.

Ich bewegte die Finger meiner rechten Hand. Ich musste zählen, um wissen zu können, dass das hier echt war. Aber... die Fünf wollte sich nicht ergeben. Ich konnte nicht zählen! Der Moment der Verwunderung zog an mir vorbei und ich wurde mir darüber im Klaren, dass das hier ein Traum war. Ein Traum! Das hieß ich musste handeln. Ich beschleunigte meine Schritte, sah meinem Ziel fest entgegen, aber... ich kam einfach nicht vom Fleck. Als ich um mich sah, bemerkte ich, dass Linn und ich noch immer am Ufer des Sees standen und nur tatenlos zusahen, wie Lian und Connor geradewegs hoch zum Anfang der Klippe liefen.

Ich folgte ihrem Weg mit meinem Blick und entdeckte an seinem Ende eine Gestalt, die Linns und meine Regungslosigkeit erklärte. Am äußersten Ende der Klippe stand das Geistermädchen, mein Geistermädchen. Ihre blauen Augen auf Lian und Connor gerichtet, mit denen sie, sie näher zu sich lockte. Ihre linke Hand hatte sie in unsere Richtung ausgestreckt. Sie war es, die uns darin hinderte vorwärts zu kommen.

„Siehst du sie auch?", flüsterte ich Linn zu und deutete auf das Geistermädchen. Aber Linn folgte meiner Geste verwirrt und schüttelte dann den Kopf.

„Nein, wen?" Linn könnte mir nicht helfen. Ich musste alleine gegen dieses Mädchen ankommen. Aber wie? Eigentlich sollte ich sie annehmen, ihr meine Nähe zeigen. Aber wie sollte ich das tun, wenn ich nicht an sie herankam?

„Kommt da wieder runter!", hörte ich Linn schreien, die dem höchsten Punkt der Klippe aufgekratzt entgegenblickte. Ich folgte ihrem Blick und stellte voller Entsetzen fest, dass Lian und Connor längst oben angekommen waren. Mit ungeschickten Bewegungen versuchten sie sich die Klamotten auszuziehen. So dicht am Rande der Klippe, dass es schon jetzt so aussah, als würden sie gleich hinabstürzen.

„Was willst du?!", schrie ich dem Mädchen entgegen, weil ich mir nicht anders zu helfen wusste. Doch mein angsterfüllter Schrei gab ihr genau das, was sie haben wollte. Sie hörte meine Verzweiflung und sie merkte, dass ich nie die Kontrolle über diesen Traum gehabt hatte. Ich wollte die Kontrolle an mich reißen, aber das Szenario spielte sich schon jetzt in meiner Vorstellung ab. Ich sah vor meinem inneren Auge, wie sie in die Tiefe stürzen würden. In die dunkle Tiefe, auf dessen Boden harte Steine und der Untergrund auf sie wartete. Wenn sie nicht weit genug absprangen, dann... würden sie wie der Junge enden.

Magische Träume (4. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt