61. Kapitel - Selbstvertrauen

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Als ich mich auf den Weg zum Schwarzen Orden machte, war ich froh, dass ich den Weg über alleine war. Connor musste noch auf dem Gelände bleiben, weil er seine Psychologenstunde gleich im Anschluss hatte. Auf der Rückfahrt war der Bus ziemlich leer. Nur eine Hand voll anderer Schüler fuhren mit mir. Keiner unterhielt sich, jeder war vertieft in seinen eigenen Gedanken. Das war genau das, was ich brauchte. Ich genoss es mit niemanden reden zu müssen und hörte stattdessen über meine Kopfhörer etwas Musik.

Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen, wollte das Geschehen und die neuen Informationen verarbeiten. Aber ich fühlte mich irgendwie... seltsam. Die Träume waren heftig gewesen und ich hatte keine Zeit gehabt mich davon zu erholen oder darüber richtig nachdenken zu können. Jedenfalls nicht in dem Moment, in dem ich es hätte tun sollen. Jedes Mal, wenn ich aufgewacht war, hatte mir Josh gleich den nächsten Becher mit dem Schlafmittel gereicht. Bis ich den dritten Traum überstanden hatte. Doch auch da, hatte mir niemand die Zeit eingeräumt, mich einen Moment mit diesen Gefühlen und Ängsten auseinandersetzen zu können. Mrs. Lane hatte stattdessen erwartet, dass ich einfach so weiter machen würde. Sie musste sich nicht vorstellen können, dass an all das eine Menge Emotionen geknüpft waren. Ich hatte nicht von dem Ertrinken oder der Sache mit Lian träumen können, ohne danach erschrocken oder verletzt zu sein.

Es war komisch, denn jetzt wo ich die Zeit hatte, um das zu fühlen, fühlte ich es trotzdem nicht. Meine Gedanken waren ungewohnt ruhig und ich verspürte einfach nur bleierne Müdigkeit. Mich jetzt noch mal so intensiv mit all dem auseinanderzusetzen, kam mir unfassbar anstrengend vor. Aber da hatte ich wohl keine andere Wahl.

Als ich die Treppe hoch zu Mrs. Rutherfords Büro hinter mir gelassen hatte, kam mir Lian entgegen. Er sah noch immer munter aus, noch immer ungewohnt motiviert. Und er lächelte mich breit an, als er mich erkannte.

„Hey, wie wars?", fragte er aufgeregt und gab mir einen Kuss auf den Mund. Ich atmete schwer und lange aus.

„Puhh keine Ahnung, ich... anstrengend. Ich kann dir ja vielleicht später davon erzählen. Aber ich habe jetzt noch eine Stunde mit Mrs. Rutherford." Lian nickte und zog mich dann in eine kurze Umarmung, die sich so gemütlich und geborgen anfühlte, dass ich genau so hätte einschlafen können.

„Okay soll ich dich später abholen?"

„Ja... vielleicht?"

Als ich mich in Mrs. Rutherfords Büro setzte, brauchte sie noch zehn Minuten, bis sie richtig Zeit für mich hatte. Sie musste noch einiges aus der Stunde mit Lian aufschreiben und wollte sich außerdem die Unterlagen durchlesen, die sie von Mrs. Lane zugesandt bekommen hatte. Als sie fertig mit all dem war, sah sie zu mir rüber und schwieg einen Moment.

„Wie geht es dir?", fragte sie und lehnte sich dabei leicht zu mir nach vorne, sodass sie den Eindruck auf mich machte, als wolle sie das wissen, weil es sie tatsächlich interessierte. Ich zuckte unsicher mit den Schultern.

„Mein Kopf ist leer." Überrascht zog sie die Augenbrauen hoch.

„Oh tatsächlich? Das ist ungewöhnlich für dich oder?"

„Ja, ich glaube ich bin so müde, dass ich nicht mehr genug Energie für die vielen Gedanken habe." Mrs. Rutherford wartete einen Moment lang ab, ob ich mehr sagen würde, ehe sie zu schmunzeln anfing und mir verständnisvoll zunickte.

„Ich habe über deine drei Träume gelesen. Die waren erschreckend für dich oder?"

„Ja." Natürlich waren sie erschreckend gewesen.

„Wie hast du dich dabei gefühlt?" Mrs. Rutherford klang ernst, doch bei ihren Worten musste ich anfangen leicht zu grinsen. Das war das erste Mal, dass ich so richtig das Gefühl hatte einer Therapeutin gegenüber zu sitzen, die genau diese Art von therapeutischen Fragen stellte, wie man es sich vorstellte. Wie hatte ich mich dabei gefühlt? Wie sollte man sich bei so etwas schon fühlen? Sicher nicht gut.

Magische Träume (4. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt