22. Kapitel - Muss ich helfen?

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„Was hat er gesagt?"

„Was wollte er?"

„Ist alles okay?"

„Geht's dir gut?"

„Hat er nach Michelle gefragt?"

„Sam?"

„Sam?!"

Die Stimmen um mich waren dumpf. Mein Herz pochte heftig und der Gedanke, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, war so laut in meinem Kopf, dass ich die Worte der Anderen kaum verstand. Was würde das jetzt mit ihm machen? Hatte er einen anderen Plan? Hatte er jemanden, zu dem er gehen konnte? Was würde Jayden jetzt tun? Mir war heiß, mein Körper kribbelte. Ich fühlte mich egoistisch. Hätte ich ihm zuhören müssen? Hätte ich ihm die Chance geben müssen, sich erklären zu können? Was, wenn er wegen mir... etwas Dummes tat? Ich hatte Angst.

Jemand, der größer war als ich, trat vor mir. Er brach mein Starren ins Nirgendwo und riss mich einen Augenblick aus den Gedanken. Lian.

„Hey, alles gut?", fragte er besorgt und legte seine Arme sachte um mich. Ich nickte in der Umarmung, obwohl sie mich fast ersticken ließ. War ich nicht ehrlich zu ihm? Log ich ihn an? Verschwieg ich ihm das? Müsste ich Lian sagen, dass da immer noch ein komisches Gefühl in mir war, wenn ich Jayden sah? Dass ich irgendwie immer noch wollte, dass es ihm gut ging und dass er mich mochte? Lian würde sich belogen fühlen, wenn er davon erfuhr. War das einer der Dinge, die man für sich behalten musste? Gab es Gedanken, die man niemals jemanden sagen durfte? Ich wollte nicht unehrlich zu ihm sein. Ich wollte ihm nichts verschweigen. Aber ich konnte ihm doch so etwas nicht sagen oder? Er wäre enttäuscht, er wäre unsicher. Ich wäre enttäuscht und unsicher, wenn ich so etwas von Lian erfahren würde. Dabei änderten diese komischen Gefühle, die Jayden noch immer in mir auslöste, nichts an dem, was ich für Lian fühlte. Gar nichts, überhaupt nichts. Und ich würde doch auch niemals in Versuchung kommen wieder etwas mit Jayden zu haben. So etwas würde ich Lian doch niemals antun. Musste ich ihm trotzdem davon erzählen? Musste er das wissen?

Ich spürte wie er mich fester an sich drückte.

„Was hat er gesagt?", fragte er und der Druck wurde wieder weniger.

„Er wollte Hilfe", flüsterte ich erstickt. Lian nahm die Arme von mir, trat einen Schritt zurück und sah mir ernst in die Augen.

„Er wollte Hilfe?", wiederholte er? Ich fühlte mich schrecklich. Ich fühlte mich, als würde ich Lian belügen, als würde ich ihn hintergehen, als würde ich fremdgehen. Dabei waren die Empfindungen, die Jaydens Gegenwart auslöste, nur dumme Erinnerungen. Er löste irgendwas in mir aus, das ich nicht richtig einordnen konnte. Deswegen musste ich das mit Lian doch nicht aufgeben oder? Oder war das unfair, was ich hier tat?

„Warum? Was bildet der sich ein, ich..." Lian klang wütend. Ich schreckte auf, aus meinem Gedankensumpf und hielt ihn an der Schulter zurück. Nein, er konnte nicht zu Jayden gehen. Jayden hatte sich selbst genug bestraft.

„Lass ihn bitte", sagte ich heiser.

„Warum? Das ist lächerlich. Er kann dich doch nicht..."

„Ja, es ist lächerlich", unterbrach ich Lian abrupt. Ich war nicht in der Lage richtig darüber zu reden, etwas zu erklären oder zu sagen was Jayden gesagt hatte. Ich wollte nur verschwinden. Ich wollte alleine sein.

„Sam, geht es dir gut? Hat er irgendwas..."

„Ja, alles okay. Ich muss nur... nachdenken", antwortete ich und sah ihm entschuldigend entgegen.

„Nachdenken?" Ich nickte, dann küsste ich ihn. Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte, aber als ich ihn küsste, fühlte sich das an, als würde ich ihm direkt ins Gesicht lügen. Als würde ich ihn gar nicht küssen wollen. Ich musste weg von ihm.

Magische Träume (4. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt