Ich lenkte mich von dem komischen Gefühl in meinem Bauch ab, indem ich anfing mich mit meinen jetzigen Problemen auseinanderzusetzen. Für Jayden konnte ich nichts tun und ich war ihm nichts schuldig. Es war also Zeitverschwendung an ihn und mögliche Taten zu denken, die er dummer Weise begehen könnte.
Viel präsenter hingegen war die Überlegung, ob ich tatsächlich für ein paar Tage nach New York gehen sollte. Eigentlich war es keine Überlegung mehr, eigentlich hatte ich mich längst entschieden. Ich wollte nach New York. Ich wollte den Streit mit Maliee persönlich klären, ich wollte meine Familie wiedersehen, mit ihnen die vielen Dinge besprechen, die zwischen uns standen und ich wollte Abstand von diesem Ort. Ich wusste nicht wie es mit Jayden weitergehen würde und ob er es ein zweites Mal hier versuchen würde. Falls es so war, wäre es wahrscheinlich besser, wenn ich nicht hier wäre. Ein paar Tage fern ab von hier, wären sicher gut für mich. Bis die Schule wieder losging, war noch eine Menge Zeit und bis dahin sollte ich alles geklärt haben, was mich in meiner Magie zurückhalten oder was im schlimmsten Fall zu Alpträumen führen könnte, die durch mein besonderes Gen ungewollt zur Realität werden würden.
Als erstes machte ich mich auf den Weg zu meinem Grandpa. Ich wollte, dass er mitkam. Er hatte mit meiner Mom, seiner Tochter, auch noch einige Dinge zu klären und ich wollte den weiten Weg nach New York nicht alleine zurücklegen. Es hatte mich einige Überredungskünste gekostet, meinen Grandpa von dieser Idee überzeugen zu können. Er war der Meinung gewesen, dass ich alleine gehen sollte, dass er nicht wüsste, was er in New York tun sollte. Seine Tochter wollte kaum ein Wort mit ihm wechseln und er wusste selbst auch nicht richtig, wie er auf sie zugehen sollte. Die Idee sich ein Hotel oder Hostelzimmer zu nehmen, überzeugte ihn letztendlich doch. Er brauchte wohl, wie ich, die Sicherheit nicht auf meine Familie angewiesen zu sein. Ich konnte voll und ganz verstehen warum er das so wollte. Es interessierte mich sehr, was zwischen ihm und meiner Mutter wirklich vorgefallen war, das sie dazu gebracht hatte, all die Zeit über kaum Kontakt miteinander zu haben.
Mir hatte sie immer gesagt, dass er meiner Grandma fremdgegangen war und deshalb hatten wir ihn alle gehasst. Aber ich wusste schon lange, dass das nicht die Wahrheit war. Er war ihr nie fremdgegangen. Sie hatten sich getrennt. Sie hatte ihn verlassen, in der Angst, sie könnte ihm etwas mit ihren Träumen antun. Aber was hatte sie ihrer Familie gesagt? Etwa, dass er fremdgegangen war? Hatte meine Mutter das wirklich geglaubt? Es war längst an der Zeit die Missverständnisse und Lügen aus dem Weg zu räumen und über die Wahrheit zu sprechen. Bei uns allen.
Als ich mir sicher war, meinen Grandpa auf meiner Seite zu haben, rief ich meine Mutter an. Ich musste klären, ob es für sie in Ordnung war, wenn ich vorbeikommen würde. Dass ihr Vater mitkommen würde, wollte ich ihr erstmal vorenthalten. Wenn sie davon erfahren würde, würde sie mir gleich wieder ein Nein entgegenbringen.
„Mom?", fragte ich, als ich ihre hohe Stimme am anderen Ende der Leitung hörte.
„Ja?"
„Ich habe eine Frage", sagte ich direkt.
„Dann frag."
„Ich habe ja noch ein paar Wochen schulfrei. Ich... würde gerne nach... Hause kommen." Nach Hause kommen, das hörte sich irgendwie falsch an. Das war nicht mehr mein Zuhause. Richland Springs war zu meinem Zuhause geworden. Der schwarze Orden, die Leute hier, meine Magie, Lian. Das alles war mein Zuhause. Aber schon lange nicht mehr New York.
Am anderen Ende war es still. Lange, viel zu lange, sodass ich die Sorge hatte, meine Mutter hätte einfach wieder aufgelegt.
„Mom?"
„Bist du noch dran?"
„Kannst du von dort weg?", hakte sie nach, ohne preiszugeben, was sie von meiner Frage hielt.
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Magische Träume (4. Teil)
Spiritual1. Teil: Zufall oder Magie Während Sam und Lian daran arbeiten ihr Vertrauen zueinander wieder aufzubauen, müssen sich Beide ihren größten Herausforderungen stellen. Lian kann seine Vergangenheit nicht länger verdrängen und Sam muss sich ihrer Zukun...