82. Kapitel - Feuerschale

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Seitdem ich in diese Magie und Traumsache reingerutscht war, war es das erste Mal, dass mir mein Leben eine lange Pause ließ. Als es mir vor drei Monaten gelungen war, das Geistermädchen aus meinen Träumen zu verbannen, hatte ich eine bedeutsame Fähigkeit erlangt. Das war der Punkt gewesen, den ich hatte überwinden müssen, um an die absolute Kontrolle meiner Träume zu gelangen. Was anderen von Vorhinein oder mit der Zeit einfach gefallen war, fiel mir nun seit dieser Nacht ungewohnt leicht. In den vergangenen drei Monaten war es kein einziges Mal passiert, dass mich ein Traum so geängstigt hätte, dass ich aufgeschreckt wäre oder vor lauter Angst die Kontrolle verloren hätte. Seit dieser Nacht konnte ich jeden einzelnen Traum kontrollieren und es fiel mir unerwartet einfach.

Ich brauchte nun nicht länger als ein paar Minuten, um zu verstehen, dass ich träumte. Meistens ließ ich den Traum einige Zeit einfach laufen, ich beobachtete, was sich mein Kopf ausdachte und schritt erst ein, wenn mir etwas nicht gefiel. Und obwohl ich noch immer voller Ängste steckte und hinter jeder Ecke eine Gefahr vermutete, blieben meine Träume überwiegend schön und gut. Es kam nur noch selten vor, dass ich schlecht träumte. Doch jedes Mal, wenn ich es tat, dann ließ ich das Schlechte nur kurze Zeit weilen, ehe ich es von mir schob und den Traum in eine friedlichere Richtung lenkte.

Während ich nie vermutet hätte, dass ich mich mal sicher fühlen würde, was meine Träume angeht, verlief auch der Rest meines Lebens ungewohnt einfach. Ich hatte wieder mehr Zeit mich auf die Schule zu konzentrieren. Ich nahm den Unterricht meistens sehr ernst und lernte viel. Wenn das Schuljahr vorbei wäre, würde ich mich auf eine Magieform spezialisieren können. Das war mein nächstes Ziel.

Lian schien auch langsam wieder mehr ins Leben zurück zu finden. Es gab immer noch die schweren Tage, an denen man ihn kaum aus dem Bett bekam. Aber sie wurden weniger und ich sah ihn wieder viel öfter lachen und der Lian sein, den ich mal kennengelernt hatte. Allmählich bekam auch er seinen Fokus auf die Schule zurück und arbeitete daran, sich nächstes Jahr in die höheren Kurse seiner Magieform einschreiben zu können.

Weil ich nun wusste, dass nach den schlechten Tagen auch immer wieder die guten Tage kamen, war ich im Allgemeinen entspannter geworden. Natürlich machte ich mir weiterhin Sorgen um Lian und ich beobachtete immer noch ganz genau wie es ihm ging und wie er sich machte. Aber wenn wieder einmal einer dieser Tage war, an denen er sich ins Bett verkroch und von niemanden etwas wissen wollte, dann ließ ich ihn genau das tun. Ich sah immer mal wieder nach ihm und fragte, ob ich was tun könnte, aber wenn er nein sagte, dann ging ich einfach wieder. Und das schien irgendwie gut für uns beide zu sein. Lian bekam die Zeit, die er brauchte und ich hatte mehr Zeit, um mich auf das zu konzentrieren, was für mich wichtig war.

Mit Maliee sprach ich mittlerweile nur noch selten. Wir hatten beide viel mit unserem eigenem Leben zu tun und langsam sah ich ein, dass obwohl es sich am Anfang so angefühlt hatte, es zwischen uns doch nie wieder so sein würde, wie vor dem großen Streit. Dafür war irgendwie zu viel passiert und auch der Abstand, der zwischen uns lag, trug seinen Anteil dazu bei. Aber es schien, als wäre das für uns beide okay. Wir schrieben gelegentlich und wir versuchten wenigstens alle zwei Woche miteinander zu telefonieren.

Die Wochenenden verbrachte ich nun meistens bei meinem Grandpa. Weil ich von meinen Eltern weiterhin nichts gehört hatte, versuchte ich wenigstens das eine Familienmitglied bei mir zu halten, das mir übrig geblieben war. Und mein Grandpa freute sich über die Besuche. Lian und ich waren oft das ganze Wochenende bei ihm und halfen bei anstehenden Aufgaben. Manchmal mit Magie, manchmal mit unseren eigenen Händen. Das Gute an seinem Garten und dem Bungalow, in dem ich Teile meiner Kindheit verbracht hatte, war, dass diese Umgebung beruhigend war und mich oft den Alltag vergessen ließ. So sehr, dass ich doch immer mal wieder zu Papier und Stift griff und anfing zu zeichnen.

Magische Träume (4. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt