Als ich das Büro von Mrs. Rutherford verließ, rauchte mein Kopf. Ich fühlte mich platt und immer noch ratlos. Ja, die Dinge die sie gesagt hatte, stimmten wahrscheinlich, aber ich hatte wirklich Schwierigkeiten einfach zuzusehen und abzuwarten. Mrs. Rutherford verstand das, wir hatten noch eine Weile über meine Ängste und Gefühle geredet und es hatte gut getan, darüber zu sprechen. Aber Mrs. Rutherford war bei ihren Aussagen geblieben. Ich konnte nur verhindern, dass Lian sich vollkommen vor mir verschloss, indem ich ihm Zeit und Raum gab.
Na ja im Endeffekt hatte ich nur wieder festgestellt, dass ich jetzt erstmal abwarten musste. Ich musste schauen wie Lian in den freien Wochen mit dem Kiffen umgehen und wie sich sein Zustand verändern würde. Vielleicht kam er ja von alleine auf die Idee, dass er Hilfe brauchte oder er hatte sogar Recht und er brauchte Keine. Ich nahm mir jedenfalls vor mich zurückzuhalten. Ich würde das Thema erst mal nicht mehr ansprechen und auch nicht versuchen irgendwie auf dieses Thema zu stoßen oder ihm irgendwas aus der Nase zu ziehen. Ich wusste nur nicht, wie lange ich das durchziehen würde.
Trotz dessen, dass ich Lian nun weniger damit belästigen wollte, las ich an diesem Tag noch mehr als die Hälfte des Buches, das mir Mrs. Rutherford mitgegeben hatte. Es war spannender, als ich zunächst vermutet hatte und es hatte mir eine Menge Aha-Effekte beschert. Manche Verhaltensweisen, sogar einige von meinen eigenen, machten plötzlich Sinn. Ich hatte anfänglich verstanden wodurch Streit entstand. Wie es zu Missverständnissen kam und wie wenig man eigentlich von seinem Gesprächspartner wusste. Klar, Lian und ich kannten uns ganz gut. Aber wir kannten uns nicht so gut, dass wir nachvollziehen konnten, wieso wer wie auf gewisse Dinge reagierte. Das wusste man ja in der Regel nicht mal von sich selbst. Man reagierte einfach auf eine Situation oder auf das, was jemand sagte.
Ich war mit den Gedanken immer noch bei diesem Buch, als wir zu viert beim Abendessen saßen. Es war also nicht verwunderlich, dass mich Lian wenig später fragte, worüber ich so viel nachdachte. Ich hatte mich beim Abendbrot kaum an den Gesprächen beteiligt und ich war auch noch danach, auf dem Weg in sein Zimmer, recht wortkarg gewesen. Für mich waren das einfach so viele neue Erkenntnisse, dass ich nicht aufhören konnte darüber nachzudenken.
„Wenn wir mit einander reden und... über ernste Dinge sprechen oder eigentlich auch normale Gespräche und du mir etwas erzählst... höre ich dir dann richtig zu?" Verwirrt sah mich Lian an, als er sich neben mich ins Bett setzte.
„Klar hörst du mir zu." Er lachte leicht auf, weil er nicht wusste, was er von dieser Frage halten sollte.
„Aber ich meine, höre ich dir richtig zu? Also hattest du das Gefühl ich höre dir einfach nur zu, wenn du mir nur etwas erzählen wolltest? Oder habe ich immer gleich nach Lösungen gesucht oder meine eigene Meinung mit eingebracht? Oder sogar selbst angefangen von irgendwas zu erzählen?" Lian setzte sich aufrecht und sah mich plötzlich besorgt an.
„Ist alles okay bei dir? Wie kommst du jetzt darauf? Hast du dir darüber die ganze Zeit Gedanken gemacht?"
„Ja auch, aber auch über vieles Mehr."
„Du brauchst dir echt keine Gedanken zu machen, ich bin okay."
„Ja ich weiß, das meine ich auch gar nicht", antwortete ich immer noch etwas in Gedanken versunken. Trotzdem bekam ich Lians Gesichtsausdruck mit, der sich von Verwirrung in Überraschung verwandelte.
„Ich verstehe diese Zusammenhänge nicht." Ich hörte auf zu starren und sah Lian aufmerksam entgegen.
„Ich habe heute ein Buch angefangen zu lesen", erklärte ich und kramte es aus meiner Tasche, die ich mit in sein Zimmer genommen hatte. Michelle hatte immer noch nichts von sich hören lassen und Linn und ich nutzten diese Gelegenheit, um einen Abend und die Nacht, mit den Jungs allein zu verbringen. Morgen würde der Test für die Vorsortierung der Schüler stattfinden und spätestens dann, würde Michelle wieder zurückkommen. Bis dahin wollten wir ein wenig Zweisamkeit verbringen. Linn und Connor in unserem Zimmer. Lian und ich in Seinem.
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Magische Träume (4. Teil)
Spirituale1. Teil: Zufall oder Magie? Während Sam und Lian daran arbeiten ihr Vertrauen zueinander wieder aufzubauen, müssen sich Beide ihren größten Herausforderungen stellen. Lian kann seine Vergangenheit nicht länger verdrängen und Sam muss sich ihrer Zuku...