[12] Das Gespräch um Ava

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Gerade als ich in das kleine gemütliche Restaurant betrete, weht mir Mal wieder der köstliche Duft der italienischen Küche entgegen.

„Buonagiornata, Marcello. Derselbe Tisch wie immer?" Fragt der Kellner. „Ja, bitte" antwortet Marcello ihm.

Der Kellner führt uns beide zu demselben gemütlichen Tisch in der Ecke des Restaurants, am Fenster und reicht uns die Speisekarte. „Was hätten Sie denn gerne zum Nachmittag?" fragt uns der Kellner.

„Hmm, diesmal Versuche ich Scampi-Risotto." entscheide ich mich. „Prendero le lasagne alla Bolognese, Grazie." Bestellt Marcello auf Italienisch.

Während wir auf unsere Bestellung warten, gehen wir noch Mal unsere Notizen vom Tatort durch.

„Laut dem Informanten steht weder Datum noch Uhrzeit fest. Aber er glaubt, dass es irgendwann im nächsten Monat sein wird. Also haben wir einen Monat Zeit uns vorzubereiten."

„Was machen wir als Nächstes?"

„Während Leona und Lee daran arbeiten, Informationen über die Russen zu sammeln, die die Waffen liefern...Werden wir daran arbeiten, herauszufinden, an wem Lorenzo sie verkaufen will, also die Endabnehmer. Und wir werden Lorenzo Castellanos Lagerhäuser verwanzen. Es wäre fantastisch seine Wohnung zu verwanzen zu können. Aber das war bisher unmöglich. Wir können niemanden reinlassen, ohne unentdeckt zu bleiben."

„Wie wäre es, wenn wir einen Offizier als Haushälterin verkleiden?" schlage ich vor. „Daran dachten wir auch, aber er hat schon eine Haushälterin. Die Frau von einem seiner Männer. Sie arbeitet schon seit zehn Jahren treu für die Familie."

„Das ist dann wohl unmöglich." stelle ich fest. „Wie auch immer, was wir jedoch tun KÖNNEN, ist seine Wohnung zu überwachen. Auf diese Weise wissen wir zumindest, dass wir den Überblick über jeden behalten können, der ein und ausgeht. "

Ich spüre wie mir kalt wird. Ich muss daran denken mich nicht in der Nähe seiner Wohnung blicken zu lassen. Der Kellner bringt uns das Essen. Eine Weile essen wir schweigend vor uns hin.

„Marcello?" frage ich. „Ja?" er schaut mich wartend an.

„Fällt es dir schwer, allein zu sein ohne deine Familie?" Marcello schweigt so lange, dass ich glaube das er mir überhaupt nicht mehr antworten wird.

Dann beginnt er endlich zu sprechen. „Man könnte so sagen, dass ich schon als Kind eine sehr komplizierte Beziehung zu meiner Familie hatte. Ich habe meine Eltern geliebt, wie es jedes Kind automatisch tut. Aber gleichzeitig habe ich das gehasst, was mein Vater für Geld tut.

Oder wie meine Mutter ihn bedingungslos unterstützte, wie es eine gute italienische Hausfrau tut. Ich fand es auch immer schwieriger mit Lorenzo auszukommen, als wir Teenager wurden. Offensichtlich teilte er nicht meine Überzeugung, dass das in das unsere Familie verwickelt war, falsch oder abscheulich war."

Marcello seufzt und fährt sich durch die Haare. „Und dann geschah die Schießerei und meine Mutter starb."

„Marcello es tut mir so leid." sage ich aufrichtig. „Ja nun, es ist die einfache Art von Scheiße, die in dieser Welt passiert. Und für mich war das wohl der Tropfen, dass das Fass zum Überlaufen brachte. Ich müsste weggehen und alle Beziehungen mit ihnen abbrechen. Ich konnte kein Teil dieser Welt sein."

„Verstehe."

„Was ich Versuche zu sagen ist, dass es jedenfalls besser ist allein zu sein als ein Teil davon." erzählt er mir seine Sicht. „Ja, ich verstehe, was du meinst."

„Für dich muss es noch schwerer sein, beide Eltern in so einem jungen Alter zu verlieren. Und dann noch auf eine jüngere Schwester aufzupassen, als du selbst noch eins warst."

Ich zucke mit der Achsel und stochere in mein Essen herum. „Sie waren nicht die besten Eltern. Das machte mich zäh."

„Ja, du bist zäh." Stimmte er mir zu. „Ich wünschte nur meine Schwester hätte nicht solche beschissenen Eltern."

„Aber sie hat die beste Schwester." Ich lächele verschmilzt. „Ich weiß nicht so Recht." gebe ich zu. „Ich wette, du würdest alles für sie tun, oder?" Du kennst noch nicht Mal die halbe Wahrheit. „Ich würde alles tun, um sie zu beschützen."

„Siehst du die beste Schwester der Welt." Ich winde mich ungemütlich auf meinem Platz hin und her. Hmm, ich wüsste gerne mehr über die Frau, in die die beiden verliebt waren.

„Marcello, wer war diese Frau, der ich ähnle?" frage ich nach. Während er Löcher in die Luft starrt, trübt sich Marcello Gesichtsausdruck fast augenblicklich. „Du meinst Ava." Er seufzt, dann wendet er sich wieder mir zu.

„Sie wohnte neben uns, als wir Kinder waren. Wir drei spielten immer zusammen. Wir sind zusammen in den Park gegangen oder jeweils zu uns nach Hause." Er errötet leicht. „Als ich dreizehn war, hatte ich, äh...meinen ersten Kuss mit ihr. Später erfuhr ich, dass sie auch Lorenzo geküsst hatte."

„Oh, wow. Ihr wart also beide in sie verliebt?" versichere ich mich. „In dem Fall würde ich es nicht Liebe nennen. Wir waren jung und fingen gerade an, unsere wachsenden Gefühle zu verstehen. Ava war selbst verwirrt, schätze ich. Sie schien sich nicht entscheiden zu können, welchen von uns sie mehr mochte."

„Also. Hat sie sich euch beide warmgehalten?" hakte ich nach. „Nicht ganz. Als wir sechzehn waren, begann Ava mehr und mehr mit mir abzuhängen."

„Und Lorenzo gefiel das nicht?" vermute ich. „Nein, das hat es nicht. Er war davon überzeugt, dass er wahnsinnig in sie verliebt, war.... Fast bis zur Besessenheit. Aber niemand konnte es ihm verübeln, denke ich. Ava hat es ihm nicht gerade deutlich gezeigt. Sie hat ihn nicht wirklich davon angehalten, ihr weiter hinterherzulaufen. Vielleicht gefiel ihr die Aufmerksamkeit." Er runzelt die Stirn und seine Augen werden unruhig.

„Oder vielleicht hat sie ihn auch geliebt." erzählt er seine Vermutung. „Wie ist sie gestorben?"

„Es war meine Schuld." Bei seiner Aussage durchfährt mich eine Schockwelle. „Was willst du damit sagen?"

„Als wir achtzehn waren, schlief sie mit ihm und ich fand es heraus. Ich habe mit ihr Schluss gemacht. Sie...sie hat es nicht sehr gut verkraftet."

„Und was ist dann passiert?" frage ich interessiert nach. „Sie hat sich umgebracht." Marcello schließt seine Augen, jedoch nicht bevor ich noch die Trauer und den Selbsthass in ihnen sehen kann. „Marcello, liebst du sie noch immer?"

„Ich....Ich weiß es nicht. Ich denke von Zeit zu Zeit an sie." Ich nicke verstehend. Auch, wenn es etwas schmerzt. Marcello holt tief Luft und richtet seinen Blick wieder auf mich. „Jetzt weißt du, was für eine emotionale Last ich mit mir herumtrage."

„Hey, wer hat schon keine emotionale Last mit sich herumzutragen?" frage ich ehrlich. ,,Ich hätte, das nicht alles auf dir abladen sollen." entschuldigt er sich.

„Ich war diejenige, die dich nach ihr gefragt hat. Danke, dass du mir genug vertraust, um dich mir anzuvertrauen." Marcello lächelt reuevoll. „Danke fürs Zuhören. Komm, wir sollten zurück zur Polizeistation gehen."


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