Geheimnisse - Teil 26

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Eigentlich wollte Roxana gar nicht so lange bei Ritze und seinen Freunden bleiben, doch jetzt war sie schon länger als ein Jahr hier. Wenn sie an ihre Zeit in Sofia dachte, dann ging es ihr hier richtig gut. Die Arbeit machte ihr Spaß und wenn sie etwas brauchte, dann musste sie nur darum bitten. Siggi, Franco oder die anderen neuen Aufpasser sagten fast nie nein. Die kauften sogar Lebensmittel für alle Frauen ein.

Ihre Einkäufe stellten sie dann in der Küche ab und meistens kochten die Mädels, und die Jungs langten kräftig mit zu. So etwas wäre damals in ihrer Heimat undenkbar gewesen. Die Kerle dort wären nie für ihre Huren einkaufen gegangen. Die hatten sie damals nur ausgepresst, bis aufs Blut und ihr noch nicht mal Luft zum Atmen gelassen.

Dort konnte sie auch nicht in so schönen Zimmern arbeiten, sondern stand bei jedem Wetter auf der Straße. Hier schlief sie in einem richtigen Bett und nicht in einer Garage auf einer stinkenden Matratze. In den Wohnungen gab es richtige Bäder, es gab Toilettenpapier und Seife, jeden Tag wurden frische Handtücher und Bettwäsche geliefert.

Sogar die Freier behandelten sie anders, als in der Heimat. In Bulgarien schauten ihr die Männer nur einmal ins Gesicht und wussten sofort, dass sie eine Zigeunerin war. Dementsprechend schlecht wurde sie dort auch bezahlt. Hier spielte es anscheinend überhaupt keine Rolle, wer oder was sie war. Sie war einfach nur Roxana und das gefiel ihr sehr. Sie hatte sogar schon Stammkunden, die immer wieder kamen.

Franco war einer von den richtig Netten. Vor ein paar Tagen war der sogar mit ihr zum Arzt gefahren. Sie hatte ihm nur gesagt, dass es ihr nicht gut ging. Schon hatte er ihr eine Plastik-Karte in die Hand gedrückt und sie in einen Warteraum gesetzt. Der Arzt hatte sie untersucht und ihr Medikamente verschrieben. Franco war mit ihr zur Apotheke gegangen und hatte sie abgeholt.

Die Kosten wurden ihr zwar auf die Rechnung gesetzt und zu ihren Schulden dazu gezählt, aber das interessierte sie nicht. Sie wusste noch nicht einmal wie viele Schulden sie hatte. Doch, dass Franco mit ihr zum Arzt gefahren war, das war einfach unglaublich!

Die anderen Mädchen mieden sie noch immer. Die hassten Zigeuner, doch dafür spielte sie ihnen gern Streiche. Sie versteckte deren persönliche Dinge oder vertauschte sie und brachte die Mädchen so gegeneinander auf.

Nachdem sie gegessen hatte, versalzte sie den anderen auch schon mal das Essen oder sie war sehr großzügig mit dem Chilipulver. Schon mehrfach hatte sie sich in der Nacht in Irinas Zimmer geschlichen und ihren Wecker verstellt. So etwas machte ihr einfach zu viel Spaß.

Doch heute war ihr ein Duftflakon in ihrer Handtasche ausgelaufen. Einen Moment lang hatte sie an eine Racheaktion der anderen Mädchen geglaubt. Aber der Deckel der kleinen Flasche fiel fast von allein ab. Das war also keine Racheaktion. Doch ihre Tasche roch jetzt wie ein ganzer Puff.

Ein wenig genervt ging sie in die Küche und suchte überall nach einem Lappen, weil sie die Tasche auswischen und irgendwie retten wollte. Doch einen Lappen konnte sie nirgends finden. Unter der Spüle stand nur eine alte Sprühflasche. Der Sprühkopf fehlte, die Dose sah klebrig und ekelhaft aus. Etwas Ähnliches hatten sie zu Hause als Mückenspray genutzt und tatsächlich entdeckte sie eine aufgedruckte, aber verblasste Mücke. Neugierig hob sie die Dose mit zwei Fingern auf, schüttelte sie und stellte überrascht fest, dass da keine Flüssigkeit, sondern etwas anderes drin war.

Jetzt nahm sie die Dose näher in Augenschein und entdeckte einen kunstvoll gestalteten Verschluss am Boden, den man mit bloßem Auge kaum bemerkte. Sofort versuchte sie an dem Verschluss zu drehen und zu ziehen. Schließlich sprang er auf, ein zusammengerolltes Bündel Geld fiel heraus und rollte an das andere Ende der Küche. Sie konnte es einfach nicht glauben! Doch nach einer freudigen Schrecksekunde sprang sie auf und rannte dem Geld hinterher.

In High Heels auf dem StrichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt