Untersuchungshaft - Teil 42

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Als der Kommissar ihr das eigene Handy in die Hand drückte, fühlte Marita, wie das Adrenalin durch ihre Adern schoss. Schnell suchte sie den Namen der einzigen Person heraus, die ihr jetzt helfen konnte und drückte auf Anrufen. Mit klopfendem Herzen lauschte sie auf das Freizeichen. Endlich hörte sie seine Stimme.

"Was gibts?"

"Ritze, ich bin's", begann sie hastig auf Deutsch. "Ich sitze hier in Paris bei den Bullen auf dem Revier. Die haben mich verhaftet. Sie wollen mir organisierte Kriminalität und Steuerhinterziehung anhängen. Die wollen mich für zehn bis vierzehn Jahre ins Gefängnis stecken! Du musst mich hier rausholen!" Sie war einer Panik nahe.

Am anderen Ende der Leitung herrschte kurz Stille. "Was? Wieso? Was hast du gemacht?"

"Die sagen, dass mein Escortservice organisierte Kriminalität ist. Aber es ist vollkommen egal, was die von mir wollen. Du musst mich so schnell wie möglich hier herausholen!"

Ein wenig ratlos kratzte Ritze sich am Kopf. "Wie soll ich das machen? Willst du abhauen? Soll ich den Fluchthelfer spielen? Vielleicht mit einem Hubschrauber? Marita, das ist Frankreich! Da kenne ich mich überhaupt nicht aus."

Er wollte noch mehr sagen, doch sie unterbrach ihn. "Ja, verdammt! Du sollst mich hier rausholen, egal wie! Trommle die gesamte Mannschaft zusammen! Lasst euch etwas einfallen! Hier in Paris gibt es eine Frau, die dir helfen kann. Sie heißt Justine und sie kennt sich hier aus. Ich schicke dir ihre Nummer, sie spricht gut Englisch. Ruf sie an und sprich mit ihr. Bitte Ritze! Lass dir etwas einfallen! Lass mich nicht hier im Gefängnis verrotten."

Ihr gegenüber saß André. Er verstand zwar nicht, was sie sagte, aber das war auch egal. Dieser Frau konnte niemand mehr helfen und so grinste er breit. Er sah, wie ihr die Tränen herunterliefen und lehnte sich zurück. Sollte sie doch heulen, diese deutsche Internet-Puffmutter! Hier war für sie erst einmal Endstation.

Am anderen Ende der Leitung raufte Ritze sich ratlos die Haare. "Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber das wird nicht einfach."

"Wirst du es versuchen?"

Einen Moment herrschte Stille. "Okay, okay! Ich werde ein paar Anrufe machen. Bleib ruhig und halte durch. Wir finden einen Weg."

Sie schluckte und schloss die Augen. "Danke, Ritze. Beeil dich bitte. Ich habe wirklich eine Scheißangst. Wenn die mich für so lange Zeit einsperren, dann ist mein Leben zu Ende. Dann war es das!"

"Ich werde sehen, was ich tun kann. Halt die Ohren steif."

Ohne eine weitere Verabschiedung endete das Gespräch.

"Sind sie fertig mit ihrem Anruf, Madame Tanner?", fragte der Kommissar spöttisch.

Stumm schüttelte sie den Kopf und schickte noch schnell eine SMS an Ritze mit der Nummer von Justine. "Ich will einen Anwalt, aber ich kenne hier keinen. Können sie mir sagen, welcher Anwalt der teuerste von Paris ist?"

»Das hättest du wohl gern, dass ich dir auch noch helfe«, dachte sich Kommissar André und warf ihr das Telefonbuch von Paris auf den Tisch.

Hecktisch suchte sie nach einem Anwalt und rief einfach irgendeinen an. Später konnte sie ja immer noch einen besseren Anwalt verpflichten.

"Madame Tanner, ihre Zeit hier ist fürs Erste vorbei. Wir bringen sie jetzt in die U-Haft", erklärte Kommissar André nüchtern, legte ihr die Handschellen wieder an und führte sie hinaus.

Es war kalt auf der Sitzbank aus Metall. Einst war sie gepolstert, aber im Laufe der Jahre waren der Bank die Polster wohl abhandengekommen und die französische Justiz hatte nicht genug Geld die Polster in ihrem Gefängniswagen zu ersetzen. Noch waren die Handschellen nicht aufgewärmt. Marita fühlte die Kälte des Metalls an ihren Handgelenken und an ihrem Hintern. Ihr Herz schlug schnell und sie konnte es einfach nicht glauben. Wie eine ganz gewöhnliche Kriminelle saß sie mit anderen Gefangenen in diesem Transporter, eingezwängt zwischen den Beamten der EGID. Noch nicht einmal aus dem Fenster konnte sie sehen. Die waren hoch oben und sehr klein. Hier drinnen war es eng und stickig, der Geruch von Angst und Verzweiflung hing in der Luft.

In High Heels auf dem StrichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt