Der Löwenanteil - Teil 15

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Mit großen Augen sah Mauli wie Ritze zusammen mit Kalle, Heino und Marita um die Getreidehalle herum kam und auf ihn zu steuerte. Sofort erkannte er, dass etwas nicht stimmte. Ritze glühte vor Zorn. Irgendetwas hatte ihn stinksauer gemacht. Jetzt reichte ein einziges falsches Wort, dann würde er explodieren. 

Lässig lehnten sich Franco und Siggi gegen das Metalltor. Als ehemaliger Fallschirmjäger war Siggi eine imposante Erscheinung. Groß und breitschultrig, strahlte er eine stoische Ruhe aus. Franco "der Boxer" war einst eine Legende in den Untergrund Kampfsportkreisen. Der wirkte immer wie ein Raubtier, das auf Beute lauerte.

"Alles in Ordnung, Boss?", fragte Siggi. Doch Ritze nickte den beiden nur unwirsch zu. In diesem Fall konnten selbst diese Kerle nicht helfen. Zudem wollte er sie da nicht mit hineinziehen. Die beiden waren nur Angestellte, die gehörten nicht zu ihnen. Um die Drogenhändler musste er sich selbst kümmern. Deshalb ging er an ihnen vorbei und gab Mauli ein Zeichen. Der war alarmiert. Auch er nickte Franco und Siggi kurz zu und ging mit Ritze. Die Türsteher kamen auch gut ohne ihn zurecht.

Besorgt schaute Marita ihm hinterher. Wo wollte er hin? Kopfschüttelnd folgte sie Kalle und Heino wieder in die Halle.

Auf dem Weg zum Auto sah Mauli, wie Ritze seine Hände öffnete und schloss, als würde er versuchen, die Wut körperlich loszuwerden. Die Spannung war fast greifbar. Doch wer oder was hatte ihn so wütend gemacht? Fragen stellen wollte Mauli ihm lieber nicht. Irgendwann würde er sich beruhigen und dann würde er von ganz allein erzählen, was ihn so aufgebracht hatte.

Mit seinem schicken Funkschlüssel öffnete er die Türen seines Autos und ließ Ritze einsteigen. Mauli hatte keine Ahnung, wohin er ihn fahren sollte. Also startete er einfach den Motor und fuhr zu Maritas Wohnung.

Auf dem ganzen Weg saß Ritze neben ihm und kochte vor Wut. Genau wie sonst auch parkte Mauli in der Auffahrt. Am Tage stand hier immer der wunderschöne, schwarze Oldtimer von Herrn Greve, aber nachts schaffte der ihn wohl in die Garage hinter dem Haus. Mauli fragte sich, was er hier wollte. Der Rave war noch lange nicht zu Ende. Sie wurden beide dort gebraucht. Also was taten sie hier?

Doch jetzt ließ Ritze ihn den Kofferraum öffnen und als Mauli einen Blick hineinwarf, stockte ihm der Atem. Dort lagen ihre Einnahmen wild durcheinander. Das meiste waren kleine Scheine und so sah es sehr viel mehr aus, als es eigentlich war.

Gemeinsam rafften sie das Geld zusammen, stopften es in zwei große Aldi Tüten und brachten sie in die Wohnung. Dort schloss Ritze die Tüten in Maritas Kleiderschrank ein und nahm den Schlüssel mit.

Auf dem Weg zurück zur Getreidehalle schien es Mauli, als wäre Ritze jetzt etwas ruhiger. Doch die Beleidigung »Ritze-Rotze« und der Gedanke daran, dass er diesen Mistkerlen auch noch Geld gegeben hatte, brannte in ihm wie Feuer. Mauli saß neben ihm, wagte es noch immer nicht, auch nur ein Wort zu sagen.

"Damit lasse ich sie nicht davon kommen!", murmelte Ritze vor sich hin, als sie vor der Getreidehalle ausstiegen. Mauli hatte keine Ahnung, wovon er sprach, aber ihm war klar, dass jemand in großen Schwierigkeiten war. Mit einem kleinen Lächeln lief er neben Ritze her und freute sich, weil der es nicht auf ihn abgesehen hatte.

Inzwischen liefen viele Leute auf dem Parkplatz umher. Überall wurde geknutscht, Betrunkene gerieten aneinander, es gab Geschrei und handfeste Auseinandersetzungen. In einem parkenden Auto vögelte jemand eine ihrer Huren, während ein anderer versuchte, sein zugeparktes Auto zu befreien.

All das interessierte Ritze nur wenig. Er steuerte auf den Eingang zu, sprach kurz mit Siggi und tauchte ein in die glitzernden Lichteffekte der Halle. Hier waberten inzwischen bunte Nebelschwaden durch die Luft. Müll und leere Flaschen lagen am Boden. Es roch nach Alkohol, Tabak, Schweiß und Kotze. Doch die Stimmung war immer noch hervorragend. Die Leute tanzten und tranken, als wäre dies ihr letzter Tag auf Erden.

In High Heels auf dem StrichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt