Die Fluchthelferin - Teil 47

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Wie gewohnt stand der Wachmann Monsieur Montebourg mit verschränkten Armen vor der Tür der Damentoilette, mit dem Rücken an der Wand, den Blick starr geradeaus gerichtet. Als die verschleierten Frauen die Toilette betraten, hatte er sich mit einem Schmunzeln vorgestellt, wie seine Gefangene unter einem solchen Gewandt wohl aussehen würde. Doch dann hatte er diesen Gedanken verworfen, denn selbst mit einer weiten Abaya und einem Hidschāb könnte die magere Angeklagte sich nicht unter diesen fetten Weibern verstecken.

Als die Frauen wieder herauskamen, hatte er genau darauf geachtet, wie dick sie waren. Doch die schmächtige Marita Tanner war nicht dabei. So hatte er weiter auf sie gewartet und versucht, so bequem wie möglich zu stehen und seinen Rücken zu entlasten.

Doch nach einigen Minuten wurde er unruhig. Die Angeklagte hatte die Toilette noch immer nicht verlassen und das ungute Gefühl wurde von Minute zu Minute stärker. Noch wollte er nichts unternehmen und versuchte, sich zu beruhigen.

Doch als er nicht länger stehen konnte drückte er sich von der Wand ab und hielt sich den schmerzenden Rücken.

Nur kurz klopfte er an die Tür der Toilette. "Madame Tanner! Ich komme jetzt rein!"

Schon öffnete er die Tür und schaute sich um. Aber der Raum war leer und die Türen zu den Kabinen standen alle offen. In Panik rannte er bis ganz nach hinten und schaute hinter jede der kleinen Türen. Aber seine Gefangene war nicht hier. Ein Schauer lief ihm über den Rücken.

Wie war das möglich? Er hatte doch draußen vor der Tür gestanden und keinen Moment weggesehen. Plötzlich stand ihm das Bild der parfümierten Araberinnen vor Augen. Diese verfluchten Weiber! Sie hatten ihn hereingelegt! In diesem Moment entdeckte er die Gefängniskluft und die Schuhe im Abfalleimer neben der Tür.

In Panik rannte Monsieur Montebourg den Flur entlang, ein paar Türen weiter, in das Büro seines Chefs. Ohne anzuklopfen, stürmte er hinein.

"Monsieur Bernard! Die Angeklagte, Marita Tanner... sie ist weg!"

"Was?" Ungläubig schaute Monsieur Bernard den Mann an. "Wie kann sie weg sein? Wo ist sie hin?"

"Ich... ich weiß es nicht", stotterte der Wachmann unsicher. "Ich habe sie so wie immer zur Toilette begleitet, aber sie ist verschwunden. Einfach so... sie ist nicht mehr da. Ihre Kleidung liegt im Mülleimer."

Von den Araberinnen sagte er noch nichts. Zu tief saß die Scham. Beide Männer wussten was da auf sie zukam. Es würde einen gewaltigen Skandal geben! Was für eine Demütigung für sie beide und was für ein Desaster für die Justiz!

Wütend griff Monsieur Bernard zum Telefon. Innerhalb weniger Sekunden war das gesamte Gebäude in Alarmbereitschaft versetzt und wurde abgeriegelt. Eine Ansage verkündete, dass niemand das Gebäude verlassen dürfe. Sicherheitskräfte postierten sich an allen Ausgängen, und ein Suchtrupp begann, jeden Winkel des Gebäudes zu durchsuchen.

Vollkommen niedergeschlagen saß Monsieur Montebourg auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch seines Chefs und spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Die Scham ließ seine Ohren glühen, nur die Schmerzen in seinem Rücken waren hier auf dem bequemen Polsterstuhl ein wenig erträglicher. "Das darf nicht wahr sein", murmelte er vor sich hin. Doch er musste der Realität ins Auge sehen. Er hatte versagt.

Eine Stunde später hatte man das gesamte Gebäude durchsucht. Jetzt war klar, die Angeklagte war tatsächlich entkommen.

Garantiert würde es eine Untersuchung geben und wenn die Presse erst einmal Wind davon bekam, hatten sie keine ruhige Minute mehr. Doch darauf hoffen, dass dieser Sturm an ihnen vorüberzog, konnten die beiden Männer nicht. Denn schon rückte das Fernsehen mit einem Übertragungswagen an. Diese Blamage würde in einer Stunde durch alle Medien gehen. Längst waren der Richter und der Staatsanwalt informiert, doch als erste musste Maritas Anwältin vor einer Fernsehkamera erklären, dass sie nichts von den Fluchtplänen ihrer Mandantin gewusst hatte.

In High Heels auf dem StrichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt