Mercedes 540 K - Teil 52

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Ein wenig überrascht stieg Lutz aus seinem Audi und lief zu dem Findling, der direkt neben dem Weg stand. Nur wenige Minuten hatte er gebraucht, das "Osterei" im Wald zu finden. Der Stein war fast so groß, wie er selbst und sah wirklich so aus, wie ein Ei. Andere Findlinge gab es hier nicht, das musste also der richtige Stein sein.

Lächelnd strich er mit der Hand darüber und schaute sich um. Wo konnte das Grab sein? Irgendwo in der Nähe hatte Heino gesagt. Doch das konnte überall sein. Mit bloßem Auge konnte er keinen Grabhügel, aber auch keine Senke entdecken. Überall lagen Laub und Äste herum.

Es war sogar möglich, dass er bereits über das Grab gegangen war und es nicht bemerkt hatte. Ganz sicher würden die Bullen die Leichen mit ihren Hunden finden. Darüber musste er sich keine Gedanken machen. Voller Vorfreude lief er zurück zu seinem Auto und holte seinen umgebauten Schreckschussrevolver aus dem Kofferraum. Das Metall fühlte sich schwer und kalt an.

Eigentlich war dieser Revolver unberechenbar und gefährlich, weil er ihn selbst in seinem Keller umgebaut hatte. Den Lauf hatte er aufgebohrt, eine stärkere Feder eingebaut und den Schlagbolzen so verändert, dass er damit echte Munition verschießen konnte. Obwohl er nicht wusste, ob dieses Ding es aushalten würde, war er ganz wild darauf, es endlich abzufeuern. Er wollte sehen, ob es genauso funktionierte, wie er es sich gedacht hatte.

Ein paar leere Bierdosen hatte er dabei und die stellte er in einer Reihe auf einen umgefallenen, fast schon verrotteten Baumstamm. Nur etwa zehn Meter trat er zurück, spannte den Hahn, legte an, zielte gut und drückte zum ersten Mal den Abzug durch. Ein lautes Krachen durchbrach die Stille des Waldes und Lutz spürte den Rückstoß in seiner Hand. Der Schuss ging daneben, die Kugel pfiff irgendwo in den Wald.

Breit grinsend schaute er auf die Waffe. Sie war nicht in seiner Hand explodiert und die Kugel war in die richtige Richtung geflogen. Noch einmal spannte er den Hahn und legte dieses Mal mit beiden Händen an. Dabei stellte er sich vor, dies wäre kein harmloser Test, sondern ein echter Kampf auf Leben und Tod. Wieder zog er den Abzug durch und diesmal traf die Kugel zumindest den Baumstamm. Ein Gefühl der Genugtuung durchströmte ihn. Es war kein perfekter Treffer, aber es war ein Anfang.

Immer weiter schoss er, bis keine Patronen mehr in den Kammern waren, aber einen direkten Treffer konnte er nicht landen. Deshalb verkürzte er die Distanz, lud nach und versuchte es erneut. Endlich flog eine Dose davon.

Wenn er ganz nah an Ritze heranging, dann konnte er nicht daneben schießen. Der war ja nicht so klein, wie eine Bierdose. Den würde er schon treffen. Mit einem Lächeln setzte er sich in sein Auto, fuhr zurück und dachte an Ritze, den Mann, der seine Tochter ermordet hatte. Schon bald würde er sich seiner annehmen.

Viele Tage und Nächte hatte er ihn beobachtet. Aber der setzte nie auch nur einen Fuß in den Seeblick. Der war entweder unterwegs und kassierte seine Nutten ab, oder er war zu Hause in seiner Wohnung. In letzter Zeit hatte er stets die Fenster zugezogen, so als ob er Angst hätte, beobachtet zu werden.

Ihn konnte er nicht betäuben und in seinen Keller schaffen. Deshalb wollte er ganz normal bei ihm klingeln und den besorgten Vater spielen, der die Nachbarn nach dem Mord an seiner Tochter befragt. Mit Wut im Herzen fuhr er zurück und mit seinem Revolver in der Jackentasche, betrat er das Nachbargrundstück und ging über die Einfahrt, an dem Porsche vorbei.

Als er die Treppe hinaufstieg, schlug sein Herz so heftig, als hätte es vor, die Rippen zu sprengen. Endlich passierte es! Endlich würde er dem Mörder seiner Tochter gegenüberstehen! Sofort erschießen wollte Lutz ihn nicht, sondern ihn erst einmal befragen. Er sollte ihm alles gestehen, bevor er ihn durchlöcherte. Oben blieb er vor der Tür stehen und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Erst nach einer ganzen Weile drückte er auf die Klingel und konnte Ritze hinter der Tür hören. Auch im Spion konnte er sehen, dass der ihn beobachtete.

In High Heels auf dem StrichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt