Yvonne - Teil 6

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Eigentlich war es ein herrlicher, warmer Sommerabend. Die Vögel zwitscherten in den Kastanien, doch Mauli saß vollkommen niedergeschlagen, ganz allein an einem Tisch im Biergarten am Seeblick. Trübsinnig starrte er in sein Glas und grübelte.

Immer wieder hatte er in der Galeria sein Glück bei den Mädchen versucht. Alle seine Fehlschläge hatte er lächelnd weggesteckt, nicht aufgegeben und immer weitere Mädchen angesprochen. Dabei fühlten sich die Ablehnungen jedes Mal an, wie ein Tritt in die Eier. Doch keine wollte etwas mit ihm zu tun haben. Er hatte es immer wieder versucht, aber es hatte einfach nicht geklappt.

Marita hatte bei jedem neuen Versuch mit ihm gelitten und die Jungs waren dieses Mal auch nicht gemein zu ihm. Sie hatten nicht über ihn gelacht. Stattdessen hatte Ritze ihm immer wieder wertvolle Tipps gegeben, was er besser machen konnte. Doch selbst als die Läden geschlossen wurden, hatte er noch immer keinen Erfolg.

Auch wenn Mauli sich nichts anmerken ließ und so tat, als würde er über den Dingen stehen, die Zurückweisungen nagten an ihm, fraßen sich tief in sein Innerstes und hinterließen dort Bitterkeit und Frustration. Es fühlte sich an, als würde ein riesiger, unsichtbarer Stein auf seinem Herzen lasten, der ihn langsam, aber sicher erdrückte.

Sein Kopf war voller Fragen und Zweifel. Warum nur? Warum klappte es bei den anderen, aber nicht bei ihm? Was machte er falsch? War er wirklich so hässlich, so abstoßend, dass kein Mädchen ihn jemals begehren würde?

Eine hatte sofort die Hände gehoben, als wolle sie ihn fern halten. Dabei hatte er sie nur angelächelt und noch gar nichts gesagt. "Komm mir nicht zu nah! Steck mich bloß nicht an mit deiner Hässlichkeit!", hatte sie ihm an den Kopf geworfen. Das war ganz eindeutig der Höhepunkt des Tages.

Gedankenverloren trank er aus seinem Bier.

Bei Heino hatte er ja damit gerechnet, dass der sofort Erfolg haben würde. Doch selbst Kalle hatte es geschafft. Der hatte zwar schöne Zähne, aber sonst sah der wirklich nicht aus, wie ein Adonis. Er war nicht groß und auch nicht muskulös. Wenn Mauli es genau bedachte, dann sah Kalle fast ein wenig weiblich aus. Trotzdem hatte er es mit der Methode von Ritze geschafft und eine Telefonnummer von einem Mädchen bekommen.

Nur er selbst konnte keine davon überzeugen, dass er ein guter Kerl war. Er hatte sich jedes einzelne Mal einen Korb geholt. Dabei hatte er es ganz genau so gemacht, wie Ritze es ihm gesagt hatte. Er hatte gelächelt und darauf gewartet, dass die Mädchen zurück lächeln. Doch an diesem Punkt war er schon gescheitert. Keine hatte ihn angelächelt.

Während Mauli noch immer in sein Glas starrte, bemerkte er plötzlich eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Er schaute auf und sah ein Mädchen, das ein paar Schritte entfernt an einem anderen Tisch saß. Sie hatte ihn die ganze Zeit beobachtet. Als ihre Blicke sich trafen, lächelte sie ihn an und strich sich die Haare hinter das Ohr.

Für Mauli fühlte sich dieses Lächeln an, als hätte ihn der Blitz getroffen. Er drehte sich um und schaute hinter sich, weil er sicher gehen wollte, dass sie tatsächlich ihn meinte. Doch hinter ihm stand niemand. Sollte das wirklich wahr sein? Fast hätte er nicht reagiert, so überwältigt war er von diesem Lächeln. Doch dann erinnerte er sich daran, was Ritze ihm gesagt hatte. »Wenn ein Mädchen dich anlächelt, dann musst du sofort zu ihr gehen und sie ansprechen. Du hast nur ein sehr kurzes Zeitfenster. Wenn du nicht reagierst, ist sie weg!«

Ein Funken Hoffnung flammte in ihm auf. Tief atmete er durch, setzte sein schönstes Lächeln auf und nahm allen Mut zusammen. Mit klopfendem Herzen stand er auf und ging mit festen Schritten zu dem Mädchen hinüber.

"Hey, warum sitzt ein so schönes Mädchen wie du ganz allein an einem so großen Tisch? Darf ich mich zu dir setzen?"

Sie schaute ihn an und lächelte noch immer. "Natürlich, setz dich doch. Ich bin Yvonne."

In High Heels auf dem StrichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt