✔Kapitel 23

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Kapitel 23

Harry stand gerade vor dem Eingang seines Schulgebäudes. "1, 2 ..." Jemand stieß ihn zur Seite. Er fing von vorn an: "1, 2, 3 ..." "Aus dem weg du Freak", beschimpfe ihn Dan, ein Junge aus seiner Klassenstufe. Harry räusperte sich und fing noch mal von vorn an. "1 ..." Wieder ein Stoß. "1, 2, 3, 4 ..." Er wurde grob zur Seite geschubst, sodass er fast sein Gleichgewicht verlor. Er spürte, wie Tränen seine Sicht verschleierten. "1, 2, 3, 4, 5", zählte er mit zittriger Stimme, bevor er das Gebäude betrat. Schnell wischte er sich über die Wangen, um zu verstecken, dass er geweint hat. Er war es gewohnt, dass die Schüler ihn stießen, wenn er vor der Eingangstür stand. Einmal brauchte er eine halbe Stunde, bis er die Schule betreten konnte. Seine Mitschüler fanden es witzig, ihn zu ärgern und lachten. Ein schlimmer Tag in Harrys Erinnerungen.

Mit gesenkten Kopf lief er den Schulflur entlang. Er war noch immer sauer auf Liam und ebenso auf seine Mutter. Er hatte heute Morgen nicht mit ihr gesprochen. Anne sah immer wieder traurig zu ihrem Sohn, der schweigend sein Frühstück aß. Sie wusste, dass mit ihm nicht zu reden war, wenn er in solch einer Phase steckte. Doch die bösen Blicke, die er ihr zuwarf, verletzten sie. Doch das war Harry nicht bewusst.

Harry ging an einigen Räumen vorbei, deren Türen noch offen standen. Verschiedene Schüler tummelten sich dort, saßen auf den Tischen, spielten mit ihren Handys, lachten mit ihren Freunden, schrieben noch schnell Hausaufgaben ab oder saßen einfach nur auf ihren Stühlen und lasen in einem Buch.

Harry hatte seinen Chemiekurs fast erreicht, als er am Sekretariat vorbeilief und eine ihm bekannte Stimme hörte. Er stoppte sofort und lauschte, auch wenn er wusste, dass sich das nicht gehörte.

"Tut mir leid, Mr. Tomlinson, aber die Partner können nicht mehr getauscht werden. Das Auswahlverfahren hat entschieden." Louis sprach mit dem Direktor und Harry war verwundert.

"Mr. Payne, Sie verstehen das nicht. Harry und Zayn können nicht zusammenarbeiten. Zayn braucht einen anderen Partner. Lassen Sie mich mit Zayn zusammenarbeiten", bettelte Louis.

"Mr. Tomlinson, können Sie mir einen guten Grund nennen, warum Mr. Styles und Mr. Malik keine Partnerarbeit verrichten können?" Louis schien zu überlegen, denn es war einige Sekunden ruhig. Die Tür war angelehnt, doch Harry konnte nur einen Teil von Louis' Rücken sehen, der Rest blieb ihm verborgen.

"Weil, weil er ein Freak ist. Es wäre eine Zumutung für Zayn, mit ihm zusammenzuarbeiten", gab Louis letztendlich als Antwort.

Harrys Augen weiteten sich. Wie konnte Louis nur so über ihn reden? Er war doch sein Freund. Er hatte ihm doch versprochen, dass er ab jetzt nett zu ihm sein wollte.

Harry verstand das alles nicht. Er drehte sich um und lief aus dem Schulgebäude. Er konnte jetzt nicht mehr dort bleiben.

Als er das Schulgelände verlassen hatte, rannte er. Er rannte einfach los, ohne ein bestimmtes Ziel lief er die Straßen entlang. Der Wind wehte stark und sorgte dafür, dass Harrys Locken immer wieder in sein Gesicht flogen. Doch das war ihm egal, er musste sich jetzt ablenken.

Als er nach zehn Minuten stoppte, blickte er sich um und sah, dass er bei einem Park angekommen war. Er lief langsam hinein. Er liebte die Natur, sie war so viel schöner als die Menschen. Auch wenn sie etwas unberechenbar war. Harry lief auf eine Bank zu und ließ sich dort nieder. Es waren nicht viele Menschen im Park, aber so war es ihm sowieso lieber.

Er zog einen Zeichenblock aus seiner Schultasche und den dazugehörigen Bleistift. Nachdenklich sah er in den Himmel. Er war blau, nur kleine Wolken verdeckten ihn an manchen Stellen. Der Lockenkopf dachte nach, was er malen könnte. Seine Schwester Gemma sagte immer, dass er einfach das malen sollte, was ihn in diesem Moment beschäftigte. Gemma liebte Harrys Zeichnungen, sie war davon überzeugt, dass er ein großes Talent zum Zeichnen hatte. Inselbegabung nannten es die Ärzte. Eine positive Seite an Harrys Erkrankung. Wenn er auch in vielen Sachen nicht so gut war wie andere Menschen, so war er doch besser im Zeichnen als ein Großteil der meisten. Seine Mutter erklärte ihm, dass Menschen wie er oft eine bestimmte Begabung hatten. Bei Harry war es die Kunst.

Harry setzte den Bleistift an und begann, ohne groß darüber nachzudenken, zu malen. Ein paar Grundrisse, ein wenig Schattierung. Es dauerte einen Moment, bis Harry sah, was er dort auf das Papier brachte. Es war Louis. Harry fand, dass Louis ein schönes Motiv war. Die perfekte Gesichtsform, eine kleine Nase und diese Fältchen, die er an seinen Augen bekam, wenn er lachte. Er musste sich eingestehen, dass Louis ein wirklich schöner Mensch war.

Er entschloss sich dazu, das Porträt später fertig zu malen. Als er seine Sachen wieder einpackte, stand er auf und machte sich auf den Weg nach Hause. Er wusste, dass er wieder Ärger bekommen würde, denn Harry war nun zum zweiten Mal einfach aus der Schule verschwunden.

*

"Harry, warum bist du nicht in der Schule?" Anne saß gerade auf der Couch an ihrem Laptop, als Harry das Wohnzimmer betrat.

Harry zuckte mit den Schultern und ließ sich neben sie fallen. "Schatz, was ist passiert? Warum schwänzt du schon wieder?" Harry stiegen erneut die Tränen auf. Er konnte noch immer nicht verstehen, warum Louis so über ihn sprach, obwohl sie doch Freunde waren. "L-Louis hat mich angelogen." Anne legte den Laptop auf den Tisch und wandte sich komplett ihrem Sohn zu. "Was meinst du mit 'er hat gelogen'?" Harry schniefte und fuhr mit dem Handrücken über seine Augen. "E-Er hat gesagt, wir wären F-Freunde. Aber er h-hat gelogen." Anne verstand nicht, was Harry ihr damit sagen wollte. Sanft legte sie ihre Hand auf seine, bevor Harry weitersprach. "E-Er hat gesagt, i-ich bin ein Freak. So was macht ein Freund doch nicht, oder?" Anne war geschockt bei dem, was Harry sagte. Louis machte auf sie einen sehr netten Eindruck. "Nein, mein Schatz. Freunde sagen so etwas nicht. Vielleicht hast du dich einfach verhört." Harry schüttelte mit dem Kopf. "Ich habe mich nicht verhört. Er hat es gesagt. Alle sagen es. Mum, ich will das nicht mehr. Ich will kein Freak mehr sein." Das Herz von Anne schmerzte, sie zog Harry in eine feste Umarmung, während sie versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. "Du bist kein Freak. Die Leute wissen nicht, was sie da reden. Du bist wundervoll, du bist hilfsbereit und immer freundlich zu allen. Du bist perfekt, mein Schatz, genau so, wie du bist. Lass dir nichts anderes einreden, okay?" Harry schluchzte in das Shirt seiner Mutter, aber nickte trotzdem zaghaft.

"Ich liebe dich, Harry. Und ich bin so stolz auf dich."

✔Asperger 1 - I'm not a Freak •|• Larry [In Überarbeitung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt