Als Hermines Tagesprophet eines Morgens ankam, strich sie ihn glatt, blickte einen Moment auf die Titelseite und stieß dann einen solchen Schrei aus, dass alle im Umkreis sie anstarrten. "Was ist los?", fragten Faith, Harry und Ron im Chor.
Zur Antwort breitete sie die Zeitung auf dem Tisch vor ihnen aus und deutete auf die zehn Schwarzweißfotos, die die ganze Titelseite einnahmen und von denen neun die Gesichter von Zauberern zeigten, das zehnte das einer Hexe.
Manche von ihnen lächelten stumm und höhnisch, andere blickten dreist und trommelten mit den Fingern gegen die Rahmen ihrer Bilder.
Unter den Fotos stand jeweils ein Name und das Verbrechen, für das die Person nach Askaban geschickt worden war.Antonin Dolohow, lautete die Bildunterschrift bei einem Zauberer mit langem, fahlem, verzerrtem Gesicht, der spöttisch zu Faith aufblickte, verurteilt wegen der brutalen Morde an Gideon und Fabian Prewett.
Augustus Rookwood, hieß es unter einem pockennarbigen Mann mit fettigem Haar, der sich mit gelangweilter Miene gegen den Rand seines Bildes lehnte, verurteilt, weil er Geheimnisse des Zaubereiministeriums an Ihn, dessen Name nicht genannt werden darf, verraten hat.
Doch Faiths Blick wurde von dem Bild der Hexe angezogen.
Ihr Gesicht war ihr ins Auge gesprungen, kaum dass sie die Seite gesehen hatte. Sie hatte langes, dunkles Haar, das auf dem Bild ungepflegt und zottelig aussah. Unter ihren schweren Lidern blickte sie hasserfüllt zu ihr auf, während ein hochmütiges, verächtliches Lächeln um ihre dünnen Lippen spielte.Bellatrix Lestrange,
verurteilt wegen Folter verbunden mit dauerhafter schwerer Gesundheitsschädigung von Frank und Alice Longbottom.Hermine stieß Faith an und deutete auf die Schlagzeile über den Bildern, die Faith, die gebannt auf Bellatrix starrte, noch nicht gelesen hatte.
MASSENFLUCHT AUS ASKABAN MINISTERIUM BEFÜRCHTET, BLACK KÖNNTE »MAGNET« FÜR VORMALIGE TODESSER SEIN
"Black?", sagte Harry laut. "Nicht –?" "Schhh!", flüsterte Hermine verzweifelt. "Nicht so laut – lies doch einfach!"Das Zaubereiministerium gab gestern am späten Abend bekannt, dass es zu einer Massenflucht aus Askaban gekommen ist. Zaubereiminister Cornelius Fudge bestätigte im Gespräch mit Reportern in seinem Privatbüro, dass zehn Hochsicherheitsgefangene gestern am frühen Abend ausgebrochen sind und er bereits den Premierminister der Muggel von dem gefährlichen Charakter dieser Personen unterrichtet hat.
"Wir befinden uns leider in der gleichen Lage wie vor zweieinhalb Jahren, als der Mörder Sirius Black geflohen ist", sagte Fudge gestern Abend.
"Überdies sehen wir durchaus einen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbrüchen. Eine solche Massenflucht lässt auf Hilfe von außen schließen, und wir müssen uns erinnern, dass Black, als der Erste, der je aus Askaban entkommen ist, am besten in der Lage wäre, anderen zu helfen, in seine Fußstapfen zu treten. Wir halten es für wahrscheinlich, dass diese Personen, darunter Blacks Cousine Bellatrix Lestrange, sich um Black als ihren Führer geschart haben. Wir tun jedoch alles in unseren Kräften Stehende, um diese Kriminellen zu stellen, und wir bitten die magische Gemeinschaft, wachsam und vorsichtig zu bleiben. Auf keinen Fall sollte man sich einer dieser Personen nähern.""Da hast du’s, Harry", sagte Ron mit entsetzter Miene.
"Deshalb war -du weißt schon wer- gestern Nacht glücklich."
"Das glaub ich einfach nicht", knurrte Harry.
"Fudge gibt die Schuld für den Ausbruch Sirius?"
"Was soll er sonst tun?", sagte Faith bitter. "Er kann ja kaum sagen: ›Tut mir leid, Leute, Dumbledore hat mich gewarnt, dass dies passieren könnte, die Wachen von Askaban sind zu Lord Voldemort übergelaufen‹ – hör auf zu wimmern, Ronald– ›und jetzt sind auch noch Voldemorts übelste Anhänger ausgebrochen.‹ Immerhin hat er ein gutes halbes Jahr lang allen erzählt, dass du, Faith und Dumbledore Lügner seid, oder?" Hermine riss die Zeitung auf und las nun den Bericht auf den Innenseiten, während Faith sich in der Großen Halle umschaute.
Sie konnte nicht begreifen, warum ihre Mitschüler nicht verängstigt dreinblickten oder zumindest die schreckliche Nachricht auf der Titelseite diskutierten, doch nur wenige bekamen wie Hermine täglich die Zeitung geliefert.
Da saßen sie alle, redeten über die Hausaufgaben und über Quidditch und wer weiß was für Unsinn, während außerhalb dieser Mauern zehn weitere Todesser Voldemorts Reihen verstärkt hatten.
Sie warf einen Blick hoch zum Lehrertisch.
Dort sah es anders aus: Dumbledore und Professor McGonagall waren ins Gespräch vertieft und beide machten einen todernsten Eindruck.
Professor Sprout hatte den Propheten gegen eine Ketchupflasche gelehnt und las derart konzentriert die Titelseite, dass sie nicht bemerkte, wie von ihrem Löffel, den sie still in der Luft hielt, sanft Eigelb auf ihren Schoß tröpfelte. Unterdessen ließ sich am anderen Tischende Professor Umbridge eine Schale Haferbrei schmecken. Ausnahmsweise wanderten ihre wässrigen Krötenaugen nicht durch die Halle auf der Suche nach Schülern, die sich schlecht benahmen.
Mit finsterer Miene verschlang sie ihr Essen, wobei sie ab und zu einen gehässigen Blick über den Tisch zu Dumbledore und McGonagall warf, die so eindringlich miteinander sprachen.
Hermine zog die Zeitung wieder zu sich heran, faltete sie zusammen, starrte kurz und böse auf die Bilder der zehn entflohenen Todesser auf der Titelseite und sprang auf.
"Wo willst du hin?", fragte Ron verdutzt. "Einen Brief abschicken", sagte Hermine und schwang sich die Tasche über die Schulter.
"Es … nun, ich weiß ja nicht … aber einen Versuch ist es wert … und ich bin die Einzige, die es kann."
"Ich kann’s nicht haben, wenn sie so was macht", murrte Ron, während er Faith und Harry vom Tisch aufstanden und nun ebenfalls, ein wenig langsamer, die Große Halle verließen.
"Würde ihr ein Zacken aus der Krone brechen, wenn sie uns einmal sagen würde, was sie vorhat?
Das würde sie gerade mal zehn Sekunden kosten – hey, Hagrid!"
Hagrid stand an der Tür zur Eingangshalle und ließ eine Schar Ravenclaws vorbeiziehen.
Noch immer war er so schwer zugerichtet wie an dem Tag, als er von seiner Mission bei den Riesen zurückgekehrt war, und er hatte eine neue Schnittwunde direkt auf seinem Nasenrücken.
"Alles klar mit euch drei’n?", sagte er und versuchte ein Lächeln, schaffte jedoch nur eine Art gequälte Grimasse. "Bist du okay, Hagrid?", entgegnete Faith und folgte ihm, als er den Ravenclaws hinterhertrottete.
"Bestens, bestens", sagte Hagrid und versuchte halbherzig gute Laune vorzutäuschen. Er schwenkte die Hand und hätte um ein Haar die erschrockene Professor Vektor umgehauen, die gerade vorbeiging.
"Hab halt viel zu tun, wisst ihr, das Übliche – Unterricht vorbereit’n – paar Salamander haben Schuppenfäule – und ich bin auf Bewährung", setzte er murmelnd hinzu.
"Du bist auf Bewährung?", sagte Ron so laut, dass viele der Vorbeigehenden sich neugierig umdrehten.
"Sorry – ich meine – du bist auf Bewährung?", flüsterte er.
"Ja", sagte Hagrid. "Hab nichts andres erwartet, um die Wahrheit zu sagen. Ihr habt’s vielleicht nich bemerkt, aber diese Inspektion is’ nich allzu gut gelaufen, versteht ihr … jedenfalls", seufzte er schwer, "ich geh besser und reib noch ’n bisschen mehr Chilipulver auf die Salamander oder die lassen demnächst ihre Schwänze hängen. Bis dann, Faith ... Harry … Ron …"
Er schleppte sich davon, durch das Schlossportal und über die Steintreppe hinaus auf die feuchten Schlossgründe. Während Faith ihm nachblickte, fragte sie sich, wie viele schlechte Nachrichten sie noch ertragen konnte.Inzwischen gab es auf den Korridoren nur noch ein Gesprächsthema: die zehn geflohenen Todesser, deren Geschichte schließlich, ausgehend von jenen wenigen, die die Zeitung gelesen hatten, überall in der Schule durchgesickert war. Gerüchte machten die Runde, wonach einige der Verurteilten in Hogsmeade gesichtet worden seien, dass sie sich angeblich in der Heulenden Hütte versteckt hielten und in Hogwarts eindringen würden, genau wie Sirius Black es einst getan hatte.
Jene Schüler, die aus Zaubererfamilien stammten, hatten während ihrer Kindheit mitbekommen, dass die Namen dieser Todesser mit fast so viel Angst ausgesprochen wurden wie der von Voldemort.
Die Verbrechen, die sie während der Terrorherrschaft Voldemorts begangen hatten, waren legendär.
Unter den Schülern von Hogwarts gab es Verwandte von Opfern, die jetzt, wenn sie in den Gängen unterwegs waren, unfreiwillig erleben mussten, dass eine Art grausiger Ruhm auf sie abfärbte: Susan Bones, deren Onkel, Tante und Cousins allesamt von einem der zehn umgebracht worden waren, sagte während Kräuterkunde betrübt, dass sie sich jetzt vorstellen könne, wie es sei, in Faith und Harrys Haut zu stecken.
"Und ich weiß nicht, wie ihr es aushaltet– es ist schrecklich", sagte sie freimütig und warf viel zu viel Drachenmist auf ihr Tablett mit Kreischbeißer-Setzlingen, die daraufhin missmutig zappelten und quiekten.
Es stimmte, wenn Faith dieser Tage durch die Korridore ging, wurde um sie her wieder getuschelt und mit Fingern auf sie und Harry gezeigt.
Allerdings glaubte Faith im Ton des Geflüsters einen kleinen Unterschied herauszuhören.
Es klang jetzt neugierig und weniger feindselig, und ein- oder zweimal war sie sicher, Gesprächsfetzen aufgeschnappt zu haben, die vermuten ließen, dass die Beteiligten mit der Darstellung des Propheten nicht zufrieden waren, wie und warum es zehn Todessern gelungen war, aus der Festung Askaban auszubrechen. Durcheinander und verängstigt, wie sie waren, wandten sich diese Zweifler nun offenbar der einzigen anderen Erklärung zu, die sie hatten: jener, die Faith, Harry und Dumbledore seit letztem Jahr vorgetragen hatten.
Nicht nur unter den Schülern hatte sich die Stimmung gewandelt.
Inzwischen war es nichts Ungewöhnliches mehr, in den Korridoren zwei oder drei Lehrern zu begegnen, die sich leise und eindringlich flüsternd unterhielten und sofort verstummten, sobald sie einen Schüler näher kommen sahen.
"Die können im Lehrerzimmer offensichtlich nicht mehr frei reden", sagte Hermine leise, als die vier eines Tages vor dem Zauberkunst-Klassenzimmer an den dicht aneinandergedrängten Professoren McGonagall, Flitwick und Sprout vorbeikamen.
"Jedenfalls nicht, wenn Umbridge drin ist."
"Meint ihr, die wissen was Neues?", fragte Ron und drehte sich noch einmal zu den drei Lehrern um.
"Wenn ja, werden wir wohl nichts davon erfahren, oder?", sagte Harry wütend. "Nicht nach Erlass … bei welcher Nummer sind wir inzwischen?"
Denn am Morgen nach der Meldung über den Askaban-Ausbruch waren neue Anschläge an den schwarzen Brettern der Häuser erschienen:PER ANORDNUNG DER GROSSINQUISITORIN VON HOGWARTS Hiermit wird es den Lehrern verboten, den Schülern irgendwelche Informationen zu geben, die nicht eindeutig mit den Fächern zu tun haben, für deren Lehre sie bezahlt werden. Obige Anordnung entspricht dem Ausbildungserlass Nummer sechsundzwanzig. Unterzeichnet: Dolores Jane Umbridge, Großinquisitorin
Faith hatte geglaubt, der Massenausbruch aus Askaban hätte Umbridge vielleicht einen kleinen Dämpfer versetzt, die Katastrophe, die direkt vor der Nase ihres verehrten Fudge geschehen war, hätte sie vielleicht ein wenig in Verlegenheit gebracht. Wie es schien, hatte dieser Zwischenfall sie jedoch nur in ihrem vehementen Eifer bestärkt, alle Lebensäußerungen in Hogwarts unter ihre persönliche Kontrolle zu bringen.
Zumindest schien sie entschlossen, in Kürze eine Entlassung zu erwirken, und die Frage war nur, ob Professor Trelawney oder Hagrid zuerst gehen musste.

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Das Geheimnis von Severus Snape
FanfictionFaith Lily Evans, Tochter von Lily Evans und Severus Snape kommt nach Hogwarts. Dort erwarten sie viele Überraschungen wie z.B ihren Halbbruder den berühmten Harry Potter kennen zu lernen. Wird sie alle Prüfungen bestehen und vertrauen zu ihrem unb...