Samstag 5

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Als Hannes grüßend in die Bar kommt, falle ich aus allen Wolken. War doch klar, dass er kommt, er hat sogar geschrieben. Bei dem ganzen Stress mit Merlin hab ich das voll verpennt. Zum Glück ist Jonathan heute nicht hier, um mich darauf hinzuweisen, dass er schon wieder in der Bar ist. Ich lasse mir mehr Zeit als nötig, um an seinen Tisch zu kommen. "Hallo." Gott war das förmlich. Am liebsten würde ich im Boden versinken. Hannes mustert mich skeptisch. "Alles ok?" "Ja klar. Was kann ich dir bringen?", rattere ich meine Antwort runter. "Wie immer eine Cola." Nickend verlasse ich seinen Tisch. Was ist bloß los mit mir? Ich sollte echt lockerer sein. Hannes ist doch nur freundlich. Entspann dich. "Schmeckt dir das eigentlich oder weißt du bloß nicht, was du noch bestellen kannst?", frage ich, als ich die Cola vor ihm abstelle. "Jetzt wo du es sagst.", er denkt nach, „Ich glaube ich hab noch nie in eure Karte geschaut." "Wie ist das denn passiert?", frage ich erstaunt. "Naja beim ersten Mal war ich zu traurig. Beim zweiten Mal fand ich es lustig, genau das gleiche zu bestellen und den Kuchen hast du mir empfohlen." „Und wie konntest du dann immer passend bezahlen? Er deutet verlegen auf die schwarze Tafel, auf der ein Teil unseres Angebots steht, unter anderem Softdrinks und die Kuchenpreise. "Nein, das kann ich nicht akzeptieren.", kurzerhand lege ich ihm eine Karte auf den Tisch. "Such dir was aus. Vorher komm ich nicht an deinen Tisch." Hannes steckt lachend seine Nase in die Karte und ich widme mich den anderen Gästen.

Immer, wenn ich zu ihm rüber schiele, ist er noch in die Karte vertieft. So langsam wird es spät und eine große bunte Gruppe verlässt unsere kleine Bar, um wahrscheinlich die Straßen unsicher zu machen. Ich sortiere das Trinkgeld und sehe nur aus dem Augenwinkel, wie sich jemand an die Theke lehnt. "Kannst du auch den hier?", höre ich Hannes sanfte Stimme. Lächelnd drehe ich mich zu ihm: "Hast du dich endlich entschieden." Sein Finger deutet auf einen alkoholfreien Cocktail. "Klar kann ich den.", ich greife mir ein Glas. „Dir ist klar, dass es den auch mit Alkohol gibt?" Hannes streicht sich verlegen seine langen Haare aus dem Gesicht: "Ich glaub, ich lass das erstmal mit dem Alkohol." Grinsend beginne ich den Cocktail zu mischen. "Wow, das ging schnell.", lobt mich Hannes. Mit einem Lächeln sehe ich zu, wie er den ersten Schluck durch den Strohhalm zieht. "Darf ich dich was fragen?", meine Stimme klingt unentschlossen. "Ich stehe dir ganz zur Verfügung.", sagt er mit einem verschmitzten Grinsen. "Wolltest du dich mal mit Dean treffen?" Seine Miene verzieht sich kurz: "Dean? Groß, blond, Brille?" Ich nicke. "Woher kennst du denn Dean?", will er wissen. Natürlich hab ich gewusst, dass es ein heikles Thema wird, aber ich kann nicht ganz durch seine Fassade dringen. "Er spielt in der Volleyballmannschaft. Wir kennen uns vom Training." "Wow. Du spielst in einer Volleyballmannschaft. Welche Position denn?" Es ist offensichtlich, dass er Ablenkung will, also erzähle ich ihm vom Training und wie wir im Turnier gespielt haben.

"Also spielst du den Ball immer so, dass Linda voll draufschlagen kann?", Hannes scheint tatsächlich interessiert zu sein. Leider muss ich das Gespräch unterbrechen, um mich wieder der Arbeit zuzuwenden. Hannes wartet geduldig an der Bar. "Eigentlich wollte ich Dinge über dich wissen und jetzt hab ich dich über Volleyball aufgeklärt.", bemerke ich, als ich leere Gläser spüle. "Na gut, dann stell eine Frage und ich werde sie ehrlich beantworten.", erwidert Hannes. Ich überlege. Was will ich wirklich wissen? Was er von mir will? Ob er viele Kerle hatte? Was hat Dean mit seiner Warnung gemeint? Ich glaub, das nehm ich. "Dean meinte, dass du es ernst meintest und er deswegen gekniffen hat. Was kann ich denn unter ernst meinen verstehen?" "Oh.", Hannes blickt in sein Glas, "Deswegen ist er nicht gekommen." Also ist es tatsächlich so, wie ich vermutet hatte. Dean war das verkackte Date. Das heißt doch, er will was von Dean. Warum flirtet er dann so mit mir. Bin ich nur der Lückenfüller? "Warum guckst du denn jetzt traurig, obwohl ich versetzt wurde?", Hannes hat sich etwas über die Theke gelehnt, um mir direkt in die Augen zu sehen. "Tu ich gar nicht und du musst erst meine Frage beantworten, bevor du die nächste stellst.", antworte ich patzig. Mit einem langen Atemzug lehnt er sich zurück. Einen Augenblick zögert er, dann fängt er an zu erzählen: "Ich suche was Ernstes. Soll heißen, dass ich gerne eine Beziehung hätte und bei Dean hab ich die Karten offen auf den Tisch gelegt. So wie es aussieht, wollte er nur einen lustigen Abend." "Und du stehst auf ihn?", hake ich zögerlich nach. "So richtig nicht. Ich meine, in den Chats klang er cool und lustig. Da dachte ich mir, dass könnte vielleicht klappen. Aber wie so oft, sollte es nicht sein." Sie haben nur geschrieben. Zum Glück. Hätte ich gegen Dean eine Chance? Ist doch im Endeffekt egal. Dean möchte Hannes ja nicht. "Also war das nicht dein erstes verhauenes Date?", möchte ich wissen. "Genau genommen schon, aber es war nicht mein erster Versuch einen festen Freund zu bekommen. Aber noch hab ich nicht aufgegeben.", seine Augen funkeln mich beim letzten Satz an. Sofort merke ich die Hitze in meinem Gesicht steigt und bin froh, dass die Bar schummriges Licht hat. Ich deute auf sein leeres Glas: "Noch eins?" Hannes zieht sein Handy aus der Tasche. "Oha. Es ist schon spät. Ich nehm dann die Rechnung." Er holt schon das Geld aus der Tasche und schiebt es über den Tresen. "Stimmt so. Bis dann." Ich sehe ihm nach und muss in mich hinein Schmunzeln. Hannes scheint ganz anders zu sein, als sein abenteuerliches Aussehen vermuten lässt.

Von Kellner zu KellnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt