Dienstag 6

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Es geht auf Dienstagmittag zu und ich wälze ein Buch. Ab und zu notiere ich mir einen Stichpunkt in meinen Block. Mein Magen knurrt. Der Blick in den Kühlschrank ist gelinde gesagt keine Inspiration. So richtig Lust einzukaufen habe ich nicht und eigentlich würde ich gerne das Kapitel noch zu Ende lesen. Da fällt mir ein, dass Hannes heute arbeiten muss. Das ist eine gute Möglichkeit alles zu verbinden. Ich nehme mein Zeug einfach mit und esse was bei ihm. So kann ich lernen, essen und Hannes seine Überraschung rächen. Gesagt getan.

Eins habe ich bei meinem genialen Plan nicht bedacht, die anderen Gäste. Es ist logischerweise um diese Uhrzeit relativ voll. Zum Glück finde ich einen freien Ecktisch. Verstohlen folge ich mit meinen Augen Hannes, der flink von Tisch zu Tisch läuft. Er sieht in seinem formellen Kellner Outfit echt gut aus. Damit er mich nicht sofort bemerkt, verkrieche ich mich erst einmal in meinem Buch.

"Hier ist die Karte und vielleicht kann ich Ihnen schon was zu trinken bringen." Das Hannes mich siezt, habe ich nicht erwartet. Ich blicke mit einem breiten Lächeln von meinem Buch hoch: "Eine Cola bitte." Hannes sieht mich verdutzt an, dann lacht er. "Eine Cola?" "Ne, war nur ein Scherz. Ich nehm lieber die hausgemachte Limonade. Ich wollte dir nur mal zeigen, wie das ist." "Ist notiert. Sorry, dass ich dich nicht erkannt habe. Ich bin grade etwas beschäftigt.", er deutet dabei hinter sich. "Ist doch gut so. Ich wollte dich ja überraschen." Hannes sieht mich einfach nur an. Seine Haare sind in einen festen Zopf gebunden und seine Schultern spannen das schwarze Hemd sichtlich. Ich lächle zu ihm hoch. Als Hannes keine Anstalten macht, zu gehen, flüstere ich: "Du solltest, glaub ich, wieder los." Er blinzelt: "Öh ja." Dann huscht er los und ich werfe einen Blick in die Karte.


Ich bin erstaunt, wie schnell Hannes mit der Limonade vor mir steht. "Schon was gewählt?" "Die Kartoffelecken bitte." "Alles klar." Eilig dreht er sich um, weil ein Pärchen gerade nach ihm verlangt. Nach einem Schritt wendet er sich nochmal zu mir. "Es ist schön, dass du da bist." Zum Glück kümmert er sich um die anderen Gäste, sodass ihm gar nicht auffällt, wie ich rot werde. Während Hannes von Tisch zu Tisch fliegt, komme ich gut mit dem Kapitel voran. Als das Essen kommt, hab ich richtig Kohldampf und bin ganz froh, dass Hannes mein Schlingen nicht sieht.

Als ich meinen leeren Teller von mir wegschiebe, ist nicht nur mein Magen, sondern auch mein Stichpunktzettel gefüllt. Zufrieden lehne ich mich zurück und beobachte, wie Hannes die Gäste bedient. Es ist hier ganz anders als in der Bar. Alle sind so höflich und Hannes ist die Zuvorkommenheit in Person. Auf seinem Gesicht ist immer ein Lächeln und ich könnte schwören, dass es breiter wird, wenn er zu mir rüber sieht. Ich hebe meine Hand.


"Bin ich so interessant?", fragt Hannes, als er an meinen Tisch tritt. Ertappt schaue ich auf die Tischdecke. "Wie hat es dir geschmeckt?" Viel eleganter als ich das könnte, balanciert er meinen Teller und anderes dreckiges Geschirr auf seinem Arm. " Es war sehr lecker." "Kann ich dir noch was bringen? Wer so fleißig lernt, sollte sich was Süßes gönnen.", er schielt auf mein Buch. "Geschichte?", fragt er. Verlegen sehe ich zu ihm hoch: "Ich muss noch eine Hausarbeit schreiben." "Also studierst du das?" Ich nicke. "Ok dann will ich dich nicht weiter stören. Brauchst du noch was?" Ich will sagen, dass er mich überhaupt nicht stört, aber ich traue mich auf einmal nicht mehr. "Ne, ich bin satt. Nur die Rechnung bitte." "Geht klar." Damit dreht er sich um und schlängelt sich durch die Tische. Ich sammle meinen Kram zusammen und hole mein Portemonnaie hervor. Es dauert nicht lange, bis Hannes wieder an meinem Tisch steht. Ich gebe ihm ein kleines Trinkgeld und verlasse dann das Restaurant. Erst als ich wieder zu Hause bin, fällt mir ein, dass ich ihn eigentlich fragen wollte, was für ein Instrument er spielt.

Von Kellner zu KellnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt