Hier sind wir wieder. Ich und mein Kleiderschrank. Nur in Boxershorts stehe ich davor und habe meine Hände nachdenklich in die Hüften gestemmt. Die Hose ist klar, kurz und eng. Eine meiner Lieblingshosen, weil sie meinen Hintern so gut zur Geltung bringt. Aber alle meine T-Shirts sind so uninspirierend. Sollte ich Linda fragen? Besser nicht, sie würde wahrscheinlich Hosenträger als Oberteil vorschlagen. Kurzeitig spiele ich mit dem Gedanken mein Dirty Socks T-Shirt anzuziehen, aber in einem ernsthaften Outfit sieht es albern aus. Ich hänge es zurück über den Schreibtischstuhl, da ist es schon fast Stammgast. Dann habe ich den Geistesblitz, das Shirt, was ich anhatte, als Merlin in die Bar getorkelt kam. Das müsste eigentlich schon trocken sein. Der Hitze sei Dank, es ist bereits trocken und ich pflücke es glücklich von der Leine. Zufrieden betrachte ich mich im Spiegel. Das Outfit passt zu den Temperaturen und wenn ich Hannes ärgern will, kann ich ihm einfach meine nackte Schulter zeigen.
Ich schaufle Eis aus dem Tiefkühlfach der Bar und gebe es zu den Cocktails. Die kühle Luft aus dem Gefrierschrank ist ein Segen. Es verspricht eine laue Nacht zu werden und die Bar brummt vor lauter Gesprächen. Meine Schicht neigt sich dem Ende zu und ich werde langsam nervös, weil Hannes noch nicht aufgetaucht ist. Ich recke meinen Hals jedes Mal, wenn ich die Kunden draußen bediene, um ihn vielleicht kommen zu sehen. Bin ich heute der, der sitzen gelassen wird. Er hat ja auch nur gesagt, dass er mich abholt. Eventuell kommt er gar nicht rein. Ich probiere professionell zu sein und schiebe diese Gedanken erstmal nach hinten. Gläser werden befüllt und geleert, Geld wandert aus den Portemonnaies in unsere Kasse. Die Sonnenstrahlen fallen orange auf die Gäste. Kein Hannes.
"Ein Glas Cola und das Süßeste, was ihr zu bieten habt." Ein Stein fällt mir vom Herzen. "Die Cola kannst du haben, aber wer so spät kommt, hat keine Chance mehr auf unsere Torte.", antworte ich mit einem breiten Grinsen. Hannes lehnt an der Theke. Er trägt ein weißes T-Shirt mit einem V-Ausschnitt. In seinem hochgebundenen Haaren klemmt eine Sonnenbrille. "Ich will eure Torte ja nicht schlecht reden, aber du bist definitiv das Süßeste hier.", macht er mir ein Kompliment. Mein Gesicht wird rot und ich stelle ihm die Cola hin. "Ich bin gleich fertig.", sage ich und bin schon wieder weg. Ich könnte platzen vor Freude. Zwei Tische muss ich noch abrechnen, dann stehe ich wieder vor ihm. "Du siehst gut aus.", bemerkt Hannes, während er sein Geld aus der Hosentasche kramt. "Musst du gerade sagen." Ich bekomme das Lächeln nicht aus meinem Gesicht gewischt. Hastig streiche ich das Geld vom Tresen und rechne ihn ab. "Wir können." Ich nicke Jonathan zu, der ab jetzt übernimmt. Der lächelt nur wissend.
Draußen ist es nicht viel kälter als drinnen, aber nachdem wir ein paar Schritte gelaufen sind, wird es wenigstens stiller. Hannes hat seine Stirn in Falten gelegt. Ich lehne mich beim Gehen leicht nach vorne, um ihm ins Gesicht zu sehen. "Worüber denkst du nach?" "Ich frage mich, wie viel Umsatz die Bar allein mit deinem niedlichen Gesicht macht." Ich sehe verlegen zu Boden, "Wahrscheinlich weniger als du jetzt denkst." "Oh ich hab keine Ahnung wie viel Umsatz so eine Bar macht, ich hab es nicht so mit Mathe.", gibt er lächelnd zu, "Aber ich denke das einige Kerle häufiger kommen, nur um dich zu sehen." "Tja da hast du wohl Glück gehabt, dass du nicht zu spät warst.", stichle ich. Hannes strahlt. "Ja, ich hatte ziemliches Glück. Was ist eigentlich aus meinem Mitstreiter geworden?" Ich weiß, dass er auf Merlin anspielt, aber ich finde seine Formulierung witzig. "Mitstreiter?" Wie ertappt rudert Hannes zurück. "Ich meine, den anderen Typen, mit dem du Stress hattest. Ich hoffe, das war nichts Schlimmes." Ich überlege kurz, was ich Hannes erzählen will, dann atme ich einmal tief durch. "Ach das war nichts Ernstes. Wir kannten uns erst sehr kurz. Er wollte was von mir, ich dachte ich wollte was von ihm und schwupps ging es mir zu schnell.", ich mache eine kurze Pause. "Damit habe ich ihm mächtig vor den Kopf gestoßen. Ich bin sogar vor ihm weggelaufen.", gebe ich zu. Jetzt, wo ich es erzähle, kommt es mir noch bescheuerter vor. "Klingt ja dramatisch.", sagt Hannes. Sein Blick mustert mich. Ich frage mich, was er versucht, herauszufinden. "War es auch, zu der Zeit." So lange ist es eigentlich gar nicht her. "Aber mach dir keinen Kopf, dass er plötzlich vor meine Tür steht. Wir haben uns letzte Woche ausgesprochen." Hannes nickt, während er diese Information verarbeitet. "Das ist gut. Denke ich.", nuschelt er in sich hinein. "Ist das okay für dich?", frage ich besorgt nach. Hannes kratzt sich am Hinterkopf: "Klar ist das ok. Ist ja nicht so, als hätte ich einen Anspruch auf dich. Ist doch klar, dass andere Typen dich auch super finden." Ich stelle mich direkt vor ihn. "Du findest mich also super?" Ich genieße es, wie Hannes versucht meinem Blick auszuweichen. Die herannahende Straßenbahn rettet ihn aus der Situation.
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Von Kellner zu Kellner
RomanceTim hat einen dämlichen Wunsch, nämlich, dass sein Traummann eines Tages durch die Tür der Gaybar kommt, in der er kellnert. Eventuell könnt es ja Hannes sein, der in genau dieser Gaybar von einem Typen sitzen gelassen wird. Als Tim dann auch noch M...