Fehlschlag

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Ashley's P.O.V

Dunkelheit lag über der Stadt und unseren Gemütern. Der einzige Lichtschein, der alles dazu brachte einen kleinen Schatten zu werfen, kam von dem vollen Mond der am Himmel stand und den Garten in schummriges Licht tauchte. Wir standen im alle im Kreis, wirklich jeder war hier um Damian zu unterstützen. Wir hatten uns nach langem überlegen dazu entschieden, dass es am besten für unseren Sohn wäre, wenn wir ihn davon befreien, ein übernatürliches Wesen zu sein. Er würde sich sicher erst daran gewöhnen müssen, zu sein wie alle anderen Kinder, aber das war immer noch besser als sein Wunsch, deren Blut zu trinken. 
Bonnie hatte sich einen kleinen Tisch im Garten aufgebaut, mit ein paar Kerzen, einer Schale und ihrem Grimoire. Kol und Klaus halfen ihr dabei, alles für den Zauber vorzubereiten, während Stefan mit seinem Bruder und seinem Neffen am See saß. Selbst Sarah und Giuseppe wollten dabei sein, wenn der Zauber durchgeführt wurde.
Ich hingegen blickte voller Sorge auf den See, der vom Mond hell beleuchtet wurde. Ich sah, wie angespannt Damon war, konnte seine Unruhe spüren. Konnte die Gefühle, die in ihm wie ein Sturm tobten, in mir selbst spüren. Für ihn war es wie ein Wunder, ein Kind zu haben - und wahrscheinlich war es nicht weniger als das. Doch während Aiden von Stefan einige Dinge hatte übernehmen können, wie seine Sensibilität und seine Art, sich unauffällig unter Menschen zu bewegen, hatte Damian von seinem Vater nicht weniger als das dominante Vampirgen bekommen. Und genau das würden wir ihm nun nehmen. Alles in mir sträubte sich dagegen, war sich nicht sicher, ob es richtig war, meinem Sohn einen Teil seiner Identität zu rauben. Und ich wusste, was Damon noch mehr sorgen bereitete. Während Aiden unter Vampiren aufwuchs, selbst einer war und lernte mit seinen Begierden umzugehen, würde Damian erst zu einem späteren Zeitpunkt damit konfrontiert. Er würde erst lernen müssen, sich zu beherrschen. Vielleicht würde er die Kontrolle verlieren.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ein kühler Arm sich um meine Taille schlang und ich halt an einem starken Körper fand. So in Gedanken versunken, hatte ich nicht mitbekommen, wie Damon sich vom See entfernt hatte.
"Ich kann auch deine Gefühle spüren", erinnerte er mich an unsere Seelenverwandtschaft. "Wenn du dir nicht sicher bist, dann..."
Schnell schüttelte ich meinen Kopf und sah ihn an. Seine blauen Augen strahlten im Mondlicht. Die hohen Wangenknochen und die Schatten, die seine geschwungenen Wimpern auf seine Wangen warfen, ließen ihn aussehen, wie einen griechischen Gott. Doch ich sah die Verzweifelung und die Reue in seinen Augen, die das Bild des standhaften Mannes trübten.
"Nein", erwiderte ich und legte eine Hand auf seinen Brustkorb. "Es geht hier nicht um uns, um unsere Ängste. Es geht um unsere Kinder und darum, sie zu schützen. Und im Moment ist die größte Bedrohung Damian selbst."
Er biss sich auf die Unterlippe, ließ den Kopf hängen und taumelte einen Schritt zurück.
"Damon", unternahm ich erneut den Versuch auf ihn einzureden. "Er ist ein Kind. Kindern fällt es ohnehin schwer Wut von Zorn zu unterscheiden, Liebe von Hingabe. Ein Vampir zu sein, macht alles nur noch schwerer für ihn. Du warst ein erwachsener Mann und bist mit der Verwandlung nicht klargekommen."
Mehr als ein Nicken bekam er nicht zustande. Stattdessen lehnte er sich an mich und schloss für einen kurzen Moment die Augen, sammelte seine Energie, um für seinen Sohn der Vater zu sein, den er sich als Kind gewünscht hatte.

Damons P.O.V

Der Mond hatte seinen höchsten Stand erreicht und Bonnie hatte alles für das Ritual vorbereitet. Ich war froh, dass Emilia und Aiden schon friedlich in ihren Betten lagen und nicht mit ansehen mussten, wie ihr Bruder leiden musste. Wie wir ihm seine Identität nahmen und alles, was ihn ausmachte.
Wenn ich ihn sah, sah ich mich selbst. Und würde ich an seiner Stelle sein, würde ich wollen, dass mir jemand hilft all diese Dinge zu verstehen und zu kontrollieren. Doch so funktionierte die Welt nicht. Damian war ein Kind, würde das hier nicht verstehen. Deshalb musste ich mich den Wünschen der anderen beugen. Und für meinen Sohn das sein, was für mich nie jemand gewesen war. Ein Vater.
Wenige Minuten später rief Bonnie uns zusammen. Klaus hielt Damian an der Hand, der unsicher zu seinem Onkel aufsah.
Ein Schauer lief mir über den Rücken und ließ meine Sinne auf hochtouren laufen. Die Fackeln, die Bonnie aufgestellt hatte, warfen unnatürliche Schatten auf den Rasen. Der Wind bließ auf, wirbelte die getrockneten Blätter umher.
"Ich brauche euer Blut." Bonnie kam vor uns mit einer Schale und einem silbernen Dolch zum Stehen. "Dein Blut bindet die Vampirseite in ihm und Ashleys Blut manifestiert seine Menschliche Seite."
Nickend nahm ich den Dolch an mich und setzte zu einem tiefen Schnitt in meine Handfläche an. Das Blut quoll aus dem Schnitt und lief in langen Rinnsaalen in die Schale bevor sich die Wunde wieder schloss. Dann wandte ich mich zu meiner Frau, die mir ihre Hand bereits entgegenstreckte. Seufzend durchbohrte ich mit der Spitze des Dolches die Haut ihrer Fingerkuppe und quetschte das Blut hinaus.
Klaus kam mit Damian zu uns und Bonnie beugte sich zu ihm herunter, den Dolch fest umschlossen.
Damian nickte und mir wurde bewusst, dass ich die Entschlossenheit in seinem Blick vermissen würde. Er würde nicht nur alles übernatürliche verlieren, er würde seinen Charakter verlieren.
Schmerzvoll kniff ich die Augen zusammen, als sein Blut sich mit unserem vermischte. Ich konnte mir das hier nicht ansehen. Man hatte mir die Wahl genommen und man würde ihm die Wahl nehmen.
Selbst das Ashley meine Hand nahm und ihre Körperwärme meine Seele erwärmte, half mir nicht dabei, klar zu denken.
Nur am Rande nahm ich Bonnie wahr, die mit dem Zauber begonnen hatte und leise Wörter vor sich hin murmelte. Die Flammen schossen in die Höhe, erhellten den Garten und der Wind nahm zu. Es sah aus, als würde ein Sturm aufziehen.
Alles in mir schrie danach, Damian zu mir zu ziehen, als er sich in die Mitte des Kreises stellte, und ihn in Sicherheit zu bringen. Es waren nur Minuten, doch es kam mir vor wie Stunden bis Bonnie plötzlich verstummte und die Augen aufriss. Ihre Augen verdrehten sich unnatürlich, rollten nach hinten bis nur noch das weiß zu sehen war und Blut aus ihrer Nase floss.
"Er kann nicht von uns gehen." Die Stimme die aus ihrem Mund kam, hörte sich nicht an wie ihre. Der spitze Schrei der aus ihren geöffneten Lippen drang, war nicht ihrer. Etwas hatte Besitz von ihr ergriffen. "Er ist der Kämpfer, er muss Leben. Er muss lernen. Nur so wird er die Welt vor dem Ende des Endes beschützen. Er ist der Schlüssel der Unterwelt."
Schnell atmete sie ein und es war als würde alle Kraft ihren Körper verlassen und sie sackte leblos in sich zusammen. Bevor sie auf dem Boden aufschlagen konnte, fing ich sie auf.
"Bonnie!" Die panick in meiner Stimme ließ sich kaum verbergen. Sie war blass. Zu blass.
Eilig strich ich ihr das Haar aus dem Gesicht, welches an ihrer verschwitzten Haut klebte. Langsam schob ich meine Arme unter ihre Kniekehlen und hob sie hoch.
"Ich bring sie ins Wohnzimmer. Sorgt ihr dafür, dass Damian nach Oben geht", wies ich die anderen an.

Besorgt tigerte ich durchs Wohnzimmer. Bonnie saß inzwischen aufrecht auf dem Sofa und strich sich immer wieder durch die Haare. Sie konnte kaum glauben, dass sie den Zauber vermasselt hatte.
"Wie konnte das passieren?", murmelte sie immer wieder vor sich hin und sah mich entschuldigend an.
"Jemand hat Besitz von dir egriffen." Es war nicht mehr, als eine bloße Feststellung die aus meinem Mund kam und doch bedeutete es so viel mehr. Noch wusste niemand, wem die Stimme gehörte, die aus ihrem Mund kam und was sie von uns wollte. Doch bei dem Wort Unterwelt stellten sich mir die Nackenhaare auf.
"Wer auch immer es war, ist dagegen das wir Damian von seinen Kräften befreien", warf Klaus ein und zog Caroline an sich, die in der Zwischenzeit Kaffee für alle gekocht hatte.
Ich nahm mir eine Tasse und nippte daran, spürte augenblicklich wie das Koffein meinen Blutkreislauf anregte und meinen Körper erwärmte.
"Er ist ein Kind", zog ich die Aufmerksamkeit der anderen auf mich. "Normalerweise halten sich Vampire von Kindern fern, haben nahezu Angst vor ihnen, weil sie so rein und unschuldig sind. Aber es gibt Ausnahmen."
Schuldbewusst senkte Stefan den Blick und Elena suchte nach seiner Hand, die sie mit ihrer umschloss. Außer Stefan hatte niemand Erfahrung damit. Selbst Klaus hatte an seinen dunkelsten Abgründen niemals auch nur darüber nachgedacht, ein Kind anzufassen. Mein kleiner Bruder drückte Elena einen Kuss auf die Stirn und stand auf, schob die Hände in die Taschen seiner Hose und blickte sich um.
"Als ich noch ein Ripper war, habe ich fast jeden getötet der mir über den Weg lief. Ich habe vor niemanden halt gemacht, denn die Schuldgefühle holten mich oft erst nach meiner Tat ein. Doch Kinder: Sie waren für mich etwas besonderes."
Ich sah, wie sehr es ihn schmerzte, über seine dunkelsten Stunden zu reden. Immerhin lag sein eigener Sohn in seinem Bett und schlief. Doch sie mussten alles hören, um es zu verstehen.
"Normalerweise jagen Vampire nicht ihrer Menschlichkeit hinterher. Doch ich habe das immer getan. Kinder haben sich in meinem Kopf manifestiert, weil sie all das waren, was ich nicht sein konnte. Unschuldig, normal, rein."
Bonnie erhob sich als erste.
"Du glaubst also, wer auch immer das war, will nicht das Damian ein Mensch ist, weil er als Vampir gebraucht wird", schlussfolgerte sie. "Kinder werden nicht verwandelt und das Vampire sich fortpflanzen ist ausgeschlossen, dass macht die Drei zu etwas besonderem. Niemand würde mit Kindern rechnen, die unsterblich, schnell und stark sind."
"Schneller und stärker, als wir es je sein könnten", mischte sich Klaus ein. "Wer auch immer da draußen sein Unwesen treibt jagt die unschuldigen und schwachen. Was die Kinder zu perfekten Opfern macht. Jede Wette: Die andere Seite weiß was hier vor sich geht und hat versucht uns genau das mitzuteilen."

Zwei Stunden und endlose Theorien später lag ich im Bett, spürte die weiche Matratze unter mir und hielt Ashley in meinen Armen, ihrer zierlicher Körper schutzsuchend an mich geklammert. Und in mir wirbelten die Gefühle umher, wohlwissend, dass ich ihr das schlimmste angetan hatte, was man einer Person die man liebte antun konnte. Nicht nur, dass sie sich in mich verliebt hatte und einen Teil ihrer Menschlichkeit zurücklassen musste, sie hatte auch Kinder von mir bekommen. Jede Mutter sorgte sich um ihre Kinder, meine hatte es auch getan. Die kleinste Grippe hatte gereicht, damit sie sich nach einem Arzt umsah. Doch Damian und Emilia würden niemals eine Grippe haben. Vampire wurden nicht krank. Meine Kinder würden auf ewig den schmalen Grad zwischen Leben und Tod gehen. Gerade einmal fünf Jahre alt und dazu bestimmt, ihr Leben in einem unbekannten Krieg zu lassen.
"Sie werden das nicht überstehen", murmelte Ashley neben mir.
"Nicht unbeschadet", stimmte ich ihr zu und zog sie näher an mich, bevor ich mich auf die Seite drehte und mit meinen Lippen nach ihren suchte.
"Wir werden das überstehen", versuchte ich es. "Wir haben immer alles überstanden und jetzt schaffen wir das auch. Zusammen, Ashley."
Sie nickte, schlang ihre Arme um meinen Nacken und presste sich an mich. Ich schloss die Augen, lauschte ihrem Herzschlag und dem der Kinder. Stetig und Rythmisch. Alle schliefen. Im Haus war es still. Jeder hing seinen Gedanken nach, suchte nach einem Ausweg. Einer Lösung. Und doch glaubte ich es besser zu wissen. Es gab keine Lösung. Nicht diesmal.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 11, 2018 ⏰

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