"Mom? Wie lange noch?!" fragt mein kleiner Bruder meine Mutter.
Genervt stöhne ich auf und sehe aus dem Fenster. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie mir meine Mutter aus dem Rückspiegel einen bösen Blick zuwirft. So als hätte ich es nicht bemerkt, streiche ich mit meinem Zeigefinger die Tropfen nach, die langsam die Autoscheibe hinab rollen."Gleich mein Schatz." sie lächelt ihn freundlich an. Auf sein Gesicht stellt sich ein kleines gezwungenes lächeln. Er tut mir so leid!
Seitdem mein großer Bruder Cole gestorben ist, hatte er nicht mehr echt gelacht. Aber das beste war ja, dass er noch nicht weiß, das Cole tot ist. Er fühlt es nur, im Herzen. Und dann, als unser Dad uns verließ, weil er angeblich nur wegen Cole noch in unserer Familie war, hatte er auch nicht mehr gelächelt. Wie konnte mein Dad es auch nur wagen, so etwas zu sagen?! Wir hatten ihn geliebt...An diese Erinnerung gewannt, spüre ich, wie sich mein Herz zusammen zieht. Einen Moment lausche ich in mich hinein. Ja, ein kleiner Teil meines Herzens lebt noch, für meine Mum und meinen kleinen Bruder. Der Rest ist im Laufe der letzten sechs Wochen zersprungen oder schwarz eingegangen. Niemand würde mir diesen großen Teil meines Herzens je wieder lebendig bekommen.
"Snow?"
Huch, anscheinend spricht meine Mutter mit mir, denn sie sieht mich abwartend an. "Hmm?" -"Wir sind da. Bring bitte deinen kleinen Bruder ins Bett. Er schläft jetzt schon." Mein Blick richtet sich auf Tom. Ja, er liegt dort, zusammen gekuschelt auf dem Sitz und schnarcht leise, in seine kleine Traumwelt versunken.
Genervt stöhne ich auf. Mit einem Ruck öffne ich die Autotür und will aussteigen, doch ich bemerke, dass der Gurt noch um meinen Körper hängt. Stöhnend schließe ich meine Augen. Langsam wird mir das alles zu viel.
Meine Hand wandert langsam zum Ende des Gurtes und ich mache ihn auf. Endlich befreit von diesem nervigen Ding, springe ich aus dem Auto und watschel auf die Seite meines Bruders. Langsam öffne ich die Tür, schnalle ihn ab und hebe ihn hoch.Mit einem Ruck werfe ich ihn über meine Schulter. Ein leises Kichern lässt mich erschrocken zusammen fahren. Oh, er schläft also doch nicht, will nur verwöhnt werden. Ein leichtes Grinsen setzt sich auf mein Gesicht, dann fange ich an ihn zu kitzeln. Eingeschnappt schlägt er nach meiner Hand, doch kann sie nicht erwischen.
Plötzlich ist er still.
Besorgt hebe ich ihn von meiner Schulter und sehe ihm in die Augen.
Große Trauer spiegelt sich in ihnen."Snow? Wird Cole wieder kommen?"
Verstohlende Tränen glitzern in meinen Augen. Jedenfalls stelle ich mir das so vor. "N-nein. E-er ist z-zu H-hause geblie-ieben." flüstere ich leise. Meine Stimme wirkt leicht belegt.
"Ok. Können wir ihn dann bald besuchen?" ein hoffnungsvoller Blick schaut mir direkt in die Augen. "V-vielleicht."
So eine große Lüge!
Cole ist tot.
Für immer.
Tom jedoch nickt bedächtig und grinst mich leicht an. "Danke." flüstert er und umarmt mich fest. Ich jedoch nicke nur. Meine Stimme wird von einem dicken Kloß in meinem Hals aufgehalten.Müde werfe ich mich auf das Sofa. Tom schläft schon lange.
Ich gucke auf die Uhr:23:47
Okey. Zeit ins Bett zu gehen.
Morgen fängt dann schon meine neue Schule an. Eine leichte warme Hand legt sich in meinen Nacken.
"Hey Mum." flüstere ich leise.
Sie geht um das Sofa herum und setzt sich neben mich. "Alles ok?" fragt sie mit besorgter Stimme. Anscheinend höre oder sehe ich nicht gesund aus. Widerstrebend nicke ich. Sie hat sich so verändert, sie wirkt so...kalt. Ich nicke weiter Gedanken verloren. Denn wenn ich jetzt sprechen würde, würde meine Stimme brechen und ich weinen. "Äh...ich muss ins Bett." flüstere ich leise. Hoffentlich hört sie mein Zittern in der Stimme nicht.Verstohlen schaue ich ihr in die Augen. Sie nickt traurig. Oder auch kalt.
Ja Mum. Ich will auch endlich wieder mit dir Spaß haben oder alle meine Sorgen mit dir teilen. Aber ich habe mich geändert. Du hast dich geändert. Wir lassen nicht mehr in eine Familie.
Dies alles sage ich zu ihr. Nunja... In Gedanken sage ich das. In der Realität flüstere ich ein "Gute Nacht", gebe ihr einen Kuss auf die Wange und gehe hoch ins Zimmer.
In meinem Zimmer werfe ich mich ins Bett. Ein müdes und frustriertes Schluchzen entrint meiner Kehle. Oh Gott!
Jetzt strömen die Tränen nur so meine Wangen hinab. Wann bin ich so schwach geworden?! Oh Cole! Ich vermisse dich.
Langsam sinkt mein Kopf auf dem Kissen zurück. Meine Augen schließen sich, vielleicht weil ich müde bin, vielleicht aber auch wegen dem Brennen der dicken Tränen. Kurz darauf ist alles um mich herum für einen Moment still. Ohne es zu bemerken, bin ich eingeschlafen.~28.05.16 bearbeitet ~
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Nacht | Die Mate
WerewolfNeue Umgebung, neue Leute, verzwickte Vergangenheit. Braucht man mehr?! Snow anscheinend schon. Für sie beginnt in ihrer neuen Heimat erst das wirkliche Leben, denn wenn man in brensliche Lage kommt, bekommt man plötzlich unerahnte Kräfte. Also waru...