Kapitel 2

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Meine Nerven sind am Ende.
Ich stehe hier gerade vor meinem Klassenraum, meine Tasche auf einer Schulter, den Stundenplan zerknittert in der Hand, und sterbe.
Man! Ich bin so ein ängstliches Mädchen.

Plötzlich geht die Tür auf. Voller Wucht landet die Tür in meinem Gesicht. Gerade so kann ich mich auf meinen Beinen halten.
Das fängt ja super an! Sarkasmus lässt grüßen.

"Oh. Entschuldigung"

Vorsichtig trete ich paar Schritte zurück, während ich mir mein Gesicht reibe und schaue die Person vor mir an.
"Hey, ich bin Alicia! Und du?"-"Snow." flüstere ich leise, um meine vor Wut zitternde Stimme zu unterdrücken. Sie fängt plötzlich an zu lachen.
"Du HEISST Snow?"
Beleidigt sehe ich sie an.
Hat die jetzt auch noch was gegen meinen Namen oder was?!
"Ja, was dagegen?!" keife ich wütend und meine angesammelte Wut kommt hoch. "Nein." flüstert sie geschockt.

Wütend stampfe ich an ihr vorbei in die Klasse.
Jetzt macht die sich über meinen Namen lustig, obwohl sie mir vor 5 Sekunden die Tür an die Nase gerammt hat. Was ist nur aus den Bewohnern des Planeten Erde geworden?! Was ist aus meiner Familie geworden?! Was ist bloß aus mir geworden?

"Guten Tag." murmel ich leise. Ich spüre jeden Blick auf mir in der Klasse und werde leicht nervös. Der dicke kleine Lehrer schaut auf. Auf seiner Nase hängt eine viel zu große Brille, die ihm bis zur Nasenspitze gerutscht ist. "Oh. Hallo!" Bei diesen Worten bilden sich in seinem runden Gesicht ganz viele dünne Lachfältchen. Ich grinse ihn zufrieden an.
Wenigstens ein normaler und netter Lehrer. Obwohl. Was heißt hier denn normal?!
"Stell dich doch mal bitte vor." er steht auf, wobei der Stuhl gefährlich zum Schwanken kommt. Doch dann bleibt dieser gerade so stehen. In der Klasse hört man vereinzelt leises Kichern.
Widerwillig nicke ich ihm zu, um mich zur Klasse zu drehen und einmal durch die Reihen zu schauen.
"Also, ich bin Snow ,bin 16 Jahre alt und wohne seit gestern in dieser Stadt. Ich habe einen kleinen Bruder und bitte keine weiteren Fragen, ok?"
Ich sehe mich wieder in der Klasse um. Alle schweigen. Auch ich schweige und denke über meine Worte nach. Nur ein Bruder. Ja. Eine Lüge. Oder nein. Jetzt ja nicht mehr.

Endlich bricht der Lehrer das komische Schweigen.
"Ok. Also Snow, bitte setze dich doch neben Alicia."
Ich stöhne auf. Diese Göre schon wieder?
Mit langsamen Schritten gehe ich auf ihren Tisch zu. Ich fühle jeden Blick auf mir und sofort überkommt mich eine starke Übelkeit. Immer diese Klischees. Als ich schließlich an ihrem Tisch ankomme, setze ich mich vorsichtig und packe meinen Block aus. Bücher und Hefte habe ich noch nicht.
Kurz darauf tippt mir jemand auf die Schulter. Seufzend ignoriere ich die Person. Keine zwei Minuten später tippt sie mich wieder an. Okey. Ich hatte noch nie eine gute Ausdauer im Ignorieren.  "Boar was ist?!" Frage ich also entnervt.
"Hey. Sorry wegen vorhin. Willst du vielleicht später mit uns was machen?" Irritiert sehe ich sie an. Es kann ja niemand anderes als Alicia sein.

Warum will sie was mit mir machen?
"Ja oder nein?" zieht sie mich aus meinen Gedanken. Ich zucke mit den Schultern und schaue wieder nach vorne. Neben mir seufzt Alicia laut. Das ist für mich ein Zeichen, lieber doch zu antworten. Kurz atme ich tief durch und setze ein leichtes Grinsen auf mein seit kurzem so kaltes Gesicht.
"Okey. Also. Entschuldigung angenommen und klar, ich mache gerne was mit EUCH."
grinsend schaue ich zu ihr rüber. Sie grinst auch. "Ich kann dich jetzt schon gut leiden. Du bist so...lieb!" sagt sie plötzlich. Mein Grinsen wird noch breiter. Diesmal ist es echt. Man bekommt nicht jeden Tag sowas gesagt. "Danke."

Ich bin nicht lieb. Ich wahr mal lieb. Vor seinem Tod...


Endlich klingelt es zur großen Pause. Warum müssen die Sekundenzeiger auch immer im Stundentakt gehen?! Glücklich springe ich auf und renne mit Alicia raus. Auf dem Weg zur Mensa machen wir super viel Unsinn und müssen auch die ganze Zeit Lachen. Die anderen Schüler wirken leicht genervt, dich sagen nichts. Das wundert mich schon etwas. Aber für Alicia scheint es Alltag zu sein. Selbst als ein Junge über mein Bein stolpert, sagt er nichts, sondern zieht unter Alicias scharfem Blick den Kopf ein und geht weiter. Was ist hier los?!

Nacht | Die MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt