Kapitel 35

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Snow P.o.V

Moon schweigt. Langsam werde ich nervös. "Bitte sag doch was, Schwesterherz!" flüstere ich ängstlich.

Sie räuspert sich kurz.
"Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, dieser Liam, dein Mate, ist die Sonne. Aber wenn das so ist, braucht er auch einen Bruder. Was ist, wenn sein Bruder mein Mate ist? Was soll ich dann tun? Ich kann nicht einfach hier hocken. Ich könnte endlich meinen Mate finden! Endlich, nach eine soooo langen Zeit!" beichtet sie mir verträumt. Ich habe Moon noch nie so erlebt. Es ist schon irgendwie cool, aber irgendwo auch verrückt, gefährlich und waghalsig.

"Schwester? Ich will dich nicht enttäuschen, aber die Liebe ist nichts für uns. Am Tag wird unsere Haut schlaff und wir total müde und schlapp. Genauso wie ich Liam nie nachts gesehen habe. Da war er immer total müde..." überlege ich laut. "Wir müssen das klären. Lass uns zur Sonne aufbrechen." sage ich entschlossen und wende mich meiner Schwester zu. Ihre Augen strahlen große Freude aus.

Aber innerlich hoffe ich, dass Liams Bruder nicht ihr Mate ist. Denn wenn das so ist, sind wir beide hoffnungslos verloren.

Und erst jetzt wird mir etwas bewusst:
Ich brauche Liam. Ohne ihn bin ich verloren. Ohne ihn bin ich alleine. Er muss zu mir kommen. Ich... Ich weiß auch nicht...
Wir müssen ihn finden. Ich liebe seinen Wolf, verdammt nochmal, obwohl ich den noch nie gesehen habe. Trotzdem...ich stelle ihn mir so-
Das reicht! Wir gehen los! Ich will nicht den Rest meines Lebens, also für immer, euer geschwaffel von Liam hören. Wir müssen heraus finden, ob er die Sonne ist, denn wenn das so ist, dann sind alle Lebewesen hier in Gefahr. Wir müssen zusammen diese Krise über stehen...

Zustimmend nicke ich, bis mir auffällt, dass Snowball und meine Heilerin das gar nicht sehen können. Und außerdem schaut mich Moon schon sehr komisch an...

"Los Moon. Nimm deine besten Krieger, ich nehme meine und dann gehen wir los, Richtung Himmel." beschließe ich und wende mich ab. "Bis später. Ach und Moon? Wir gehen als Menschen über die Erde und steigen erst dort zum Himmel. Es ist ein Friedensangebot, keine Schlacht... im Notfall können wir die anderen noch rufen." füge ich leise hinzu. Es ist gefährlich, dort hin zu gehen, aber was tut man nicht alles für die Liebe.

Hoffentlich wird er mich nur nicht schon wieder abschütteln. Mein Herz würde daran brechen.

In meinen Gedanken versunken gehe ich nun wirklich wieder zum Schloss und rufe alle zusammen. Alle, bis auf Sarah, denn sie ist bei ihrem Mate.

Etwas überfordert, aber auch gespannt auf ihre Reaktion, erzähle ich ihnen meinen Plan. Wenn sie mich jetzt hassen, da ich einfach ohne Grund Freunde von ihnen ermordet habe, werde ich das alles abblasen. Aber sie reagieren ganz anders:

Statt zu fluchen, heulen und schreien, fangen sie an zu jubeln und jauchzen. Vorallem Tom freut sich, schließlich ist Zoe sein ein und alles. Allerdings werde ich Zoe und Cole nicht einfach verzeihen. Und Liam auch nicht. Sie müssen sich etwas einfallen lassen, aber erstmal muss ich wissen, ob Liam noch was für mich übrig hat.

***

Elegant steige ich die Treppe runter zur Erde. Neben mir steht meine Schwester in menschlicher Form und hinter uns sind erstmal mein halbes Rudel und Moons Krieger. Auch alle als Mensch. Tom steht etwas hinter uns, jedoch noch zwischen uns. Er ist unser kleiner menschlicher Bruder und wir werden bald mal schauen, was für Kräfte er genau hat.

Eines müsst ihr noch wissen. Wir wandern nur nachts. Tagsüber gehen wir kaputt, wenn wir in der Sonne sitzen, geschweige denn wandern. Es ist ein großes Risiko, denn wir könnten einfach *gefangen* werden. Damit meine ich, dass Liam und sein Bruder uns in der Sonne überweltigen können. Wir brauchen sowas wie eine Zeit für den Waffenstillstand. Aber zu dieser Zeit müssen wir gleich stark sein.

Früher war ich noch ein *Mensch*. Dadurch, dass ich kein freies Werwolfs Blut in mir hatte, konnte mir die Sonne nichts an. Doch dann, als es so weit war, dass ich zum ersten mal zu einem Wolf wurde, bekam ich diese Macke übertragen. Am Anfang waren es nur Kopfschmerzen. Doch desto länger ich es hatte, desto schmerzhafter wurde es. Und jetzt, wo ich sogar für lange Zeit nur im dunklen lebte, kann ich nicht mehr in die Sonne gehen.

"Sternenhimmel? Wir müssen uns beeilen. Wenn es Tag wird, sind wir verloren!" sagt plötzlich meine Schwester und reißt mich so aus den Gedanken. Aus den verwirrenden Gedanken...
"Ich weiß. Wir müssen von Wald zu Wald kommen. Am Tag verwandeln wir uns zu Wölfen und verkriechen uns irgendwo im Schatten. Wir müssen uns beeilen. Also. Los!"

Damit renne ich los. Hinter mir setzen sich die anderen Menschen in Bewegung. Als Menschen sind wir leider nicht so schnell, doch wir können auch einfach durch die Stadt gehen und müssen keine Umwege machen. So sind wir als Wolf und Mensch gleichzeitig da.

Kurz schaue ich zurück. Alle haben sich wie Menschen in kleinere Gruppen aufgeteilt und diskutieren über verschiedene Dinge. Neugierig halte ich nach Tom Ausschau. Er steht bei seiner Schwester Moon und unterhält sich angeregt mit ihr. Sie hat einen Arm um seine immer breiter werdene Schulter gelegt und grinst ihn lieb an.
Insgesamt ist Tom Biel erwachsener, größer und stärker geworden. Sein Verstand muss man schätzen und seine Taktiken erst recht.

Und wieder wird mir bewusst, wie sehr ich sich meinen kleinen Bruder liebe. Ein kleiner Stich geht durch mein menschliches Herz. Ich habe Tom in letzter Zeit total vernachlässigt. Ich habe ihn alleine gelassen, ohne irgendwas zu sagen und er blieb bei mir, obwohl ich so doof zu ihm war.
Aber das wird sich jetzt ändern. Nach dieser verrückten Mission werde ich mit Tom mehr machen. Das schwöre ich auf die Liebe.

Nacht | Die MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt