Kapitel 6

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Unfähig mich zu bewegen, stehe ich da. Ein warmer Schauer läuft von meinem Nacken runter bis zu meinen Zehenspitzen. Einen kurzen Moment genieße ich dieses Gefühl, doch dann wird mir der warme Körper an meinem Rücken bewusst. Liam drückt sich immer stärker an mich und knurrt leise. Langsam löse ich mich aus meiner Starre, doch brauche noch paar Sekunden, um mich zu sammeln.

"Lass mich Liam!" arrogant gehe ich zwei Schritte nach vorne, nur um fast über drei Kissen zu stolpern. Gerade noch kann ich mich fest halten, doch dann sehe ich den wundervollen Gegenstand, an dem ich mich gerade so gehalten habe. Doch leider hält es nicht mein Gewicht. Denn wie erwartet fällt diese Stehlampe um, genau auf Liam zu. Und dann schlägt der Kopf der Lampe mit Liams zusammen. Ich liege ja schon auf den Kissen und kann mich einfach vor Lachen nicht mehr halten. Doch nun sehe ich den Fehler in meiner Aktion.
Liam guckt mich böse an und zieht dabei einen süßen Schmollmund.

Wie süß er ist schnurrt plötzlich die leise Stimme von Snowball.
Oh bitte, verschone mich!
Da ich in Gedanken bin, bekomme ich nicht mit, wie eine große Gestalt auf mich fällt. Geschockt weiten sich meine Augen und meine Stimme der Vernunft verstummt. Liam liegt auf mir und lächelt mich an. Wie ein nasser Waschlappen klebe ich am Boden, unter ihm fest gekettet. Kurz gesagt:
Unfähig mich zu bewegen!

Im Raum ist es still. Viel zu still. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, dass alle mich anstarren. Sie warten auf meine Reaktion.
Doch ich kann mich nicht von seinen Augen abwenden. Sie funkeln so majestätisch und wundervoll hell. Sein Lächeln wird immer breiter.
Ok. Ich sollte mich lösen... Bewegung dich, Snow! Aber er ist auch echt unmöglich. Natürlich musste er meine nicht-Reaktion falsch einschätzen. Oder auch nicht?

"Na Sweety? Habe ich dir die Sprache verschlagen?"
Dann ist es jetzt auch mal gut! Langsam taut mein vereistes Gehirn wieder auf und hinterlässt wie bei kaltem Körperteilen, die wieder mit Wärme in Berührung kommen, ein schmerzhaftes Kribbeln. Angestrengt suche ich nach einer passablen Antwort.
"Halt deine Fresse Liam! Deine Augen sind viel netter und schöner als du. Die sind freundlich und barmherzig, doch du bist einfach nur der größte Arsch der Welt; was fällt dir ein mich zu beißen? Das werde ich dir nicht verzeihen, hörst du? Niemals! Und-"

Ich sehe in sein überraschtes Gesicht. Okay... Bin ich die Einzige, die das zu kitschig findet?!
In Gedanken verliere ich mich wieder in der Kälte, doch mit einem Ruck durchbricht das Eis und ich drückte Liam mit beidem Händen auf den Rücken. Jetzt liege ich über ihm. Elegant drücke ich mich von ihm ab, gebe ihm mit meiner Hand einen Luftkuss und verschwinde mit einem hämischen Grinsen aus dem Raum.
Doch dieses Grinsen verschwindet sofort wieder, als ich die Tür schließe, denn hinter mir wird sofort lautes Getuschel laut. Fragen wie: 'Was war das?!' oder 'warum akzeptiert sie ihn nicht?!' durchqueren selbst mein Zimmer und lassen mich traurig Schmunzeln. "Alicia! Lauf ihr nach!" übertönt Liams Stimme wie ein donnern den Raum.

Seufzend setze ich mich auf die Treppe und warte auf sie.
Kurze Zeit später ist Alicia auch schon da.
"Hey." flüstert sie verunsichert. "Hey. Komm, setz dich zu mir." sie grinst. "Lass zu mir ins Zimmer gehen, dort werden wir nicht gestört."
Wiederwillig lasse ich mich von ihr in ihr Zimmer ziehen. Dort laufe ich von Regal zu Regal und schaue mich ein bisschen um. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass Alicia sich auf ihr Bett setzt und mich still beobachtet. Nach kurzem zögern, wende ich mich schließlich wieder dem Zimmer zu. Der Raum ist in einem schlichten grau-weiß gehalten. Ein großes Fenster prankt an der Seite gegenüber der Tür. Eine lange Fensterbank, die mit tausenden grauen und rosa Kissen lässt das Zimmer einladener wirken. In manchen Schränken oder Ecken des Zimmers pranken große und kleine Kerzen.

"Also. Ich wollte mich nochmal bedanken.. Wegen damals in der Schule." flüstert Alicia schließlich.
Sofort fährt mein Kopf zu ihr und unwillkürlich mustere ich sie von oben bis unten. Schließlich schaue ich ihr in die Augen. Sofort fällt mir ihr Unbehagen auf. Beschämt lächel ich und schaue dann aber wieder ernst zu ihr hinab.
"Du hast sowas niemals verdient. Dieser Typ ist verrückt. Ich kenne ihn jetzt wie lange? Zwei Tage und weiß jetzt schon, wie blutrünstig er ist! Er kann dich nicht einfach verkloppen! Niemals hat er das Recht dazu, hörst du mich?" schreie ich fast schon, fest von meiner Meinung überzeugt.
Abwartend schaue ich in ihr zierliches Gesicht und muss entsetzt feststellen, dass Liam sie wirklich einschüchtert. Sofort werde ich wieder wütend! "Das steht übrigens jetzt auch noch auf seiner minus-Karmaliste! Er ist so ein Arsch!"knurre ich leise." Nein! Sag ihm nicht, wie es mir damit geht! Er wird mich umbringen!" heult Alicia schon fast los. Irritiert sehe ich sie an. Ihre Augen spiegeln große Angst, Verzweiflung und Schmerzen wieder. Wortlos drücke ich sie in eine feste Umarmung. Was hat er ihr bloß schon alles angetan?
Nach mehreren stillen Sekunden durchbricht ein leises Schluchzen den Raum. Ihr Körper fängt an zu beben und die Schluchzer werden immer lauter.

"Weist du Alicia? Niemand hat das recht dich so zu behandeln. Ok? Du bist ein netter Mensch. Ich mag dich sehr und ich schätze deine Freundschaft. Du kannst mir alles anvertrauen! Ich werde immer auf der richtigen Seite stehen! Und du bist die richtige Seite. Hab keine Angst, ich werde dich nicht mehr alleine lassen. Im Notfall werde ich neben dir im Zimmer liegen, bis du ein schläfst. Aber tue mir das nicht an! Wenn ich dich traurig sehe, bekomme ich auch Schmerzen. Ihr seit mir in dieser kurzen Zeit extrem wichtig geworden - auch, wenn ihr mich beim Auto einfach im Stich gelassen habt. Habe keine Angst..." Die letzten Worte flüstere ich nur noch. Das halbwegs gleichmäßige Atem von Alicia zeigt mir, dass sie schon fast am schlafen ist.

"Erzähle mir bitte etwas von deinem großen Bruder. Wo ist er? Ich habe bis jetzt nur deinen kleinen Bruder bemerkt..." sofort schießen mir Fragen in den Kopf.
Woher weiß sie so viel? Woher kennt sie meinen kleinen Bruder? Gedankenverloren kraule ich ihr leicht mit der Hand über den Kopf. Soll ich die Wahrheit sagen?
"Hmm...ich habe noch nicht vielen Leuten von ihm erzählt. Er...er ist gestorben. Es war so ein richtig beschissener Autounfall..." mühselig versuche ich irgendwie einen Witz zu reißen. Doch es klappt nicht. Ich erzähle dem ersten Menschen meine Sorgen. Und es fällt mir schon immer schwer, meine Gefühle anderen mitzuteilen. Tief atme ich durch und fange an, detaillierter zu erzählen.
Mittlerweile erzähle ich ruhig, relativ gelassen und versinke in Erinnerungen. Manchmal höre ich Alicia auflachen. Manchmal höre ich sie schluchzen. Es tut gut, jemanden von meinen Gefühlen und vor allem Erfahrungen zu erzählen. Mir wird langsam bewusst, dass ich Cole näher bin, wenn ich mir die Zeit nehme, über ihn zu sprechen oder wenigstens nachzudenken.
Nach mehreren Minuten des angenehmen Schweigens, drückt Alicia ihre weiche Handfläche auf meinen Unterarm. "Gute Nacht, Snow. Du bist so wundervoll. Du wärst eine tolle Luna. Du bist so anders als Liam, deine Art strahlt Geborgenheit und Freundlichkeit aus. Du bist die Mutter des Rudels. DU bist perfekt für uns. Ich kenne keine Person, die mir je so gut zu gehört hat oder mir einfach insgesamt so geholfen hat. Bitte geh niemals mehr weg! Nie wieder, hörst du?" sie hält den Atem an und starrt mich hoffnungsvoll an. Irritiert und leicht verängstigt starre ich zurück. Wovon redet sie?; Luna?! Rudel?! In welcher schrägen Werwolf-Welt sind wir hier gelandet?!

"Schlaf gut, Alicia. Ich muss los!" versuche ich ihrem wirren Gerede auszuweichen. Unerwartet trifft mich ihr kalter Blick: "Du verstehst mich nicht. Du weißt nicht, was ich da rede... Er hat es dir noch nicht erzählt! Liam - er hat es dir nicht -" nervös lege ich meine Hand auf ihren Mund und bringe sie somit zum Schweigen. "Ich wieß nicht, was hier los ist, aber du solltest jetzt schlafen!" murmel ich leise und nehme schließlich vorsichtig meine Hand von ihrem Mund. "Liam ist tot... Gute Nacht.... Snow." murmelt sie weiter wirres Zeug und schließt ihre Augen. Ich will etwas erwidern, doch sie schläft schon seelenruhig, ihr Herzschlag den niedrigen Atem angepasst. Vorsichtig löse ich mich von ihr, gehe aus dem Zimmer und schließe die Tür hinter mir. Erschreckend Stelle ich fest, dass ich gar nicht gehen will. Ich will nicht nach Hause, zu meiner Mutter, die mich umbringen wird. Hier fühle ich mich mehr wie zu Hause.
In Gedanken fällt mir erst 15 Sekunden später das heiße Kribbeln am ganzen Körper auf. Sofort hebe ich misstrauisch den Kopf. Es gibt nur eine Person, bei der ich solche Gefühle verspüre.

Vor mir steht Liam.

"Schläft sie schon?" fragt er mit gedämpfter Stimme. Sofort erinnere ich mich wieder an das Gespräch zwischen Alicia und mir. Augenblicklich keimt neuer Hass entgegen Liam in meiner Brust auf. "ja" antworte ich monoton, nicht auf meinen inneren Sturm hinweisend.
"Schläfst du heute bei uns?" fragte immer noch leise. "Nein." antworte ich genau so monoton.
"Komm, ich zeige dir dein Zimmer." lächelt er fieß. "Niemals." antworte ich nun mit etwas mehr Anspannung in der Stimme. Elegant drehe ich mich um und laufe Richtung Ausgang. Liam holt mich erstaunlich schnell wieder ein und läuft neben mir.
"Sag mal, kannst du auch richtig antworten?" knurrt er jetzt sauer. "Nope" lasse ich amüsiert das 'p' ploppen. Damit stolziere ich an ihm vorbei. Aber anscheinend ist er doch hartnäckiger als erwartet.

~11.09.16 bearbeitet ~
~~^•.•^~~

Hey Leute!
Wie euch wahrscheinlich bis hierhin aufgefallen ist, habe ich die Story bis zu diesem Punkt überarbeitet. Manche Handlungen passen nicht mehr aufeinander, also schreibt mir bitte, wenn etwas an der neuen Verfassung falsch ist. Der Rest wird mich überarbeitet.
LG eure
~∆SkYdanCEr∆~

Nacht | Die MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt