Kapitel 19

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Die Tage vergingen und aus Tagen wurden Wochen. Wie jeden anderen Tag, saß ich jetzt auch wieder neben meinem Opa, der immer noch blass in seinem Bett lag. Ich ging kaum raus, nur wenn es mal ein wichtiges Meeting auf der Arbeit hatte. Nicht einmal Azad ließ ich an mich ran. Ich hatte Schuldgefühle. Starke Schuldgefühle. Wäre ich an jenem Tag nicht mit Azad raus gegangen, so wäre dies alles nicht geschehen.
Immer wieder trieben mir Dastans harte Worte Tränen in meinen Augen.

Der Arzt stellte fest, dass mein sich Opa zu Überbelastet hat. Das er vom ganzen Überlegen und den ganzen Problemen einen Schwächeanfall bekommen hat. Ein Schwächeanfall, welches in seinem Alter sehr gefährlich sein kann. Tag für Tag ging es ihm langsam besser. Doch selbst diese minimalen Fortschritte hielten mich nicht ab, jeden Tag neben ihm zu sitzen und ihn zu unterhalten. Einfach neben ihm zu sein, falls ihm noch etwas zustößt. Anita versuchte einige Male mich mit Einladungen zu große Festivals zu überreden, doch ich konnte es nicht übers Herzen bringen, ihn alleine hier liegen zu lassen.

"Du bist ja immer noch hier", unterbrach mich eine brüchige Stimme aus den Gedanken. Ich lächelte zu ihm hinunter.

"Ich wollte einfach nur bei dir sein, Opa", sagte ich liebevoll und drückte ihm ein Kuss auf die Wange.

Er lächelte mich zärtlich an und schlief sofort wieder ein. Einer der Nachwirkungen des Anfalls. Immer wieder war er erschöpft und schlief die meiste Zeit des Tages. Wie ein Neugeborenes, welches Anfangs seine Energie und Kraft auftanken musste.

"Glaubst du deinem Gewissen wird es besser gehen, wenn du Tag für Tag hier neben ihm sitzt und für ihn sorgst.", sagte eine harte Stimme hinter mir. Ich wollte mich nicht umdrehen. Ich wusste auch so, wer es war. Dastan!

"Du brauchst nicht so zu tun, als wenn du dir Sorgen machen würdest! Du kannst doch mit den tollen Seve Geschwistern(Anita, Azad) rausgehen, wie du es auch vorher gemacht hast. Was tut man alles für die Gesellschaft, damit man bloß seinen guten Ruf nicht verliert, was Cousinchen!", sprach er hart aus.

Ich saß immer noch mit gesenkten Kopf und mit dem Rücken zu ihm.

Innerlich vermochte ich zu platzen. Wie kann er nur.

Ich habe in dieser kurzen Zeit gelernt meinen Opa, wie einen zweiten Vater zu lieben. Er war jetzt der wichtigste Mann in meinem Leben. Mit feuerspukenden Augen drehte ich um.

"Sie sind ein dummer Mistkerl! Öffnen sie erst einmal richtig ihre Augen und dann können sie sprechen und urteilen.Mein Opa ist der wichtigste Mann in meinem Leben. Ich ziehe ihn jedem anderen vor. Alles würde ich für ihn tun. Sie kennen mich nicht. Sie können nicht über mich urteilen. Schauen sie sich doch einmal an. Ihr Herz ist eiskalt. Es ist ein wunder Gottes, wenn sie eines Besitzen. Dann fragen sie sich noch, weshalb ich lieber mit Azad und Anita zusammen bin, als mit ihnen. Die zwei verstehen mich und zeigen Gefühle. Sie sind für mich da.", zischte ich leise, um bloß den schlafenden Mann nicht zu wecken.

Dastan schaute mich, bei meiner Predigt, mit zusammen gezogenen Augenbrauen an. Wie ich diesen Blick verabscheue. Wütend stand ich auf und verließ das Zimmer. Ich lief entschlossen, die Treppen zu meinem Zimmer hoch und wollte gerade die Tür hinter mir schließen, als ein Hindernis es nicht zu ließ. Verwundert schaute ich in den Flur und sah dort jemanden stehen, der seinen Fuß zwischen die Tür hielt.

"Was wollen sie"

"Habe ich dir nicht gesagt, dass du das Siezen lassen sollst?", kam eine Gegenfrage.

"Ich hab zu erst eine Frage gestellt.", sagte ich trotzig.

"Nur wenn du mich ab heute Duzst!"

Mir blieb keine andere Wahl übrig.

"Was willst du, Herr Dilcan?", fragte ich dieses Mal.

Wieder sah er mich mit seinem harten Blick an, aber dieses Mal war noch etwas in seinen Augen zu sehen. Humor? 'Niemals'

" Zara!!", warnte er mich.

"Naa, guuuuut", rief ich kapitulierend. "Was willst du Dastan?", frage ich jetzt gefühlte hundert Male.

"Ich wollte dich nur warnen. Azad und seine Schwester sind nicht so, wie sie sich geben. Du kennst sie erst einige Monate. Pass auf.", warte er mich vor.

"Ja, und ich bin die Queen von Großbritannien.", zischte ich sarkastisch.

"Ich habe dich gewarnt, Zara."

"Weißt du, Dastan, ich weiß was damals passiert ist. Du bist hier das Arschloch und kein Anderer. Dich ertrage ich auch nur, weil du zur Familie gehörst. Ich halte diese Unterhaltung für überflüssig, deswegen würde ich sagen, dass du diese Treppen da benutzt, um aus dem Haus raus zu gelangen.", zischte ich und wedelte mit meinen Händen vor seinem Gesicht rum.

"Einen schönen Tag noch!", rief ich erregt und schlug die Tür, vor seiner blau angelaufenen Nase, zu.

Herz aus Eis (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt