,,Ja und am Ende meinte er dann zu mir 'Bei mir oder bei dir?', als sei er so ein ganz cooler und ganz witzig. Ich hab herzhaft gelacht. Echt. Nicht!", beschwerte ich mich bei Marco am Telefon und tigerte in meinem Zimmer auf und ab. Ich war schon ungefähr drei Mal über irgendwelche Klamotten und Schulbücher gestolpert, aber mir kam trotzdem nicht in den Sinn, den ganzen Kram mal wegzuräumen. Schließlich war das mit Arbeit verbunden und darauf hatte ich keine Lust. ,,So sind wir Männer halt! Aber wie heißt der jetzt nochmal?" ,,Cel... irgendwas. Celal oder so!", versuchte ich mich zu erinnern und biss nachdenklich auf meiner Unterlippe herum. Das tat ich oft, wenn ich konzentriert war oder auch Langeweile hatte. Eine dumme Angewohnheit, die ich aber auch nicht so einfach ablegen konnte. ,,Yildrim?"
,,Ja, glaube schon... Waruuum? Kennst du den?" ,,Ja klar, der ist bei mir in der Mannschaft! Du musst den doch auch schon mal gesehen haben. Zentraler Mittelfeldspieler... Nummer 11", ohhh fuck. Jaa jetzt machte es bei mir auch Klick und mir wurde bewusst, warum er mir irgendwie bekannt vorgekommen war. Wenn gutes Wetter war und ich sonst nichts mit mir anzufangen wusste, sah ich mir schon mal die Fußballspiele an, die Marco mit seiner Mannschaft bestritt. A-Jugend. Nichts besonderes, aber ab und zu doch ganz spannend. ,,Ich erinnere mich... zumindest so halbwegs. Wie ist der so drauf?" ,,Nala, du sollst den nicht heiraten, sondern einfach nur ein Referat mit dem machen" ,,Ach ne, Captain obvious. Aber ich hab keinen Bock die ganze Arbeit alleine zu machen nur damit er am Ende eine Note für's Nichts tun einsackt!", knurrte ich und ließ mich nun rücklings auf mein Bett fallen, blickte an die weiß gestrichene Decke.
,,Vielleicht will der die Note ja gar nicht. Die muss ja erstmal gut sein!" ,,Haha, Witzbold..." ,,Nein, ernsthaft, der ist ziemlich korrekt. Ich hatte noch keine Probleme mit ihm, also brauchst du keine Angst haben. Er wird dich schon nicht zwingen ein Kopftuch zu tragen, während ihr zusammen arbeitet", Gott, hatte der Typ heute morgen einen Clown gefrühstückt? ,,Halt die Fresse. Ganz ehrlich, als würde ich an so eine Scheiße denken. Ist mir doch egal wo er herkommt oder was für eine Religion der hat. Wenn er nett ist, ist er nett. Wenn er scheiße ist, ist er scheiße. Unabhängig von Herkunft oder sonstigem!" ,,Weise Worte, Nala Hofmann, weise Worte. So, ich muss los, hab versprochen meine Schwester zu ihrer Freundin zu fahren" ,,Marco's Taxi im Einsatz. Denk an morgen früh, ja?" ,,Ja Chef. Also bis dann!" ,,Bis dann und fahr vorsichtig" ,,Immer doch!", damit legte er auf und auch ich schmiss mein Handy neben mich. Auf Marco konnte man sich eben immer verlassen.
,,Nalaaaa... Das Frühstück wartet!" ,,Jaaa komm' gleich!", jeden Morgen das Gleiche. Okay, es war eigentlich schon eine Seltenheit, wenn wir mal genügend Zeit hatten, um unter der Woche gemeinsam zu frühstücken, denn außer meiner Mom waren wir morgens alle ein wenig verpeilt und trödelten gerne mal. Mein Vater kam nicht aus den Federn, Mila brauchte ewig lange im Bad und ich stand mindestens eine Viertelstunde vor meinem Kleiderschrank. Okay, vielleicht nicht ganz so lange, aber es dauerte schon seine Zeit, denn wenn ich was gefunden hatte, musste ich mich erstmal im Spiegel betrachten um sicher zu stellen, dass ich das Haus so verlassen konnte. Ich war zwar relativ schlank, dafür aber auch ziemlich klein und in vielen Sachen sah ich einfach aus wie ein Zwerg. Das hieß ich musste darauf achten nichts anzuziehen, was mich optisch noch mehr verkleinerte. Overknee Stiefel oder sowas waren also tabu. Gut, das wäre eh nicht mein Ding gewesen, aber trotzdem. Ich kleidete mich zwar gerne sehr feminin und modern, aber solche Stiefel waren nunmal zu viel des Guten. Zudem checkte ich dann nochmal mein Make-Up, was für die Schule zwar ziemlich dezent war, aber es sollte trotzdem sitzen und vorallem meine blauen Augen betonen, um wiederum von meiner Stupsnase abzulenken, die ich einfach nicht mochte. Wenn ich wegging und es mal etwas mehr Make-Up sein durfte, trug ich auch ganz gerne mal Lippenstift. Meine Lippen mochte ich, denn die waren meiner Meinung nach weder zu voll, noch zu schmal geraten. Dafür hatte ich noch zig andere Dinge, die ich an mir nicht mochte, aber naja. So war das eben.
Mein heutiges Outfit, welches ich vor dem Spiegel betrachtete, bestand aus einem grauen T-Shirt mit Brusttasche, hellen Röhrenjeans und Nike Sneakern. Recht zufrieden nickte ich mir zu, schnappte mir mein Smartphone und ging die Treppen nach unten ins Esszimmer, welches an die offene, helle Küche angrenzte. Ich mochte unser Haus. Es war großzügig geschnitten, aber auch nicht zu groß für vier Leute... Das Highlight war für mich unser Garten und vorallem der Pool, in welchem ich quasi die gesamten Sommermonate verbrachte, wenn das Wetter mitspielte. ,,Morgen", grüßte ich knapp, aber bemüht freundlich und ließ mich auf einem der schwarzen Stühle mit Lederbezug fallen. Alle anderen saßen bereits, nur ich war wohl mal wieder zu spät. Meine Familie erwiderte die Begrüßung, aber dann herrschte Stille. Mein Vater studierte seine Zeitung und Mila war in ihrem Handy vertieft. Ich war ja morgens sowieso nicht wirklich gesprächig und daher beschränkte meine Mutter sich auch darauf, einfach zu frühstücken. Sie versuchte gar nicht erst, ein Gespräch zu erzwingen. Sie kannte eben ihre Pappenheimer. Wir waren sicher nicht die perfekte Bilderbuchfamilie, aber ich hatte sie trotzdem lieb und ich hätte sie gar nicht anders haben wollen.
,,Achso... ich bin heute übrigens erst später zu Hause, keine Ahnung wann genau!", verkündete ich meiner Mutter beiläufig, nachdem ich mein Nutellabrötchen verschlungen und ein wenig Kaffee getrunken hatte. Langsam war ich bereit, in den Tag zu starten. ,,Okay, was hast du Schönes vor?" ,,Schön? Ich weiß ja nicht. Die bescheuerte Labertante aka meine Geschichtslehrerin hat dem ganzen Kurs Referate aufgebrummt, um mit dem Stoff schneller durchzukommen. Wir fangen heute nach der Schule an das vorzubereiten. Wir treffen uns in der Bibliothek... weiß nicht wie lange das dauert!", ich zuckte mit den Schultern und meine Mutter nickte, als Zeichen, dass sie mich verstanden hatte. ,,Gut. Frank, wann bist du heute zu Hause?", aha, der Herr war noch nicht vollkommen in seiner Zeitung versunken. ,,Mein Schreibtisch quillt fast über, aber ich versuche gegen 6 hier zu sein", dazu musste man wissen, dass mein Vater irgendwas mit Baurecht zutun hatte, Anwaltskram und so, und chronisch beschäftigt war.
Meine Mutter arbeitete bei der Bank und kümmerte sich zusätzlich um den Haushalt. Wir hatten also keine Putzfrau, Köchin oder sonst was. Okay, schon, aber sie hieß eben Mama. Und wenn sie gute Überzeugungsarbeit leistete, halfen wir manchmal auch mit. Meistens allerdings nur dabei, alles dreckig zu machen, anstatt es zu säubern, aber immerhin gaben wir ihr was zutun. ,,Schön, wenn Nala also nicht zu spät hier ist, können wir ja später gemeinsam essen..." ,,Reicht einmal am Tag nicht?", nölte Mila und weil ich wusste, dass sie es nicht so ernst meinte, lachte ich leise. ,,Da hat die Kleine eigentlich recht!", pflichtete mein Vater meiner 14-jährigen Schwester bei, was meine Mom schnaufen ließ und sie dazu verleitete, ihren Mann mit einer Weintraube zu bewerfen. ,,Fall mir ruhig in den Rücken!"
,,Also bitte Helena!", tat er empört, während meine Schwester und ich nur lachten. Ja, wir waren manchmal ein wenig verrückt. Vielleicht lag das daran, dass wir drei Frauen dank unserer gleich endenden Vornamen irgendwie miteinander verbunden waren. Manchmal kam ich mir vor, wie bei Bibi Blocksberg, da fingen doch zumindest alle Vornamen der Familie mit dem gleichen Buchstaben an. Gut, mein Vater fiel bei diesem Schema heraus, aber wahrscheinlich hatten wir ihn mit unserer Verrücktheit angesteckt. Oder er uns mit seiner. Man musste uns nicht verstehen.
,,Mal was anderes, Nala, meinst du Marco nimmt mich auch mit?" ,,Ja klar, ist doch genug Platz im Auto!", erwiderte ich und trank noch einen Schluck Kaffee, bevor ich langsam aufstand. Ich musste noch meine Jeansjacke und meine Tasche von oben holen. ,,Bevor ihr geht ziehst du dir aber noch was anderes an, Fräulein. Der Ausschnitt ist ein bisschen sehr tief, oder nicht? Du bist 14, nur falls du das vergessen haben solltest!", tadelte meine Mutter, während Mila entnervt stöhnte, aber nach oben ging, um sich wahrscheinlich umzuziehen. Tja, das hatten wir alle durch und manchmal konnten meine Eltern eben schon ganz schön spießig sein. Ein ganz normaler Morgen bei Familie Hofmann.
DU LIEST GERADE
Alles türkisch, oder was?
RomanceNala Hofmann ist ein ganz gewöhnliches, 17-jähriges Mädchen, welches wohlbehütet in Berlin Zehlendorf aufwächst. Bisher hat sie geglaubt, dass ihr Umfeld offen und tolerant sei, doch als sie den Deutschtürken Celal kennenlernt und ihm näher kommt, m...