Kapitel 12

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Freiheit!
Naja, zumindest für die paar Stunden, die ich heute in der Schule verbrachte. Es war Mittwoch und noch immer versuchte Celal mich vollkommen zu meiden. Ich hingegen hatte immer mal wieder probiert Kontakt zu ihm aufzunehmen. Nein, ich war ihm nicht wie eine Verrückte hinterher gerannt, aber ich hatte ihm bei WhatsApp geschrieben und ihm somit die Chance gegeben, mir da zu erzählen, was los war, wenn er sich das unter vier Augen nicht traute. Allerdings war da auch nichts konkretes gekommen, er hätte auch nicht mehr verraten, wenn er gar nicht geantwortet hätte.
Zuhause bot sich auch noch immer das gleiche Bild. Ich wurde beobachtet, aber größtenteils ignoriert. Zu einer Entschuldigung hatte sich meine Mutter auch noch nicht hinreißen lassen... und ob sie bereits mit meinem Vater bezüglich meines Hausarrests gesprochen hatte, wusste ich auch nicht. Deswegen war ich fast traurig, als meine letzte Stunde um kurz nach drei endete und ich das Schulgebäude mit Marco verließ.
,,Und du bist dir sicher, dass du nicht noch mit zu mir kommen oder irgendwas unternehmen willst?" ,,Du glaubst gar nicht, wie gerne ich das machen würde, aber ich habe vor, irgendwann in diesem Leben aus dem Hausarrest zu kommen. Lebenslänglich ist nicht so mein Ding!", lachte ich und versuchte so meinen Frust über die gesamte Situation zu überspielen.
,,Tut mir leid!", schob ich leise hinterher und legte meinen Kopf auf seine Schulter, allerdings winkte er ab.

,,Du brauchst dich nicht für deine Eltern entschuldigen", er tätschelte mir freundschaftlich den Rücken und gerade als ich meinen Kopf hob, erblickte ich Celal, der an uns vorbeizog Richtung Parkplatz. Das war dann wohl meine Chance, noch einmal mit ihm zu reden. Wenn er dann nicht mit der Sprache rausrückte... tja, dann würde ich es wohl aufgeben müssen, aber einen letzten Versuch wollte ich unbedingt noch starten.
,,Hmm... Du, ähm... ich muss da mal hinterher" ,,Sollte ich dich nicht fahren?", fragte er, während ich schon losjoggte, um Celal nicht aus den Augen zu verlieren.
,,Ja, aber brauchst du doch nicht, danke! Hab dich liiieb!", rief ich noch und winkte, dann lief ich weiter Celal nach, der gerade an seinem schwarzen Golf stehen geblieben war und schließlich einstieg.

Natürlich hätte mich das jetzt abhalten können, aber ich war hartnäckig und so öffnete ich kurzerhand die Tür der Beifahrerseite und ließ mich auf den Sitz fallen. Augenblicklich traf mich Celals verwirrter Blick, ehe er dann genervt aus dem Fenster sah und schwer ausatmete.
,,Was willst du denn schon wieder?" ,,Ich will jetzt verdammt nochmal wissen, was dein verficktes Problem auf einmal ist! Weißt du eigentlich wie scheiße sich das anfühlt? Ich weiß ja nicht, ob du es schon vergessen hast, aber ich hab dich vor meinen Eltern in Schutz genommen, damit du ungeschoren davon kommst! Meine Mutter hat mir eine geklatscht, ich habe Hausarrest und werde zu Hause behandelt wie eine Schwerverbrecherin! Und der Dank dafür, dass ich eine Lügengeschichte aufgetischt habe, ist, dass du mich ignorierst und so tust, als würdest du mich gar nicht kennen?", sprudelte es aus mir heraus. ,,Findest du das echt in Ordnung? Und sag jetzt nicht, dass du mir nichts schuldig bist oder so eine Scheiße. Ich find's einfach nur ziemlich asozial auf einmal so zu tun, als würde man einen nicht kennen... und das ohne Grund! Ich meine-" ,,Mach mal langsam jetzt!", er schüttelte den Kopf, fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht.

Für einen Moment herrschte Stille und ich wollte schon wieder loswettern, als er dann doch dazu ansetzte, etwas zu sagen.
,,Ich hab... naja ich dachte ich halte mich lieber von dir fern, weil... weil ich nicht wollte, dass du noch mehr in Schwierigkeiten gerätst!", das war mit Abstand die billigste Ausrede, die ich je gehört hatte. Dementsprechend konnte ich auch nicht anders, als bloß darüber zu lachen und schon sah er mich wieder an, als würde er nicht verstehen warum ich das tat.
,,Lachst du mich gerade aus?"
,,Ob ich dich auslache? Was denkst du denn? Hörst du dir eigentlich auch mal selbst zu?", fragte ich fassungslos, aber er hatte immernoch diesen Hundeblick drauf und ich wusste nicht, ob ich das jetzt bescheuert oder süß finden sollte. Celal war mir bisher nicht sonderlich blöd vorgekommen, aber diesem Moment wirkte er auf mich mehr als naiv.
,,Du sprichst 'ne Woche nicht mit mir und sagst mir dann, du hast das für mich gemacht? Mal ganz davon abgesehen, dass meine Eltern mich in der Schule ja nicht beobachten... hoffe ich zumindest!"
,,Ich meinte das einfach nur gut, okay? Und wenn du mir nicht glaubst oder so, dann kann ich dir auch nicht helfen, man! Aber dann steig bitte einfach aus der Karre und verpiss dich!", und schon fühlte er sich angegriffen. Was sollte ICH denn bitte sagen? Aber wahrscheinlich durfte ich nicht sauer sein... oder zumindest frustriert.

,,Du bist echt nicht ganz dicht, weißt du das?"
,,Klar! Wer ist denn hier Idiot, weil er einer Tussi was gutes wollte? Komm, steig einfach aus, man. Das ist mir zu blöd und ich hab echt besseres zutun, als meine Zeit zu verschwenden. Warum machst du hier überhaupt so einen Aufriss? Hattest du Sehnsucht oder was?", fragte er und in dem Moment schnappte ich empört nach Luft. Mein Magen schien sich einmal um 180° zu drehen, doch er grinste nur.
,,Sehnsucht... pff, wovon träumst du denn sonst noch nachts?", bloß nicht anmerken lassen, dass er mich kurz aus der Reserve gelockt hatte. Aber das hatte er eh nur geschafft weil... weil ich einfach nicht mit so einer Antwort gerechnet hatte, nicht, weil ich tatsächlich Sehnsucht nach ihm verspürt hatte.

Ich blickte auf meine Finger, die ich zu kneten begann und konnte ihn lachen hören.
,,Na du kommst ab und zu schon darin vor. Aber dann habe ich ja jetzt meine Antwort. Hey, dafür brauchst du dich nicht zu schämen, du bist nicht die Einzige und auch nicht die Erste!"
,,Bist du jetzt fertig oder willst du dir gleich einen auf dich runterholen?", wollte ich wissen und strich jetzt mein T-Shirt glatt, um für meine Hände eine andere Beschäftigung zu haben. Außerdem gewann ich gerade mein Selbstbewusstsein zurück. Ich verstand davon abgesehen nicht so ganz, warum er jetzt hier den Macho raushängen ließ, aber vielleicht machte er ja auch Spaß und meinte das gar nicht so ernst, wie ich es empfand.
,,Warum fragst du? Willst du mir helfen?" ,,Du bist echt so ein Vollidiot, was soll das hier?", war das nur eine Masche um mich loszuwerden oder was?
,,Haste noch 'n paar Beleidigungen oder darf ich dann jetzt nach Hause fahren?", toll, einen richtigen Grund für sein Schweigen hatte ich jetzt immernoch nicht erfahren, denn ich kaufte ihm seine Story irgendwie nicht ab.
,,Ich steig ja schon aus"
,,Gut... aber sag mal, bist du Samstag auf Lisas Party?", fragte er, als ich die Tür schon geöffnet hatte und halb ausgestiegen war. ,,Keine Ahnung", wohl eher nicht, wenn nicht noch ein Wunder geschah.
,,Warum willst du das wissen?" ,,Naja, ich würde mich freuen dich zu sehen!"
,,Ach!? Ich dachte du willst dich von mir fernhalten, weil es besser ist für mich!", paraphrasierte ich seine Worte und tat ganz schüchtern und verletzlich. Hey, ich hätte echt Schauspielerin werden können, also Kristen Stewart hätte ich in "Twilight" wohl perfekt ersetzen können.
,,Vielleicht habe ich es mir anders überlegt"
,,Vielleicht bist du echt ganz schön bescheuert!", damit stieg ich endgültig aus und knallte die Tür hinter mir zu. Da sollte noch einer sagen, dass wir Frauen kompliziert waren...

Alles türkisch, oder was?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt