Kapitel 30

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,,Scheiße man, was machst du denn hier? Ich habe dich in der Schule gesucht, außerhalb vom Gelände... Weißt du was für Sorgen ich mir gemacht habe?", Celal war gerade in mein Zimmer gestürmt und ich konnte im ersten Moment nichts anderes zu tun, als ihn perplex anzustarren. Ich hatte ihm zwar vor ein paar Minuten geschrieben, dass ich nach Hause gegangen war, aber trotzdem hatte ich nicht damit gerechnet, dass er hierher kam und ich hätte erst recht nicht gedacht, dass er dann plötzlich vor mir in meinem Zimmer stand.
,,Wie bist du reingekommen?"
,,Naja, der Schlüssel unter dem Blumentopf lag wieder da, aber is' jetzt auch egal! Warum bist du abgehauen? Du hattest doch noch Unterricht! Du warst in der Pause nicht bei uns... nichts. Was'n los?", sah er mir das nicht an? Wahrscheinlich waren meine Augen knallrot vom Weinen, meine Nase lief und noch dazu hatte ich das Gefühl, dass man mit einem Vorschlaghammer auf mich eingeschlagen hatte. Mein Schädel drohte zu explodieren.

Celal blickte mich fragend an, wahrscheinlich um eine Antwort in meinem Gesicht zu finden und ich wunderte mich fast, dass er noch nicht von dem Gerücht gehört hatte, schließlich betraf es ihn auch. Vielleicht war aber auch nur ich in der Sache die Dumme, denn die Gesellschaft hatte ja ein Faible dafür, die Frauen in solchen Situationen zur Schlampe zu machen und den Männern zu gratulieren. Schließlich seufzte er leise, zog die schneeweißen Jordans aus und kletterte zu mir ins Bett, um mich in die Arme zu schließen. Sofort schmiegte ich mich an ihn, vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge... und für einen Moment war die Welt wieder in Ordnung. Mal wieder wünschte ich mir, die Zeit anhalten zu können und einfach für immer hier liegen zu bleiben. Hier gab es keine Probleme, keinen Rassismus, keine Lügen.
,,Erzähl mir, was passiert ist...", flüsterte er mir zu, fuhr mir sanft durch die Haare und ich blickte widerwillig auf. Schon wieder hatten sich Tränen in meinen Augen gesammelt und ich hatte einen dicken Kloß im Hals, der einfach nicht verschwinden wollte.
,,Sophie...", begann ich und merkte sofort, dass er sich anspannte. War ihm nicht klar gewesen, dass die Zwei für meine Laune verantwortlich sein mussten?
,,Sie... sie verbreitet das Gerücht, dass ich dir auf Flo's Party in seiner Küche einen geblasen hätte und dann fielen noch so Worte wie Kameltreiber. Wahrscheinlich weiß es nicht nur der gesamte Kurs, sondern auch die ganze Stufe. Frau Büchner hat sie beim Zettelchen schreiben erwischt, wie in der 5. Klasse und daraufhin hat sie mich nach der Stunde zu sich gebeten. Ich habe es gelesen, Celal. Ich würde auf Schlampe machen, damit du nicht glaubst ich sei langweilig und mich abservierst. Mich haben die ganze Zeit schon alle so angestarrt und jetzt weiß ich auch warum! Weißt du, was das bedeutet? Die denken doch jetzt alle, dass ich wirklich eine Schlampe bin und... dann hat sie dich auch wieder beleidigt, ich-"

,,Dieses verdammte Miststück", hörte ich ihn murmeln und so verstummte ich. Es war alles gesagt. Ich brauchte ihm nicht erklären, warum ich so fertig war, er verstand mich schon.
Wortlos wischte ich mir eine Träne von der Wange und sah, wie er sich die Schläfen rieb. Er schien auch nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte und auch ich konnte noch immer nicht in Worte fassen, was ich darüber dachte. Ich hätte ihr sowas einfach nie zugetraut... Ob Emilia da auch mitmachte? Ob sie sich diese Geschichte gemeinsam ausgedacht hatten?
,,Dafür wird dieses hinterfotzige Miststück bezahlen, glaub mir. Sie kann über mich labern was sie will, aber dich da reinzuziehen...", er schüttelte den Kopf, drückte mich etwas mehr an sich und wäre die Situation nicht so beschissen gewesen, hätte ich das richtig süß gefunden. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass er mich beschützte, aber ich wollte nicht, dass er in Schwierigkeiten geriet.
,,Vielleicht... vielleicht sollten wir das einfach so stehen lassen. Die Büchner meinte sie... würde mit ihr reden und auch mit dem Direktor"
,,Und was sollen die machen?", fragte er, doch darauf hatte ich auch keine Antwort und konnte nur mit den Schultern zucken.
,,Keine Ahnung... Eigentlich will ich auch nur, dass sie klar stellt, dass das alles eine Lüge war. Ich will halt einfach nicht, dass alle denken, dass ich es überall mit dir treibe.... Und bei dir könnte sie sich auch entschuldigen. Ach fuck, ich weiß einfach gar nichts mehr", verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare und versuchte tief durchzuatmen. Das alles machte mich gerade wahnsinnig, weil ich mich einfach so hilflos fühlte. Ich konnte nichts tun. Egal was ich sagte, sie würden mir eh nicht glauben und denken, dass ich mich nur rausredete, weil es mir peinlich war. Dabei konnte jeder, der auf dieser Party war, eigentlich bestätigen, dass es nicht so gewesen war. In der Küche war die ganze Zeit betrieb gewesen, da hätte uns schon mehr als nur eine Person sehen müssen. Tja und die, die nicht dabei gewesen waren, glaubten ihr natürlich sofort...
Um ehrlich zu sein, hätte ich die Geschichte wahrscheinlich auch geglaubt, so abwegig war das Ganze schließlich nicht. Wie oft konnte man solche Szenen auf Partys beobachten? Aber ich wusste auch ganz genau, welchen Ruf diese Mädels weg hatten... und so wollte ich nicht betitelt werden. Ich war sicher nicht verklemmt, aber ich würde es nie in irgendeiner Küche machen, wo einen jeder sehen konnte.

,,Und du solltest nicht hier sein", schob ich schließlich hinterher und sah ihm wieder in die braunen Augen, die Wut, aber gleichzeitig auch Sorge ausstrahlten.
,,Warum?"
,,Du sollst nicht schwänzen und schon gar nicht für mich"
,,Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich hier alleine lass. Ich wusste sofort, dass irgendwas nicht stimmt, als du auf einmal weg warst. Du hast mich jetzt halt an der Backe und ich kann voooll hartnäckig sein, wenn ich will" ,,Ich merk's", gab ich zurück und für einen Moment schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen.
,,Aber versprich mir, dass du keine Dummheiten machst, okay? Ich will nicht, dass du auch noch Probleme bekommst, nur weil Sophie scheiße baut. Wahrscheinlich ist das genau das, was sie will... also tu ihr den Gefallen nicht... bitte!", ich strich ihm über die Wange, woraufhin er sofort nach meiner Hand griff und seine Finger mit meinen verschränkte.
,,Ich werd auf jeden Fall mit ihr reden, aber ich pass schon auf, dass sie mir nix anhängen kann. Die Genugtuung kriegt die Bitch von mir auf jeden Fall nich'", er hauchte mir einen Kuss auf den Handrücken, ehe er auf meinen Fernseher deutete.
,,Lass uns 'n chilligen Vormittag machen und 'n bisschen assi TV reinziehen"
Ohne zu protestieren nahm ich die Fernbedienung von meinem Nachttisch, drückte ihm diese in die Hand und kuschelte mich wieder richtig in seine Arme. Ich hatte an diesem Morgen eigentlich schon genug "assi" gehabt, aber solange er hier war, konnte er alles gucken, was er wollte. Hauptsache wir waren zusammen und er hielt mich fest. Mehr brauchte ich nicht.

Alles türkisch, oder was?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt