Kapitel 34

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So leise wie möglich schlichen wir uns in sein Zimmer, denn im Haus war es schon dunkel und seine Eltern schliefen wahrscheinlich schon. Mir wurde erst jetzt bewusst, dass wir schon fast halb zwei hatten und so schrieb ich meiner Mutter schnell eine Nachricht bei WhatsApp, dass ich bei Celal schlafen würde. Mir war scheiß egal, was sie davon hielt, ich würde ihn jetzt ganz sicher nicht alleine lassen und ich wollte ihr auch keine unglaubwürdige Lüge auftischen.
Erst als wir die Tür hinter uns geschlossen hatten, schaltete Celal das Licht an und für einen Moment sah ich mich um. Es passte zu ihm... überall lagen Klamotten, sein Skateboard lag mitten im Raum. Auf einem Regal stand eine teure Anlage und auf einem anderen hatte er ein paar Snapbacks aufgereiht. Natürlich durfte auch ein PC und ein Schreibtisch nicht fehlen, auf dem verschiedene Süßigkeiten und Knabbereien lagen. Schokolade, Haribo, Erdnüsse, Studentenfutter. Sein Bett wirkte einladend, es war etwa genauso groß wie meins, stand aber nicht in der Mitte des Raums, sondern an der Wand gegenüber der Tür, die mit verschiedenen Aufklebern von Nike, Supreme, Obey und Co. geschmückt war, ansonsten suchte man hier vergeblich nach Deko, was aber wohl kein Wunder war.

Ich sah zu ihm, als er sich auf sein ungemachtes Bett setzte und mit einem ächzen die Schuhe auszog. Noch immer zitterte er, er war ungewöhnlich blass und erst jetzt sah ich, dass sich sein rechter Wangenknochen langsam blau und grün färbte. Auch seine Augenbraue war an der Seite ein wenig aufgeplatzt. Auf seinem grauen T-Shirt war Blut zu sehen und in mir verkrampfte sich alles. Es tat mir wahnsinnig weh, ihn so zu sehen, aber gleichzeitig war ich froh, dass nicht noch mehr passiert war, schließlich hätte der eine auch mit der Bierflasche auf ihn einschlagen und ihn schwer verletzen können. Vielleicht hatten wir Glück im Unglück gehabt, aber wirklich trösten konnte mich das auch nicht.
,,Zieh erstmal die nassen Klamotten aus... du frierst bestimmt total. Ich... ich hol dir ein Handtuch, wo ist euer Badezimmer?", ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und pellte mich aus der Sweatshirtjacke, die an meiner Haut klebte, denn auch ich fror, aber das versuchte ich so gut es ging beiseite zu schieben.
,,Gegenüber", antwortete er knapp und schon hatte ich mich auf den Weg in das Badezimmer gemacht.
Ich brauchte einen Moment, fand dann aber Handtücher und Waschlappen. Letzteren machte ich nass, um seine Wunden zu säubern, ehe ich leise zurück ging. Das Shirt hatte er in der Zwischenzeit ausgezogen, bei der Hose war es etwas schwieriger, also half ich ihm kurzerhand, ehe ich das große Handtuch um ihn legte. Das andere Handtuch legte ich zunächst beiseite, ich würde mich später abtrocknen.

,,Sieh mich mal an..."
,,Nala, du musst nicht-" ,,Halt die Klappe!", wies ich ihn an und quälte mich zu einem Lächeln, weil ich es nicht böse meinte, aber wahrscheinlich endete das in einer hässlichen Grimasse. Mir war einfach nicht zum Lächeln zumute, ganz im Gegenteil. Ich hatte noch immer einen dicken Kloß im Hals und wollte eigentlich nur heulen, aber das hätte keinem von uns weitergeholfen. Also begann ich, vorsichtig das Blut von seinem Kinn und seiner Lippe, sowie von seiner Augenbraue und der Wange zu entfernen, als er mich endlich ansah. Er zuckte nicht ein einziges Mal, dafür schien er in seinen Gedanken versunken und das zittern wollte anscheinend nicht aufhören. Den Waschlappen legte ich schließlich zu seinen nassen Anziehsachen, als er mich ansah.
,,Und? Werde ich wieder?"
,,Ich denke du hast Glück, ja" ,,Gut, dann kümmer dich jetzt mal um dich. Du hast die Sachen immernoch an und ich will nicht, dass du krank wirst", er zog mich zu sich aufs Bett, half mir aus meinem Shirt und meinen skinny Jeans, ehe er mich mit in sein Handtuch wickelte und wir uns hinlegten. Sofort schlang ich meine Arme um ihn, in der Hoffnung, ihn irgendwie wärmen zu können, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob er nur zitterte, weil er fror. Ich verteilte zarte Küsse auf seiner Schulter, fuhr ihm durch die klammen Haare und versuchte mich selber in irgendeiner Art und Weise zu beruhigen. Meine Knie fühlten sich nicht mehr an wie Pudding und auch mein Herz raste nicht mehr wie verrückt, trotzdem fühlte ich mich komisch und ich hoffte, dass es ihm einigermaßen gut ging.
,,Brauchst du noch irgendwas? Soll ich dir was zu trinken holen, oder-"
,,Es ist wirklich alles gut...", unterbrach er mich. ,,Dafür bist du aber ziemlich blass! Ich mach mir einfach nur Sorgen um dich. Du hättest das nicht tun müssen...", flüsterte ich, denn wäre er nicht auf diese Typen zugestürmt, hätten wir vielleicht einfach gehen können. Das war kein Vorwurf und es war jetzt eh zu spät, aber ich wünschte das alles wäre nicht passiert.

Alles türkisch, oder was?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt