Kapitel 38

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,,Oh mein Gott, was hast du gemacht?", war das erste was ich hörte, als ich wieder nach Hause kam. Kein "Schön, dass du wieder da bist" oder "Ich hab dich vermisst"... aber hey, es kam von meiner Schwester, von daher konnte ich damit leben. Sie war von mir schließlich immer auf den neuesten Stand gebracht worden, was hieß, dass es nie Funkstille zwischen uns gegeben hatte und ich war auch zu keiner Zeit sauer auf sie gewesen. Immerhin traf sie keine Schuld an der gesamten Situation, deswegen wollte ich sie auch nicht unnötig mit hineinziehen, auch wenn es vielleicht unabsichtlich passiert war, indem ich sie als Einzige über meinen Aufenthaltsort informiert hatte.
,,Ähhm... nichts!? Ich war beim Frisör?", mit einem Seufzen schmiss ich die Haustür hinter mir zu und lief weiter in die Küche, dicht gefolgt von Mila.
,,Ja, aber... aber... deine Haare sind..."
,,Braun? Ich weiß! Ich brauchte einfach was neues", erklärte ich und grinste für einen Moment glücklich. Ja, die neue Frisur hatte meine Laune, zumindest für einen Tag, ein wenig gebessert.

Ich hatte mit Marco und meiner Frisörin lange hin und her überlegt, was es werden sollte, aber im Endeffekt hätte ich es nicht übers Herz gebracht, meine Haare kurz schneiden zu lassen, also hatte ich mich für eine andere Farbe entschieden. Das war definitiv Veränderung genug... Von einem recht hellen blond zu einem Schokobraun. Im ersten Moment hatte ich mich im Spiegel gar nicht wiedererkannt, aber genau das hatte ich gewollt. Natürlich war es ungewohnt, aber ich gefiel mir mit der neuen Haarfarbe und das war die Hauptsache.

,,Aber-"
,,Jetzt mach mal den Mund zu, es ist einfach nur eine neue Haarfarbe, nichts schlimmes", ich verdrehte die Augen und wollte den Kühlschrank öffnen, um mir eine Flasche zu nehmen, als sie plötzlich ihre Arme um mich schlang und mich fest an sie drückte.
,,Ich bin froh, dass du wieder da bist... und die Haare sehen toll aus, ich hab mich gerade nur echt erschrocken", sie lachte leise und nun drückte auch ich sie. Es war dann doch ganz schön zu hören, dass man jemandem gefehlt hatte und ich hatte fast ein schlechtes Geweissen, weil ich sie vier Tage mit meinen Eltern allein gelassen hatte.
Ich konnte mir vorstellen, wie sehr die Zwei durchgedreht waren, weil ich einfach abgehauen war und mich nur bei Mila meldete. Ich hoffte, sie hatte das nicht zu sehr ausbaden müssen. Leider konnte ich aber nicht sagen, dass ich froh war wieder hier zu sein, aber ich war definitiv froh sie zu sehen.

,,Ich hab dich vermisst, Nervensäge... und danke, ich kann's nachvollziehen. Ich hatte beim Frisör auch erstmal voll den Schock, aber ich mag's", schmunzelnd ließ ich von ihr ab und fuhr mir einmal durch die frisch gefärbten Haare. Für einen Moment schoss mit Celal wieder durch den Kopf und die Frage, was er wohl von der Typveränderung hielt... aber dann versuchte ich mir einzureden, dass das egal war und ich mit der neuen Frisur auch einen neuen Lebensabschnitt beginnen wollte. Einen ohne Celal, auch wenn das fast unmöglich schien. Wenn ich an ihn dachte, hatte ich das Gefühl, dass mein Herz in tausend Teile zersprang und das brachte mich dazu, mich noch schlechter zu fühlen. Weil ich glaubte, nicht so fühlen zu dürfen. Aber verdammt, ich hatte doch eigentlich nicht schluss machen wollen. Ich hatte einfach nur auf meinen Kopf gehört, statt auf mein Herz... und das war das Vernünftigste, was ich hatte tun können.
,,Ja, es steht dir!", lächelte sie und öffnete schließlich selbst den Kühlschrank, um mir kurz darauf eine Flasche Wasser zu reichen. ,,Bist du bereit auf Mama und Papa zu treffen?"

,,Ehrlich? Nicht wirklich, aber ich wollte Marco und seine Familie auch nicht ewig belästigen und naja... es wurde einfach Zeit, schätze ich", schulterzuckend öffnete ich die 0,5 Liter Flasche und nahm erstmal einen großen Schluck. Natürlich hatte ich absolut keine Lust meinen Eltern zu begegnen, aber früher oder später würde sich das wohl nicht vermeiden lassen. Ob Mila ihnen gesagt hatte, dass das zwischen Celal und mir vorbei war? Ich hoffte nicht, denn die Genugtuung wollte ich ihnen nicht geben. Wahrscheinlich war es genau das, was sie gewollt hatten...

,,Und... wie sieht's mit... ihm aus? Ich meine... ich habe gemerkt, dass du gestern und heute nicht in der Schule warst, also nehme ich an, dass du ihn seit Freitag noch nicht gesehen hast. Und keine Angst, ich hab Mama und Papa gesagt, dass du da warst und ich dich gesehen habe. Du musst dir nur 'ne gute Entschuldigung fälschen", Mila zwinkerte mir zu und in dem Moment wurde mir bewusst, dass ich die beste Schwester der Welt hatte. Sicher konnte sie manchmal nervig sein, aber wenn ich sie brauchte, war sie für mich da und das bedeutete mir unglaublich viel.
,,Danke", lächelte ich und stellte die Flasche auf der Arbeitsplatte ab, ehe ich tief durchatmete und mal wieder mit den Schultern zuckte.

,,Und um auf deine Frage zu antworten... Ich weiß es nicht. Vorbereitet bin ich nicht... bereit auch nicht, aber was soll ich machen? Ich kann nicht ewig schwänzen, auch wenn ich gerne würde. Ich denke wir... wir werden uns einfach aus dem Weg gehen", abgesehen von den Stunden, die wir zusammen hatten. Um ehrlich zu sein graute mir jetzt schon davor. Ihn zu sehen, geschweige denn neben ihm zu sitzen, würde mich sicher nochmal komplett aus der Bahn werfen. Und irgendwie würde ich mich zusammenreißen müssen, ich konnte schließlich schlecht mitten im Klassenraum anfangen zu heulen.
Ich wusste echt nicht, wie ich das durchstehen sollte, aber ich war immerhin selber Schuld...

,,Es ist lieb, dass du dir so Gedanken um mich machst, aber das wird schon! Ich bin... tough, ich krieg das hin", hey, Buffy Summers hatte es auch geschafft, über ihre erste große Liebe hinweg zu kommen, dann würde ich das auch schaffen! Naja okay, insgeheim hatte sie die ganze Zeit wohl immernoch an Angel gehangen, zumindest bis die Sache mit Spike anfing, aber trotzdem. Sie war stark gewesen und das würde ich auch sein. Ich hatte mit Buffy schließlich die beste Lehrerin gehabt, die man sich wünschen konnte.

Kurz darauf verzog ich mich in mein Zimmer, versuchte mich abzulenken und nicht wieder in Heulkrämpfe zu verfallen, was ganz gut klappte, solange ich mich von Musik fernhielt.
Ich beschäftigte mich also eher damit, die Hausaufgaben der letzten zwei Tage zu erledigen, die Marco netterweise für mich mitgebracht hatte. Meine Motivation lag irgendwo im Minusbereich, aber zumindest Deutsch und Englisch bekam ich schnell fertig. Als ich dann mit Bio anfing, verstand ich gar nichts mehr. Ich hasste dieses Fach genauso wie Mathe und all den anderen Kram, der vollkommen unnötig war, also verschwendete ich gar nicht viel Zeit damit, klappte mein Buch zu und lehnte mich zurück, als es klopfte und sich die Tür sofort öffnete, ohne, dass ich die Person ins Zimmer gebeten hatte.

Ich vermutete schon Mila, aber als ich meine Mutter dort stehen sah, kochte die ganze Wut der vergangenen Tage wieder in mir hoch und es kostete einiges an Beherrschung, nicht auf sie loszugehen. Ich konnte nicht beschreiben, wie wütend ich auf meine Eltern war, denn in meinen Augen hatten sie sich nicht nur vollkommen asozial verhalten, sondern auch eine große Schuld an unserer Trennung. Durch ihr Verhalten war alles eskaliert.
,,Du bist ja wieder d-"
,,Was willst du hier? Ich will weder dich, noch Papa sehen und auch nicht mit euch reden! Meine Meinung hat sich nicht geändert, okay? Also geh einfach wieder", stellte ich klar, ohne sie dabei anzusehen, denn ich war plötzlich ganz beschäftigt damit, meine Schulsachen vom Schreibtisch zu räumen.
,,Nala, lass uns doch mal darüber sprechen!"
,,Es gibt nichts, worüber wir sprechen müssten. Ich habe alles gesagt, was es zu sagen gibt. Und egal, was ihr loswerden wollt, es interessiert mich nicht!", ich brauchte keine halbherzigen Entschuldigungen, keine Erklärungen... wofür auch? Den Fehler konnten sie nicht wieder gut machen, egal was sie sagten.
,,Hat er dir das eingetrichtert?"

Bitte was? Hatte ich sie gerade richtig verstanden? Ich hielt in meiner Bewegung inne, ließ die vergangenen Sekunden noch einmal Revué passieren, aber ich war mir sicher, nicht plötzlich an Halluzinationen zu leiden. Langsam drehte ich mich zu ihr, sah wie sie mit den Händen in den Hüften in meiner Tür stand und mich fast schon wütend ansah.
,,Was hast du gerade gesagt?"
,,Ob das von ihm kommt... abzuhauen, nicht mehr mit uns zu reden...", sie begann wild mit den Armen zu gestikulieren, doch ich saß immernoch da und musste erstmal realisieren, was sie da von sich gab. Ich konnte das nicht glauben. Hatten sie nicht schon genug kaputt gemacht? Mussten sie immernoch auf ihm herumhacken? Es war unfassbar, dass sie noch immer in ihm den Schuldigen suchten und nicht verstanden, dass sie den Fehler gemacht hatten.

,,Und du denkst, wenn du mit so einer Behauptung hier aufkreuzt, bin ich nicht mehr sauer auf euch und vergesse, was passiert ist? Sorry, aber... ihr... ihr seid dümmer, als ich gedacht habe", ich musste hier raus. Schon wieder. Keine fünf Minuten mit meiner Mutter und ich hatte das Gefühl, jeden Moment durchzudrehen. Am liebsten wäre ich auf der Stelle ausgezogen, aber ich war minderjährig und verdiente nichts, von daher war das wohl so gut wie unmöglich. Immerhin hatte ich die Möglichkeit das Haus zu verlassen und genau das tat ich auch. Draußen schnappte ich mir mein Fahrrad und fuhr einfach los. Ohne Ziel. Einfach nur weg von hier.

Alles türkisch, oder was?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt