Kapitel 9

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Ohhh scheiße! Fuck, fuck, fuck. Das die Zwei nicht anwesend sein würden, hieß anscheinend nicht, dass sie erst nach Hause kamen, wenn die Party vorbei war. Irgendwie hatte ich die Gefahr, dass die Beiden früher nach Hause kommen könnten, komplett ausgeblendet. Wie konnte man bitte so dumm sein? Das war so dumm, dass ich selber über mich lachen musste, doch dann wurde ich schnell wieder ernst und blickte meine Eltern an, denn die fanden das anscheinend gar nicht witzig.
,,Ähhh", mehr bekam ich gar nicht raus und auch Celal starrte meine Eltern im Türrahmen nur mit einem dümmlichen Blick an, während er die Sahne runterschluckte und sich über den Mund wischte. Wahrscheinlich gaben wir gerade ein ziemlich witziges Bild ab... also für alle, abgesehen von meinen Eltern. Gut, dass der Rest der Meute sich draußen befand und diese Szene hier nicht mitbekam.

Ich hatte das Gefühl, dass wir uns eine gefühlte Ewigkeit lang anstarrten, bis mein Vater sich räusperte und meine Mutter auf mich zutrat. Unsanft zog sie mich am Arm runter von der Theke und versuchte mir in die Augen zu sehen, während ich mir die größte Mühe gab, ihrem Blick auszuweichen. Ich war ja nicht blöd, ich wusste ganz genau wie Leute aussahen, die gekifft hatten. Ihre Augen waren gerötet und glasig und ich hätte wetten können, dass ich genauso gerade auch aussah. Es fühlte sich zumindest so an. Noch immer schlug mein Herz rasend schnell, das entspannte Gefühl ließ aber so langsam nach.
,,Wer ist das?", mit einer Handbewegung deutete meine Mutter auf Celal, der sich die Hände an seiner Jeans abputzte, ehe er die rechte ausstreckte, um die Hand meiner Mom zu schütteln. ,,Celal, ich bin ein Schulkollege Ihrer Tochter!", stellte sich der Dunkelhaarige höflich vor, allerdings schien er meine Eltern nicht so um den Finger wickeln zu können, wie er es bei mir im Endeffekt geschafft hatte.

,,Aha", brummte sie skeptisch und musterte ihn von oben bis unten, während mein Vater die Szene noch immer wortlos beobachtete. Komisch... und so einer war Anwalt. Vor seiner Tochter bekam er den Mund allerdings nicht auf. ,,Kannst du mir mal sagen, was zum Teufel ihr hier veranstaltet? Seid ihr... bist du... bist du etwa bekifft, Madame? Ich fass es ja nicht!", sie packte mich am Kinn und zwang mich jetzt dazu, sie anzusehen. Scheiße. ,,Frank jetzt guck dir das an, ich kann das nicht glauben. Bist du komplett bescheuert?", klasse. Jetzt bekam ich wohl den Anschiss meines Lebens.
,,Du hast versprochen auf deine Schwester aufzupassen, wir haben dir vertraut und was machst du? Du lädst irgendeinen asozialen in unser Haus ein und kiffst? Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll! Drogen, Nala, du nimmst Drogen!", schrie sie mich an, aber alles, was ich machte, war die Augen zu verdrehen. Ich verstand überhaupt nicht, warum sie so einen Aufstand machte. Kiffen war doch halb so schlimm, ich bekam noch alles mit und ich hatte vorallem alles im Griff. Die Party lief doch und es lag keiner kotzend im Gebüsch.

Und warum zur Hölle wurde sie direkt beleidigend? Fiel ihr nichts besseres ein? Sie sollte ihn doch da raus lassen. ,,Chill mal! Celal ist sicher nicht asozial und er hat mich zu nichts gezwungen, das war meine freie Entscheidung!"
,,Hat er das Zeug in mein Haus geschleppt?", fragte sie und sah zwischen ihm und mir hin und her. ,,Ist das auf deinen Mist gewachsen? Verstehst du überhaupt, was ich hier sage?" ,,Ich bin weder geistig behindert, noch taub, also ja, ich verstehe Sie sehr gut, Frau Hofmann. Ich habe-" ,,Er hat gar nichts. Das Gras war von mir, okay?", unterbrach ich ihn und auch wenn ich seinen verwirrten Blick auf mir spürte, hatte ich nicht vor meine Geschichte zu ändern. Meine Mutte schnappte nach Luft und blickte hilfesuchend zu meinem Vater, der jetzt nur den Kopf schüttelte. Ich konnte seine Gedanken förmlich hören. <Ich bin so enttäuscht von dir. Ich hätte nie gedacht, dass du sowas machst>, yadda, yadda.

,,Spinnst du jetzt völlig? Du konsumierst nicht nur Drogen, sondern kaufst sie auch noch? Weißt du eigentlich, was du da tust? Ist dir klar, dass das illegal ist? Das du dafür bestraft werden könntest? Denkst du auch mal an deine Zukunft? An deine Gesundheit?", redete sie auf mich ein, aber ich konnte ihr kaum folgen, schaltete irgendwann ab, weil ich eh schon wusste, was sie sagen wollte.
Mir war auch bewusst, dass ich mich mit meiner Lüge nur noch mehr in die scheiße geritten hatte, aber so hatte ich zumindest sicher stellen können, dass Celal keinen Ärger bekommen würde. Ich wollte das einfach nicht. Ich wollte nicht, dass meine Eltern ihn womöglich noch anzeigten und ihm seine Zukunft verbauten, die auf der neuen Schule so gut begonnen hatte. Das konnte ich nicht zulassen, nicht wegen einem verdammten Joint. Außerdem fand ich nicht, dass ihn mehr Schuld traf wie mich. Er hatte das Gras zwar mitgebracht, aber ich hätte es nicht rauchen müssen. Und ich hätte auch nicht zulassen müssen, dass er es tat.

,,Ich geh mal gucken ob draußen alles in Ordnung ist", hörte ich meinen Vater murmeln und beobachtete, wie er meiner Mom kurz über den Rücken strich. Tolle Unterstützung. Warum war er gerade so ein Weichei? ,,Mach das... und ich begleite den jungen Mann hier mal zur Tür!", beschloss meine Mutter und packte Celal am Arm, der sich gleich losriss. Seine Miene verdunkelte sich und für einen Moment hatte ich Angst, dass die ganze Sache hier eskalieren würde.
,,Ich finde schon alleine zur Tür, ich brauche Ihre Hilfe nicht und anfassen müssen Sie mich schon mal gar nicht!", erwiderte er gereizt, doch anstatt sich sofort in Richtung Tür zu bewegen, drehte er sich nochmal zu mir und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. ,,Danke!", flüsterte er mir ins Ohr, ehe er dann an meiner Mutter vorbei lief. Allerdings nicht ohne sie noch einmal mit einem wütenden Blick zu strafen.

Hatte mein Herz gerade kurz ausgesetzt? Und war das dem Gras zu verschulden oder seinen Lippen an meiner Wange? Perplex sah ich ihm hinterher, während meine Mom noch immer wütete. Sie murmelte irgendwas vor sich hin und ich stand hier wie angewurzelt. ,,Ich hoffe dir ist klar, dass das letzte Wort darüber noch nicht gesprochen ist und das du die nächsten Wochen das Haus nur verlassen wirst, um zur Schule zu gehen!", bla bla bla. War das jetzt ihr ernst? Was hatte die Strafe bitte mit meiner Tat zutun?
In Sozialwissenschaften hatte ich gelernt, dass logische Konsequenzen viel besser halfen, als unsinnige Strafen. Aber hey, ich hatte doch eh nichts falsch gemacht, also war das sowieso alles total bescheuert. Mein Gott, ich hatte einen Joint geraucht, wollten sie mich jetzt bei lebendigem Leib am Pfahl verbrennen oder was? Die sollten sich mal nicht so aufregen und die Sache schlimmer machen, als sie war. Ich für meinen Teil fand das lächerlich und schämte mich schon fast fremd.

,,Ja, schon klar. Mein Gott, spiel dich doch hier nicht so auf!", langsam reichte es mir. Musste ich mich wirklich so behandeln lassen? Im nächsten Moment stampfte sie wütend auf mich zu und plötzlich traf mich eine schallende Ohrfeige. Meine Wange begann augenblicklich zu brennen und für einen Moment glaubte ich, die linke Gesichtshälfte kaum noch spüren zu können. Hatte sie das gerade wirklich getan? Hatte sie mich geschlagen? Geschockt hielt ich mir die Wange, während tausend Gedanken durch meinen Kopf rasten, die ich nicht ordnen konnte. Noch nie waren meine Eltern handgreiflich geworden... und jetzt schlug sie wegen so einem Mist einfach zu? ,,Nala..."

Gott, sie sollte doch einfach die Klappe halten. Ich brauchte noch einen Moment, aber dann war ich wieder Herr meiner Sinne und schaffte es, mich in Bewegung zu setzen. Am liebsten wäre ich einfach abgehauen, weit weg von hier... Aber ich hatte Angst, alles noch schlimmer zu machen, weswegen ich lediglich die Treppen nach oben rannte und schließlich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir zuschlug. Ich konnte einfach nicht glauben, was gerade passiert war.

Alles türkisch, oder was?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt