Kapitel 6

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Mit zwei Gläsern voll eiskaltem Zitroneneistee trat ich zurück auf die gepflasterte Terrasse und setzte mich wieder an den Tisch, der dank dem großen Sonnenschirm ein wenig Schatten spendete. Einen Moment ließ ich meinen Blick durch den Garten wandern. Der Rasen war frisch gemäht, die paar wenigen Blumen blühten in ihren Kübeln und der Pool lud mit dem sauberen, glitzernden Wasser zum reinspringen ein. Aber nein... wir mussten pauken. Das war die reinste Folter! Sicher hätten wir das Ganze auch abblasen können, schließlich hatten wir noch etwas über eine Woche Zeit, bevor alles fertig sein musste, aber wie hieß es so schön? Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!

Zunächst zeigte Celal mir die Powerpoint Präsentation, die er vorbereitet hatte und die war sogar ganz gut gelungen. Auf jeden Fall würde sie den Vortrag unterstützen und vielleicht sogar auch mal davon ablenken, wenn wir uns verhaspelten. Wir änderten nur Kleinigkeiten und fügten später noch was hinzu, als unser Vortrag Form annahm. Wir schafften es tatsächlich eine ganze Weile konzentriert zu arbeiten und so konnten wir die schriftliche Ausarbeitung des Referats schon mal fertig stellen. ,,Ich würde sagen dann müssen wir nur noch gucken wer welchen Teil übernimmt und uns die wichtigsten Punkte rausschreiben, für den Fall, dass wir nicht mehr weiter wissen. Das Handout mache ich die Woche noch fertig und schick dir das dann auch nochmal. Vier Augen sehen bekanntlich mehr als zwei... oder so!", grinste ich und griff nach meinem Glas.

Der Eistee war zwar inzwischen warm, aber das machte auch nichts. Viel wichtiger war, dass wir so weit gekommen waren, während andere aus dem Kurs noch nicht mal angefangen hatten. Ich hatte mich die Tage extra mal ein wenig umgehört um die Konkurrenz abzuchecken aber wir hatten die Nase vorn. Hoffentlich sah Frau Lange das auch so, wenn alle Referate gehalten waren. Eine zwei wäre schon ziemlich cool gewesen. Und vorallem verdient.
,,Gut, dann dürfen wir nur unseren großen Auftritt nicht verkacken. Du fängst doch nicht an rumzustottern, wenn du vor der Klasse stehst, oder?", wollte er von mir wissen, aber ich schüttelte den Kopf. Natürlich war ich ein bisschen nervös, aber eigentlich konnte ich relativ gut frei sprechen. Vor ein paar Jahren hatte das noch anders ausgesehen, da hatte ich immer zitternd mit meinem Zettel in der Hand da vorne gestanden und gefühlte tausend mal "Ähh" gesagt... aber mit der Pubertät hatte ich Gott sei Dank ein wenig an Selbstbewusstsein dazu gewonnen.

,,Gut, ich hatte nämlich mal eine in der Klasse die umgekippt ist, weil sie ein Referat halten musste!", die Erinnerung an diese Szene schien ihn prächtig zu amüsieren und auch ich erwischte mich dabei, wie ich leise lachte. Jaja, man hätte jetzt die Moralkeule schwingen und sagen können, dass das nicht in Ordnung war, aber wer lachte über sowas nicht? ,,Ernsthaft? Die stand dann da vorne und auf einmal war die weg oder was?", ich wollte die Szene einfach besser verstehen. Wenn schon lachen, dann auch richtig. ,,Jaa also die musste nach vorne, hat angefangen das Referat zu halten, voll am rumstottern und so und auf einmal verdreht die die Augen und man hört nur noch so ein Klatschen. Dann lag die da! Ich schwöre wir konnten nicht mehr und unsere Lehrerin ist richtig krass abgegangen, von wegen wir sollten doch helfen und nicht lachen. Mega asozial und wir haben dann ja auch geholfen, aber in dem Moment war das einfach trotzdem lustig!", er hielt sich vor Lachen den Bauch, nur um dann schließlich tief durchzuatmen.

,,Das wird einfach nie nicht witzig sein! Aber gut, ich wollte nur sicher gehen, dass uns sowas erspart bleibt. Dann kann ich ja beruhigt in unser Referat starten! Ich sollte jetzt auch wieder fahren, muss meine Schwester noch abholen und so'n Kram!", Celal seufzte, fuhr dann seinen Laptop herunter und suchte seine Sachen zusammen, was ich ihm gleich tat. ,,Oh ja! Nicht das du die auch noch warten lässt", so ganz hatte ich mir diese Neckerei halt nicht verkneifen können. ,,Die würde zumindest verstehen warum!" ,,Hey, ich jetzt auch. Hatte ja guten Aufklärungsunterricht", erwiderte ich, während ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich und dann aufstand. ,,Hast ja auch den besten Lehrer, was will man mehr?", überzeugt von sich selbst grinste er mich an und klemmte sich sein Zeug unter den Arm, ehe ich ihn zur Tür brachte und mich von ihm verabschiedete.

Ich war echt froh, dass wir uns doch noch zusammengerauft hatten, denn Celal war definitiv ein netter, intelligenter Kerl mit Humor. Ich hatte anfangs befürchtet, dass das Ganze anders laufen würde und echt alles an mir hängen blieb, aber er hatte sich wirklich ins Zeug gelegt... das hieß gleichzeitig auch, dass ich mir dem Handout wohl echt Mühe geben musste, ich wollte ihn jetzt schließlich auch nicht hängen lassen. Das wäre nicht fair gewesen... und außerdem würde meine Note ja auch darunter leiden.

,,Mein Gott, ist der endlich weg? Was habt ihr denn hier gemacht?", die Stimme meiner Schwester erklang von der Tür zur Terrasse, während ich dabei war die Gläser vom Tisch zu nehmen, um sie in die Küche zu bringen. ,,Wieso meint eigentlich jeder, uns irgendwas unterstellen zu wollen? Wir bereiten ein verdammtes Referat vor! Und was ist eigentlich dein Problem? Du warst doch drin und hast deine Kinderparty organisiert!", motzte ich, denn gerade kotzte mich ihre Art echt an. Wir hatten sie in keinster Weise gestört und trotzdem zickte sie rum? Das war typisch für meine kleine Schwester.

Sie sah aus wie ein Engel mit ihren blonden Haaren und den grünen, unschuldigen Augen, aber sie konnte echt ein Biest sein. Ich versuchte das immer mit der Pubertät zu entschuldigen, aber manchmal war das schon echt extrem und ich fragte mich, ob ich in der schlimmsten Zeit auch so gewesen war. Sicher, ich war 17 und damit vielleicht auch noch nicht ganz durch damit, aber zumindest aus dem Gröbsten raus. Aber das Prinzesschen hier konnte ganz schön loslegen. So gut ich mich auch mit ihr verstand, aber desto heftiger konnte es ab und zu auch zwischen uns krachen. Wir waren eben beide ganz schön temperamentvoll.

,,Kinderparty? Willst du mich verarschen?" ,,Boah Mila, ich hab' gerade echt andere Sorgen, okay?", ich verdrehte entnervt die Augen und quetschte mich an ihr vorbei, um ins Haus zu gelangen. ,,Ich will nur mal klarstellen, dass ich ganz sicher keine Kinderparty plane!", rief sie und folgte mir kurz darauf in die Küche, wo ich die Gläser in die Spülmaschine stellte. Schon praktisch so ein Teil. Ob ich meine Schwester auch da reinstopfen konnte? Klein genug war sie mit Sicherheit... und vielleicht hielt sie dann die Klappe. Hmm... ,,Und was gibt es da jetzt zu grinsen?", empört stemmte sie die Hände in die Hüften, während ich erst einen Moment später checkte, dass sie mich meinte. Oh, da hatte ich mir die Szene mit Mila und dem Geschirrspüler wohl etwas zu bildlich vorgestellt. ,,Schon gut, sorry. Wie auch immer... wenn es dir dann besser geht, dann wird es halt keine Kinderparty, zufrieden?"

,,Ja!", ihre Nase schnellte in die Höhe und von der einen auf die andere Sekunde, wechselte sie dann wieder von arrogant zu der lieben, kleinen Mila. ,,Was schenkst du mir eigentlich?" ,,Anti Zicken Spray, damit ich sowas wie gerade nicht wieder ertragen muss!", ich grinste triumphierend und verpasste ihr im Vorbeigehen einen Klaps auf den Hintern, ehe mich auf den Weg nach oben in mein Zimmer machte.

Alles türkisch, oder was?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt