,,Und sie hat echt-" ,,Ja!", fiel ich Marco genervt ins Wort, der mit mir am Montagmorgen auf dem Schulhof saß. Ich hatte das Wochenende tatsächlich überlebt, auch wenn ich gestern Morgen noch eine Standpauke über mich hatte ergehen lassen müssen. Ich fand es ziemlich beschissen, dass sie immernoch auf dem Joint Ding rumritten, meine Mutter es aber nicht geschafft hatte, sich bei mir wegen der Ohrfeige zu entschuldigen. Sie tat einfach so, als sei das nie passiert. Vielleicht würde sie irgendwann behaupten ich hatte mir das in meinem Rausch nur eingebildet.
Ich war immernoch geschockt, denn bisher war das Verhältnis zu meinen Eltern immer in Ordnung gewesen. Das sie keine Freudentänze aufführten, weil ihre Tochter high war und das Zeug angeblich auch noch selber gekauft hatte, war mir natürlich auch klar... aber das ich eine Ohrfeige verpasst bekam war für mich einfach unbegreiflich und eigentlich auch gar nicht zu entschuldigen.
,,Das ist echt krass. Aber warum hast du denn überhaupt gekifft? Ich meine... immer wenn wir dir das angeboten haben, hast du abgelehnt!"
,,Man keine Ahnung, ich war angetrunken und dann habe ich einfach gedacht 'Fuck it'", versuchte ich zu erklären und war gleichzeitig froh, dass meine Eltern nicht auch noch gemerkt hatten, dass ich gesoffen hatte. Vielleicht hätte sie mir dann gleich einen Kinnhaken verpasst oder so. Ich wollte mir das gar nicht weiter ausmalen.
,,Hm. Ich meine, ich mach dir ja keine Vorwürfe oder so, aber... hast du das nur wegen Celal gemacht?"Ich zuckte mit den Schultern und fuhr mir verlegen durch die blonden Haare. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Ich wusste es nicht so genau. Ich war ja eigentlich schon immer neugierig gewesen und am Samstag hatte es einfach gepasst. War ja auch egal, wenn dann musste ich mich nur vor mir rechtfertigen.
,,Und warum zur Hölle erzählst du, das DU das Zeug gekauft hast?", verständnislos blickte er mich an und runzelte die Stirn. ,,Man, weißt du was meine Eltern mit ihm gemacht hätten? Die hätten ihn ans Kreuz genagelt und dann noch gesteinigt oder so! Er hatte auf seiner alten Schule echt Probleme und hier hat alles gut angefangen. Stell mal vor die hätten ihn angezeigt oder sonst was, das hätte hier vielleicht die Runde gemacht, und dann? Hätte ich das zulassen sollen? Wo wir doch beide Schuld hatten? Das wäre eine mega miese Nummer gewesen!", während er auf einer Bank saß, tigerte ich nervös hin und her. Ich war immernoch total aufgebracht und durch den Wind.Nach der Standpauke hatte keiner mehr mit mir gesprochen, weder mein Vater, noch meine Mutter und auch Mila hatte die Klappe nicht aufbekommen. Ich wusste nicht, ob sie ihr gesagt hatten, was vorgefallen war, aber sie war auf jeden Fall sauer. Vielleicht tat sie das auch nur, um bei unseren Eltern nicht in Ungnade zu fallen. War mir auch egal, ich würde mir das aber auf jeden Fall merken und bei der ersten passenden Gelegenheit, würde das kleine Miststück es doppelt so schlimm zurück bekommen. ,,Stimmt natürlich auch wieder. Wenn ich mal mit ihnen reden soll..." ,,Nein, lass mal, sonst hassen sie dich auch noch, aber danke!", ich lächelte und wuschelte Marco durch die Haare, der sofort wortlos damit begann, sie wieder zu ordnen. ,,Wenn du sonst irgendwas brauchst, sag bescheid, ruf an... Du weißt, dass ich immer für dich da bin!" ,,Ja und dafür liebe ich dich, du bist der Beste! Aber jetzt lass uns reingehen, ich will nicht auch noch zu spät zum Unterricht kommen und mir den nächsten Ärger einhandeln!", brummte ich und zog ihn an den Armen von seiner Sitzgelegenheit.
Gemeinsam gingen wir ins Gebäude und wie immer trennten sich unsere Wege am Montagmorgen. Geschichte. Seufzend betrat ich den Klassenraum und lief an meinen Mitschülern vorbei, die jetzt schon viel weniger aufgeweckt und motiviert wirkten, wie noch am ersten Montag nach den Ferien. Trotzdem herrschte eine gewisse Lautstärke, die mich nervte, aber ich versuchte ungeachtet dessen freundlich zu bleiben, murmelte einigen ein "Guten Morgen" entgegen, bevor ich mich auf meinen Platz setzte und meine Schulsachen aus der Tasche holte.
Ich hatte gerade alles rausgekramt, als Celal durch die Tür kam. Er wirkte auch irgendwie ziemlich fertig und ich musste feststellen, dass ich ihn genauso attraktiv fand wie am Samstag. Ob ich immernoch high war? Der Gedanke ließ mich schmunzeln, so scheiße gerade auch alles war. Ich machte platz, rutschte ein Stück zur Seite, aber dann lief er einfach an mir vorbei und ließ sich eine Reihe vor mir neben Dominik fallen. Ich blinzelte perplex und versuchte zu verstehen, was das jetzt zu bedeuten hatte. War er blind? Hatte er mich nicht hier sitzen sehen? Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte ihn gefragt, was mit ihm nicht stimmte, aber Frau Lange machte mir einen Strich durch die Rechnung.Ich musste also 90 Minuten warten, in denen ich mich kein bisschen auf den Unterricht hatte konzentrieren können. Die ganze Zeit fragte ich mich, was los war. Er hatte mich ja nicht mal begrüßt, geschweige denn angesehen. Als wäre ich Luft. Genauso hatten mich meine Eltern gestern den ganzen Tag nach unserem "pädagogisch wertvollen" Gespräch behandelt. Ich hatte ihm doch nichts getan, verdammt! Kaum hatte die Lange den Unterricht beendet, stopfte ich mein Schulzeug in meine Tasche und sprang auf. Ich fasste Celal am Arm, der mich darauf hin ansah, allerdings nur für eine Sekunde, denn dann konzentrierte er sich darauf, ebenfalls seinen Block und das Mäppchen in seinem Rucksack verschwinden zu lassen.
,,Hey..." ,,Hi", war seine knappe Antwort und mein Magen zog sich augenblicklich zusammen. ,,Ist alles okay?" ,,Ja, warum?", warum? War das sein ernst? Er wollte mir jetzt nicht erzählen, dass er nicht verstand, weshalb ich ihn das fragte, oder? ,,Ähhh weil du mich gerade behandelt hast, als würde ich nicht existieren?" ,,Nur weil ich mich woanders hingesetzt habe?", fragte er und lachte höhnisch auf. ,,Entspann dich mal", ich sollte mich entspannen? Wer verhielt sich denn auf einmal total komisch? Wer war plötzlich wie ausgewechselt? Wahrscheinlich hatte Celal einen Zwilling oder so, anders konnte ich mir das nicht erklären. Oder ich würde wirklich die Theorie mit der Shizophrenie weiter verfolgen müssen. Hätte mir das hier nicht solche Bauchschmerzen bereitet, hätte ich vielleicht sogar darüber lachen können.
Er wollte an mir vorbeigehen, aber wieder hielt ich ihn fest. ,,Celal, ich-" ,,Nala, nerv nicht. Ich muss 'n Buch aus meinem Auto holen, also darf ich jetzt gehen oder was?", fragte er mich und klang dabei mehr als genervt. Was hatte ich denn bitte falsch gemacht? Konnte er mir das nicht einfach sagen? Aber so stand ich hier wie die dümmste Tussi der Welt und blickte ihn nur reglos an, ehe er sich aus meinem Griff löste, seinen Rucksack schulterte und den Klassenraum verließ. Ich blieb sprachlos zurück und verstand die Welt nicht mehr. Hatten sich jetzt etwa alle gegen mich verschworen? War ich unwissend bei "Verstehen sie Spaß?" gelandet? Wenn ja, wo blieb dann Guido Cantz und das Kamerateam?
Mir stiegen Tränen in die Augen, während ich den Kopf schüttelte und krampfhaft versuchte nicht loszuheulen. Ich würde nicht zulassen, dass mich meine Eltern oder dieser Vollidiot fertig machten. Das hatte ich nicht verdient. Ich war vielleicht nicht perfekt und machte meine Fehler, aber es taten ja gerade alle so, als sei ich eine Schwerverbrecherin. Gerade bei Celal konnte ich das einfach nicht nachvollziehen. Ich hatte ihn verdammt nochmal vor meinen Eltern in Schutz genommen und mir mehr Ärger als nötig eingehandelt. Er hatte sich doch sogar noch bei mir bedankt und hatte kein bisschen sauer oder komisch gewirkt, als er gegangen war. Oder konnte man ein "Danke" und einen Kuss auf die Wange wirklich so falsch deuten? Ich war vielleicht blond, aber ich konnte wohl noch zwischen sauer und dankbar unterscheiden.Ich fächerte mir selbst ein wenig Luft zu, atmete tief durch und trat schließlich erhobenen Hauptes auf den Flur. Ganz nach dem Motto "Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen".
Ich stand irgendwie den Rest des Tages durch, heulte mich bei Emily, Sophie und Marco aus, die sich auch keinen Reim auf Celals Verhalten machen konnten, aber das zeigte ja zumindest, dass ich nicht vollkommen durchdrehte und den Verstand verlor. Zu Hause verschanzte ich mich direkt wieder in meinem Zimmer, was ich jetzt schon nicht mehr sehen konnte. Ich hatte das Gefühl, dass die Wände immer näher kamen und mich irgendwann erdrücken würden. Eigentlich mochte ich mein Zimmer. Es war der reinste Mädchentraum. Gegenüber von der Tür stand das große Bett mit weißer Blümchenbettwäsche. Links und rechts daneben ein Nachttisch, auf dem sich gerade alles mögliche befand. Ladekabel, Schokolade, Schmuck, ein Buch, welches ich seit Wochen nicht angerührt hate.... und frisch gepresster Orangensaft (wenn ich schon eingesperrt war, wie im Knast, wollte ich zumindest auf meine Ernährung achten... naja, so halbwegs). Neben der Tür befand sich eine Kommode, auf der mein Fernseher und der DVD Player platz gefunden hatte.
Auf der Seite rechts neben meinem Bett stand ein Schreibtisch, den ich inzwischen aber eigentlich zum Schminktisch umfunktioniert hatte.
Angrenzend konnte man meinen Kleiderschrank finden, der aus allen Nähten platzte. In den Türen befanden sich große Spiegel, in denen ich morgens dann mein Outfit checken konnte. Das Fenster war, ebenso wie die Kopflehne meines Bettes, mit einer Lichterkette geschmückt und ansonsten fand man natürlich auch den üblichen Dekokram wie Teelichter, Blümchen und so weiter. Generell war mein Zimmer sehr hell und freundlich gehalten, alle Möbel waren aus weißem Holz, auf dem Boden war dunkler Parkett gelegt worden und für den Gemütlichkeitsfaktor hatte ich mir vor ein paar Wochen noch einen (fake) flokati Teppich gegönnt, der vor meinem Bett lag. Theoretisch hielt man es hier drin also gut aus, was es schlimm machte war wohl eher die Tatsache, dass man hier eingesperrt war. Sicher, ich hätte mich auch ins Wohnzimmer setzen können, aber ich hatte echt keinen Bock auf böse Blicke und unangenehmes Schweigen. Wahrscheinlich würde ich es hier nicht lange aushalten, ohne früher oder später auszurasten. Der Countdown lief.
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Alles türkisch, oder was?
RomanceNala Hofmann ist ein ganz gewöhnliches, 17-jähriges Mädchen, welches wohlbehütet in Berlin Zehlendorf aufwächst. Bisher hat sie geglaubt, dass ihr Umfeld offen und tolerant sei, doch als sie den Deutschtürken Celal kennenlernt und ihm näher kommt, m...