Alles türkisch, oder was?

Kapitel 24

Ich konnte gar nicht beschreiben, wie schwer es mir gefallen war, ihn am Abend gehen zu lassen, aber wir hatten einfach nicht riskieren wollen, von meinen Eltern erwischt zu werden und wieder Streit zu provozieren. So hatten wir uns noch zwei Filme angesehen, Pizza und Eis gegessen und ein wenig später war er nach Hause gefahren.... Gut, wir hatten noch ungefähr zwanzig Minuten in der Auffahrt gestanden und uns geküsst, aber das tat ja nichts zur Sache... für mich zumindest nicht.

Anschließend hatte ich noch die Spuren wie Pizzakartons und die Handtücher verschwinden lassen und war dann ins Bett gegangen, auch wenn ich nicht schlafen konnte. Meine Gedanken kreisten nur um ihn und naja... ab und zu hatte ich auch die Worte von Sophie und Emilia wieder im Kopf, selbst wenn ich dagegen ankämpfte. Es war mir schwer gefallen, ihm nicht davon zu erzählen, aber ich hielt es für das Beste. Er kannte die Beiden nicht einmal, da musste ich ihn nicht mit dem Scheiß belasten, den sie verzapften. Ich hoffte wirklich, dass sie ihre Meinung noch änderten, denn ich wollte sie nicht verlieren... aber ich konnte auch nicht mit ihnen befreundet sein, wenn sie so über meinen Freund dachten.
Klar war, dass wir definitiv nochmal über die ganze Sache sprechen mussten, nur konnte ich mir gerade noch nicht vorstellen, auf sie zuzugehen. Sie hatten den Mist gebaut, das Problem war aber, dass sie das wohl nicht verstanden. In ihren Augen hatten sie sicher nichts falsch gemacht. Und wahrscheinlich lohnte es sich somit erst gar nicht, überhaupt darüber zu diskutieren. Sie sollten ruhig erstmal merken, dass ich wirklich sauer war und das dass gestern nicht nur eine Laune gewesen war, die schnell wieder verflog.

Den gesamten Montag ignorierte ich sie in der Schule, dafür erzählte ich Marco von dem Vorfall, als wir am Nachmittag in meinem Zimmer saßen. Er hatte versprochen mit mir für die nächste Matheklausur zu lernen und mir ein wenig zu helfen, denn alleine checkte ich die Aufgaben nur sehr, sehr selten. Wenn ich aber einmal den richtigen Denkanstoß erhielt, klappte es einigermaßen. Bis jetzt waren wir allerdings noch nicht dazu gekommen, auch nur ansatzweise über Mathe zu sprechen. Zwar lagen unsere Unterlagen vor uns, aber ich konnte nicht aufhören, mich über meine eigentlich besten Freundinnen aufzuregen.
,,Ich meine... kannst du glauben, dass die das ernst gemeint haben?"
,,Nein, aber-"
,,Nicht jeder Ausländer ist besitzergreifend, gewalttätig oder sonst was, wenn ich so einen Scheiß schon höre, könnte ich kotzen!", regte ich mich lauthals auf und schmiss meinen Bleistift auf das Mathebuch.

,,Vielleicht solltest du einfach nochmal mit ihnen reden...", das Marco die Ruhe in Person war, machte die Sache für mich nicht wirklich angenehmer und ich fragte mich, ob er die Sache halb so schlimm fand. Übertrieb ich? Nein, ganz sicher nicht. Die Beiden hatten keine halbherzige Äußerung getätigt, die sie eigentlich gar nicht so meinten... nein, es war beleidigend und diskriminierend gewesen.
,,Habe ich ja auch vor, aber erstmal lass ich die zappeln! Und selbst wenn ich mit ihnen rede, denkst du das ändert was? Die haben doch eh ihre Meinung! Du denkst doch nicht auch so, oder?", fragte ich und sah ihn Gott sei Dank den Kopf schütteln.
,,Ne, bist du verrückt? Ich kenne ihn schon länger und ich hab zwar keine Ahnung, wie er bisher mit Frauen umgegangen ist, aber er scheint mir nicht so der Typ für Schläge und Eifersüchteleien zu sein", na immerhin war er auf meiner Seite. Hätte Marco jetzt auch noch angefangen, grundlos auf Celal herumzuhacken, wäre ich wahrscheinlich wahnsinnig geworden.

,,Das ist doch auch dumm! Die werfen einfach mit Klischees um sich und stecken alle in eine Schublade, das ist unfair! Wenn es jetzt irgendwelche Anhaltspunkte dafür geben würde, oder es irgendeine Ex gäbe, die sowas rumerzählt, okay... dann könnte ich ihre Sorge ja noch verstehen, aber sie haben noch nicht ein Wort mit ihm gewechselt und meinen er wird auf jeden Fall so handeln, weil er Türke ist! Es sind doch nicht alle gleich und solche Eigenschaften haben absolut nichts mit der Herkunft zutun!", ich seufzte leise und stand von meinem Bett auf, um mal wieder in meinem Zimmer hin und her zu laufen. Das war so ein Tick von mir... wenn ich mich aufregte oder telefonierte, musste ich mich bewegen.
,,Ich stimme dir da generell zu, aber du musst auch zugeben, dass man in der Presse öfter von Beziehungstaten oder Ehrenmorden liest und dann sind das schon oft Südländer. Die Kultur ist halt nicht so wie bei uns, also einige Verhaltensweisen sind sicher irgendwie Kulturbedingt!", Marco blickte zu mir, während er mit seinem Kuli auf dem Mathebuch herumzutrommeln begann. Das war auch das Einzige, wozu das Teil gut war.