Ich verstand das nicht. Ich konnte einfach keinen Sinn in Celals zwiespältigen Handeln erkennen. Einerseits ließ er mich immer wieder spüren, wie wütend er auf mich war, beleidigte mich und sagte mir, dass ich für ihn nicht mehr existierte. Und doch tauchte er immer wieder in meiner Nähe auf, fing Gespräche an und versuchte mir irgedwelche Dinge einzureden oder so zu tun, als würde er sich ernsthaft noch dafür interessieren, was mit mir passierte.
Letztendlich hatte ich den Tisch doch an Kim abgegeben, eine liebe Kollegin, der ich kurz und knapp erklärt hatte, worum es ging. Das mein Ex-Freund dort saß und ich ihm lieber aus dem Weg gehen wollte. Sie hatte es sofort verstanden und mir aus der Klemme geholfen. Trotzdem war ich froh, als ich schließlich meine Kellnertasche und meine Schürze ablegen konnte und Feierabend hatte.John und ich waren auf dem Weg zu irgendeinem Ort, den er mir nicht verraten wollte, während ich noch immer in Gedanken bei Celal hing. Meine Laune besserte das nicht. Ganz im Gegenteil. Ich wollte nicht über ihn nachdenken und doch hatte er es mit seinem Auftritt wieder geschafft, sich in mein Bewusstsein zu drängen.
Die ganze Zeit über musterte mich John, als versuche er herauszufinden, was mit mir nicht stimmte, denn noch hatte ich ihm nichts davon erzählt. Ich wollte es auch eigentlich nur vergessen, aber vielleicht würde es mir ja doch helfen, wenn ich aussprach, was passiert war. Gerade hatte ich aber nicht die Luft dazu, denn wir schoben unsere Fahrräder eine Erhebung in Berlin hoch, die andere vielleicht als Berg bezeichnet hätten, aber sowas gab es hier natürlich nicht.
An seinem Fahrrad hing eine recht große, schwarze Tasche und ich glaubte zu wissen, was er vorhatte.
,,Ich dachte ich habe Feierabend! So haben wir aber nicht gewettet. Hätte ich gewusst, dass ich mich hier einen Berg... sorry... eine Erhebung hochschleppen muss, mit dem Fahrrad, hätte ich niemals zugestimmt!", stöhnte ich und hörte ihn lachen.
,,Genau deswegen habe ich die Klappe gehalten! Jetzt heul nicht rum, es wird sich lohnen, glaub mir"
Ich grummelte leise vor mich hin und hoffte, dass er recht behielt, während ich weiter hinter ihm her lief. Der steinige Weg knirschte unter unseren Schuhen und es war staubig, weil es seit Tagen nicht geregnet hatte. Der Sommer war so richtig angekommen und ich hoffte, dass er auch noch eine Weile blieb. Der Sommer war definitiv meine liebste Jahreszeit. Ich liebte die Sonne und das Wasser, die langen Nächte, grillen, Partys im Freien und die dazugehörigen kalten Getränke. Es gab einfach nichts besseres.,,Und? Habe ich zu viel versprochen?", John blieb stehen und ich hob meinen Blick. Bisher hatte ich angestrengt auf den Boden gestarrt, um nicht noch über einen Stein oder einen Ast zu stolpern. Hier oben war der Boden aber eh mit Gras bewachsen, hier und da ragten ein paar Gänseblümchen und Kleeblätter über die Grashalme. Die Sonne stand tief und tauchte den Himmel in orange. Ab und zu ging leichter Wind, was nach der Anstrengung wirklich gut tat.
Ich sah mich um und stockte, als ich bemerkte, dass man von hier oben einen wunderbaren Blick über Berlin hatte. Grüne Felder, unzählige Häuser... die Welt lag einem zu Füßen. Und es war still. Man war weit weg von schreienden Kindern, hupenden Autos und laut plappernden Menschen. Lediglich der Wind und ein paar Vögel waren zu hören.
,,Wow, ich habe Berlin noch nie so gesehen!", murmelte ich und trat an den Rand des kleinen Berges, um noch mehr sehen zu können. Vereinzelt standen einige Holzbänke im Gras, die mit Namen und Daten bemalt waren, sonst jedoch verlassen waren. Wir waren hier ganz alleine und ich fragte mich, ob wirklich so wenige Leute von diesem Ort wussten.
Es war einfach wunderschön und würde in Zukunft ganz sicher zu einem meiner Lieblingsplätze in Berlin werden.
Einen Moment stand ich einfach nur da, ließ meinen Blick auf der Aussicht ruhen. In diesem Augenblick fühlte es sich so an, als sei alles wieder okay. Als würde mein Leben nicht gerade im totalen Chaos versinken. Am liebsten hätte ich diesen Moment hier noch eine ganze Weile festgehalten, die Zeit gestoppt, aber Murphy räusperte sich und ich blickte zu ihm.
Er hatte eine rot-weiße Picknickdecke ausgebreitet, Sandwiches, Chips, Bier und Cola bereit gestellt, was mich lachen ließ. Es hatte noch nie jemand ein Picknick für mich vorbereitet und ich fühlte mich geehrt, auch wenn es mich gleichzeitig traurig stimmte. Das hier fühlte sich falsch an. John war wirklich nett und ja, er sah gut aus. Die blauen Augen, das geheimnisvolle Lächeln und sein muskulöser Körper konnten einen schon ins Schwärmen bringen, aber trotzdem war er nicht der Richtige.
Celal hätte hier sein sollen... eigentlich. Aber das hatte ich mir versaut... und naja, Celal trug in letzter Zeit auch seinen Teil dazu bei.
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Alles türkisch, oder was?
RomanceNala Hofmann ist ein ganz gewöhnliches, 17-jähriges Mädchen, welches wohlbehütet in Berlin Zehlendorf aufwächst. Bisher hat sie geglaubt, dass ihr Umfeld offen und tolerant sei, doch als sie den Deutschtürken Celal kennenlernt und ihm näher kommt, m...