Kapitel 28

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Natürlich waren meine Eltern schon wach, aber wir hatten das Glück, dass sie damit beschäftigt waren, Kaffee zu kochen und die frischen Brötchen aufzuschneiden und so konnte Celal durch den Garten verschwinden, nachdem ich ihm noch eine Kopfschmerztablette hatte geben müssen.
Während er sich also vom Grundstück schlich, ging ich in die Küche, um die Zwei noch ein wenig mehr abzulenken und sicher zu gehen, dass nicht wieder irgendwer etwas durch dieses bescheuerte Fenster sah.
,,Guten Morgeeeen"
,,Morgen Schatz, na wie war's gestern?"
,,Ähh gut... ziemlich gut!", lächelte ich und ging weiter zum Kühlschrank, aus welchem ich die Milch holte... und vorsichtshalber nochmal einen Blick aus dem Fenster warf, wo er gerade um die Ecke bog und aus meinem Sichtfeld verschwand. Geschafft!
,,Schön, kannst du mal Mila wecken gehen, dann könnten wir alle zusammen frühstücken"

Eine Viertelstunde später saßen wir dann tatsächlich als komplette Familie am Esstisch und Mila erzählte von ihrem gestrigen Kinobesuch mit Freundinnen, während mein Vater die Zeitung las und ich an meinem Croissant herumknabberte. ,,Naja und dann hat Jana mir mein Popcorn bezahlt, ich schulde ihr also drei Euro oder so", wie spaaaannend.
,,Aber der Film war super! Nala, du musst dir den unbedingt auch noch angucken!"
,,Ähh ich steh nicht so auf Filme mit viel Rumgesinge!", ich zuckte mit den Schultern und wollte noch was hinterherschieben, als mein Vater genervt die Zeitung auf den Tisch knallte.
,,Was hast du denn?"
,,Die wollen hier noch ein Flüchtlingsheim hinsetzen, das ist doch unglaublich, oder? Holen alle Schmarotzer und Verbrecher hierher und wundern sich, dass die Leute langsam die Schnauze voll haben!", oh man. Wie ich das Thema hasste. Die meisten waren wirklich verdammt engstirnig und machten sich nicht mal die Mühe, über ihren Horizont hinaus zu denken.
,,Okay und wo sollen die Leute deiner Meinung nach bitte sonst hin?", ich zog die Augenbrauen hoch und legte mein Croissant auf den Teller, nippte stattdessen an meinem Kaffee, der dank der kalten Milch schon nur noch lauwarm war.

,,Keine Ahnung, aber nicht hierhin... Die glauben doch alle Deutschland ist das Schlaraffenland, in dem sie alles in den Arsch gesteckt kriegen!", ja klar, weil die Flüchtlingsheime auch alle der pure Luxus waren. ,,Sicher... ist dir eigentlich bewusst, dass die nicht aus Lust und Laune hierher kommen? Ich glaube kaum, dass es den Leuten Spaß macht, alles hinter sich zu lassen. Ihre Heimat, Familie, Freunde... Wenn sie könnten, würden sie sicher in ihrem Land bleiben. Ein bisschen Mitgefühl hat noch keinem geschadet, Papa"
,,Na du zahlst ja auch nicht die Steuern für die", brummte er und ich verdrehte die Augen. Es war schon traurig, dass man manchen Leuten einfach nicht die Augen öffnen konnte, ganz egal was man sagte.
,,Noch nicht, nein. Aber ich denke mal, dass viele davon das auch irgendwann mit Arbeit zurückzahlen"
,,Als ob die jemals arbeiten gehen würden, tun sie ja jetzt auch nicht", er lachte höhnisch auf, griff nach dem nächsten Brötchen aus dem Korb, während ich zu meiner Mutter und meiner Schwester sah, aber auf Unterstützung bei dieser Diskussion durfte ich wohl nicht hoffen.

,,Weil sie nicht dürfen, solange der Antrag nicht genehmigt ist. Die dürfen ja nicht mal einen Sprachkurs machen, wie sollen sie dann einen Job finden? Es muss sich da einfach was ändern, aber nicht, indem wir die Leute gar nicht erst hier ins Land lassen!", schloss ich und schüttelte genervt den Kopf, ehe ich aufstand. Ich hätte noch mehr sagen können, aber ich wollte mich nicht ernsthaft mit ihm streiten, weswegen ich einfach beschloss für's Erste nachzugeben. Außerdem bereitete mir der Scheiß Kopfschmerzen und so wollte ich nur noch zurück ins Bett. ,,Ich glaube ich penn' noch eine Runde, die Nacht war lang", damit schnappte ich mir mein Croissant, stand von meinem Stuhl auf und kuschelte mich in meinem Zimmer wieder in meine Bettwäsche. Das Kissen roch nach Celal und am liebsten hätte ich ihn wieder neben mir gehabt... ohne ihn erschien mir mein Bett so leer und kalt und generell einfach ungemütlich. Trotzdem versuchte ich nochmal einzuschlafen, schließlich lag eine weitere Schulwoche vor mir, die ich nicht schon komplett müde beginnen wollte.

,,Sind Emilia und Sophie noch lange geblieben, nachdem wir abgehauen sind?", ich biss in mein Käsebrötchen, während Marco sich auf eine der Bänke auf dem Schulhof fallen ließ. Es war zwar Montag, aber das gute Wetter machte automatisch auch gute Laune. Davon abgesehen hatte ich die ersten zwei Stunden neben meinem Freund beginnen können, den ich zwar ab und zu hatte anstupsen müssen, damit er nicht einschlief und bei Frau Lange in Ungnade fiel, aber sonst war der Morgen bisher ganz gut gelaufen.
,,Nee, ich glaube die waren mega angepisst. Außerdem wussten später auch alle davon, was sie zu dir gesagt haben, ihr wart ja nicht grad leise, und dann waren sie eh unten durch"
,,Kein Wunder, kommt halt nicht so gut, so Sachen zu sagen, wenn die Hälfte der anwesenden nicht aus Deutschland stammt. Ich meine... ich frag mich schon, ob ich vielleicht zu hart war und ihnen an den Kopf zu werfen, dass sie ja bestimmt nur eifersüchtig sind, war irgendwie ziemlich dumm, aber... keine Ahnung. Fakt ist, dass wir jetzt wohl nie wieder vernünftig miteinander reden werden. Wenn sie wenigstens zu ihrem Fehler gestanden hätten, als Celal dazu kam, aber nein, da haben sie die Schuld ja ausschließlich auf mich geschoben. Ich finde wir alle haben Fehler gemacht, nicht nur ich und-" ,,Okay, jetzt hol mal Luft! Nein, du bist auch nicht perfekt, aber sie haben es schon übertrieben. Geht euch einfach mal 'ne Weile aus dem Weg, vielleicht könnt ihr dann mal reden, wenn ihr das wollt", Marco zuckte mit den Schultern. Manchmal wünschte ich mir, ich könne das alles auch so locker sehen wie er und Celal. Ein bisschen Gelassenheit hätte mir von Zeit zu Zeit sicher nicht geschadet.
,,Aber mal was anderes, kommst du Sonntag zu unserem Spiel? Wir könnten ein wenig Unterstützung gebrauchen, geht gegen den Tabellenersten und wir könnten die drei Punkte seeehr gut gebrauchen"
,,Ohhh wie süüß", grinsend wuschelte ich meinem besten Freund durch die Haare und setzte mich kurzerhand neben ihn. ,,Ich komme gerne, vielleicht schießt Celal ja dann endlich mal das Tor, was er mir vor Wochen versprochen hat!", witzelte ich und bemerkte gleichzeitig, dass mir Marco etwas von meinem Käsebrötchen klaute.
,,Eeey!" ,,Ich brauche Stärkung für Sonntag!"
,,Davon wirst du aber nur fett, also Griffel weg", grummelte ich und verpasste ihm einen Klaps auf die Finger, ehe ich ihm dann doch widerwillig die Hälfte von dem Brötchen abriss.

Kurz darauf stießen Celal und Flo zu uns, die zum Kiosk gefahren waren, um Kippen und Süßigkeiten zu besorgen. Ohne Letzteres konnte mein Freund nicht leben, das hatte ich inzwischen schon gelernt. Wenn er etwas liebte, dann war es Süßkram, er konnte Unmengen davon in sich hinein stopfen und das auch noch, ohne ein Gramm zuzunehmen. Ich war verdammt neidisch, vorallem weil ich auch Hunger darauf bekam, wenn er das vor mir aß. Gerade hatte er eine große Tüte voll mit Haribo in der Hand, aus der alle paar Sekunden etwas in seinem Mund landete.
,,Du kannst dem mal sagen, dass der fett wird", begann Marco sofort zu protestieren, als ich aufstand und mir meine Tasche schnappte.
,,Glaub mir, das würde ich gerne, aber wird er eh nicht, von daher kann ich mir den Mund fusselig reden!", im selben Moment bekam ich die Tüte hingehalten, doch ich schüttelte den Kopf.

,,Da hat sie recht, der hat schon immer so gefressen! Wisst ihr eigentlich schon, dass er voll gerne diese Kaffeesahne trinkt? Die in diesen mini Bechern, die es immer bei unseren Omas gab?", fragte Flo in die Runde, der versuchte die Kippe in seiner Hand zu verstecken, damit keiner ihn erwischte, auch wenn hier weit und breit kein Lehrer zu sehen war.
,,Was? Echt? Ihhh", angeekelt verzog ich das Gesicht, nur um dann zu beobachten, wie Celal Flo freundschaftlich auf den Hinterkopf schlug.
,,Du Arsch, man! Aber ja, das ist doch lecker. Voll gut, müsst ihr mal probieren"
,,Bei dir läuft echt so einiges falsch...", kopfschüttelnd nahm ich ihn an die Hand, da es gerade geklingelt hatte, was leider hieß, dass wir die nächsten zwei Stunden von den Lehrern gequält wurden.
,,Dafür habe ich mir die richtige Frau ausgesucht, oder?", er zog mich an sich heran, um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken und anschließend einen Arm um mich zu legen, auch wenn das bedeutete, dass er nicht mehr in die Tüte mit den Süßigkeiten greifen konnte. Man, er musste mich echt lieben, wenn er dafür auf das Gummizeug verzichtete. ,,Jaa, das muss man dir lassen"
,,Bah, könnt ihr nicht woanders rumturteln?", auch Marco nahm jetzt seinen Rucksack, nachdem er sich das letzte Stück Käsebrötchen in den Mund gestopft hatte.
,,Warum? Neidisch?", ich warf einen Blick nach hinten und sah nur, wie er eine Grimasse zog, bevor Flo plötzlich auch einen Arm um Marco legte. ,,Brauchst du nicht sein, wir können auch was miteinander anfangen... ok, doch nicht, dir fehlen Titten und unten haste irgendwie was zu viel, für meinen Geschmack!", damit ließ er ihn unter Gelächter wieder los und wir machten uns widerwillig auf den Weg ins Gebäude.

Alles türkisch, oder was?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt