Kapitel 50

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Meine Kehle schrie nach Wasser und Hunger plagte mich, auf meinem Shirt klebte getrocknetes Blut. Seit Tagen hatte mein Entführer mich allein gelassen und die Wasserflasche, sowie das trockene Brötchen waren schon längst aufgebraucht. Wollte er seine Drohung wahrmachen und mich jämmerlich verdursten lassen?

Grübelnd saß ich in einer Ecke und starrte Löcher in die Luft. Natürlich war für Langeweile kein Platz, ich hatte größere Sorgen, musste überlegen, wie ich hier herauskam und überlebte. Dennoch. Langeweile breitete sich in mir aus, so sehr ich sie auch ablehnte und zu verdrängen versuchte.

Die Möglichkeiten, hier herauszukommen, war ich schon alle durchgegangen und keine konnte ich ausführen. Eine unmögliche Sache, so schien mir. Im Grunde genommen blieben genau zwei Möglichkeiten: Entweder, ich brach die Tür auf und floh leise und still, auch, wenn ich den Entführer dann nicht erkennen und anzeigen konnte. Oder ich wartete, bis er kam und die Tür aufschloss, um ihn dann niederzuschlagen und zu fliehen.

Doch diese Sache hatte gleich mehrere Haken: Der Entführer war stark und ich dagegen schwach, wie sich bei meinem letzten Fluchtversuch gezeigt hatte. Und wenn der Versuch scheiterte, wäre er sicher sauer und das würde unangenehme Folgen haben, da war ich mir sicher. Selbst wenn ich das Risiko einging, wer garantierte mir dann, ob sich der Mann überhaupt noch einmal blicken ließ?

Es waren sehr viele Risiken, gewiss. Doch blieb mir eine andere Wahl? Ich konnte nicht darauf vertrauen, dass mich der Entführer am Leben lassen würde und Malfoy den angeforderterten, sicherlich hohen Betrag Geld bezahlen würde (oder was auch immer), zumal er noch die Sache mit seinen Eltern am Hals hatte. Sicherlich würde er sich für wichtiger halten, warum sollte ihn ein Schlammblut etwas angehen?

Wieder stieg Hass in mir auf, doch diesmal mit etwas vermischt, was ich nicht einordnen konnte. Was war das? Es fühlte sich an wie eine Mischung aus Sehnsucht und Trauer. Irgendwie kam mir dieses Gefühl bekannt vor, doch ich verdrängte es hastig. Dafür war kein Platz, ich musste mich auf andere Dinge konzentrieren! Auch, wenn es mir Magenschmerzen bereitete und sich anfühlte, als ob mein Herz von Nadeln zerstochen würde...

Kopfschüttelnd stand ich auf, schloss die Augen und holte tief Luft. Gefühle waren im Moment unwichtig, nur das überleben zählte! Ich öffnete die Augen wieder, verdrängte den unbekannten und zugleich bekannten Schmerz und ging auf und ab, denn das rumsitzen und abwarten kam mir nutzlos vor.

Mehrmals sah ich mich um, sah aber nur die Wand und die leere Kiste. Was hatte ich erwartet, dass plötztlich ein Messer aus dem nichts auftauchen würde? Wieder schüttelte ich den Kopf und fokussierte die Kiste. Doch sie war volkommen leer, hatte auch keinen doppelten Boden, wie ich nach erneuter Durchsuchung feststellte. Da waren nur die verstaubten alten Holzbretter....

Da kam mir eine Idee. Mit schnellen Fingern griff ich um ein Holzbrett, zog und zerrte daran und versuchte, mit den Fingern unter das Brett zu kommen, um es zu lösen.

Nach mehreren Versuchen hielt ich das lose Holzbrett in der Hand, welches ungefähr so breit und lang wie mein Arm war. Damit konnte ich wenigstens versuchen, mich zu verteidigen, wenn es der Fall sein sollte. Falls. Und ich hoffte wirklich, dass ich dem entgehen könnte, auch, wenn ich ihn provozieren musste.

Wieder ging ich auf und ab, diesmal ein Holzbrett in der Hand. Damit konnte ich die Tür nicht aufbrechen, unmöglich. Doch sollte ich es wirklich riskieren, zu warten, bis mein Peiniger sich dazu herabließ, zu mir zu kommen? Denn entweder war ich zu schwach und könnte den Versuch erst gar nicht wagen, oder er war zu stark für mich. Oder er kam garnicht mehr, ließ mich sterben.

Er hatte mir gedroht, mich umzubringen, doch seit unserem letzten Zwischenfall war nichts mehr passiert, seiner Meinung nach, müsste ich nichts getan haben! Was also hatte er für ein Problem?

Verzweifelt lehnte ich mich an die Wand und starrte zur Decke, die die kahle Wand zeigte. Nichteinmal Putz gab es hier. Doch was hätte ich bitte erwarten sollen, ich war schließlich eine Geisel! Doch Putz...

Mit zügigen Schritten ging ich zu der Wand, die eine Tapete hatte, auch, wenn diese schon dreckig war und halb herunterhing. Auf die Zehenspitzen gestellt zog ich sie von der Wand, meine Finger mit den inzwischen zu langen Fingernägeln, kratzten dabei über die Wand und hinterließen ein paar Blutspuren, doch das war mir egal. Ich musste diese Chance einfach nutzen, einen Versuch wagen, Leben und Tod hingen davon ab!

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich die heruntergekomme Tapete abgerissen, ich war überzeugt davon, dass es mindestens ein halber Tag war. Zum Glück war die Wand nicht allzu groß, sonst hätte ich noch länger gebraucht. Vor mir tat sich eine kahle, dreckige Wand auf, die allen anderen glich. So schien es. Denn hinter der Wand war ein Hohlraum, das hatte ich durch Klopfen herausgefunden. Doch wie sollte ich dahinter kommen? Die Wand war sehr dünn, doch Wand war Wand, aus Betong erbaut. Theoretisch könnte ich sie einschlagen, doch ich war schwach, im Gegensatz zu der Wand. Und meinem Entführer.

Doch ich musste es versuchen, die Chance, dass sich da hinter etwas befinden könnte, was mir helfen würde, war einfach zu groß! Eine Mischung aus Angst, Neugier, Mut und Misstrauen machte sich in mir breit. Wenn der Entführer das entdecken würde, und das könnte er jederzeit, jeden Augenblick, dann wäre dies mein sicheres Todesurteil...

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