Im Inneren empfing sie eine angenehme Wärme und eine ebenso ungewöhnliche Stille für ein Gebäude direkt an der Hauptstraße. Die Lobby des Hostels wirkte gemütlich und verfügte neben einigen weißen Sesseln weiterhin über eine große schwarze Couch inmitten des Raumes. Für die vielen Sitzgelegenheiten war erstaunlich wenig Betrieb. Sie lief direkt auf die Rezeption zu und warf dabei einen kurzen Blick auf die Uhr, die ihr gegenüber an der Wand hing. Obwohl es erst früher Abend war und sie die gesamte Autofahrt verschlafen hatte, fühlte sie sich eigenartig müde und erschöpft. Ein Blick auf ihr Handy zeigte ihr, dass sie während des Schlafens zahlreiche Nachrichten bekommen hatte, hauptsächlich von ihrer besorgten Mutter. Typisch. Sie scrollte flüchtig die verschiedenen Nachrichten auf dem Display durch und bemerkte eine leichte Enttäuschung, dass keine von Dominic dabei war. Er hatte sich melden wollen, wenn er fertig mit dem Umzug war und die Schlüssel in den Briefkasten geworfen hatte. Er ließ sich unverschämt viel Zeit.
„Guten Abend und herzlich Willkommen in San Francisco", riss sie eine Stimme aus den Gedanken und ließ sie erschrocken aufsehen. Das Mädchen an der Rezeption ihr gegenüber war kaum älter als sie selbst und eindeutig zu schick gekleidet für ein Hostel. Sie lächelte Louisa freundlich an, die ihr Kommen nicht einmal bemerkt hatte. Typisch Handysucht eben.
„Hi, eine Freundin von mir hat hier ein Zimmer gebucht. Alea Johnson", sagte sie dann und sah auf die Finger des Mädchens, die sogleich schnell über die Tastatur huschten.
„Sie haben Zimmer 121. Frühstück ist hier jeden Morgen von 8 bis 10 Uhr, Abendessen haben Sie nicht gebucht, sollten Sie trotzdem hier essen wollen, wird Ihnen das nachträglich in Rechnung gestellt. Das Zimmer wird alle zwei Tage vollständig gereinigt, frische Handtücher erhalten Sie dabei ebenfalls. Das Hostel verfügt außerdem über ein kleines Kino, einen Fitnessraum und einen großen Aufenthaltsraum mit verschiedenen Unterhaltungsmöglichkeiten. Duschen und Toiletten befinden sich auf den jeweiligen Gängen der Zimmer", spulte das Mädchen ab, während es weiterhin professionell auf der Tastatur tippte. Louisa nickte nur, nahm den faszinierten Blick schließlich von ihren schnellen Fingern und dann die Zimmerkarte entgegen. Sie sprach beinahe genauso schnell, wie sie tippen konnte. Oder andersherum.
„Gibt es... WLAN hier?", fragte sie dann zögerlich. Die wichtigste Frage.
„Selbstverständlich." Die elegant manikürte Hand der Rezeptionistin schob ihr eine kleine Karte mit dem WLAN Schlüssel entgegen. Dem Himmel sei Dank.„Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt bei uns", beendete das Mädchen seinen Kurzvortrag und Louisa lächelte sie flüchtig an. Gangduschen ungleich angenehm. Aber wahrscheinlich würden Alea und sie ohnehin nicht allzu viel Zeit hier verbringen und besser als eine vom Ex-Freund besetzte Wohnung war das hier allemal. Sie schob die Zimmerkarte in die Hosentasche ihrer Jeans und lief zurück zu der schwarzen Couch, um auf Alea zu warten. Die Wand neben ihr war mit sämtlichen Stadtteilen San Franciscos beschriftet, von denen ihr nur einige etwas sagten. Erneut holte sie ihr Handy hervor und öffnete nun den Nachrichtenchat, den ihre Mutter deutlich dominierte. Mütter.
„Sind gut angekommen. Alles gut", tippte sie in das Fenster und sah, dass ihre Mutter prompt ebenfalls online war. Seitdem sie das Prinzip des Chattens verstanden hatte, war sie quasi daueronline. Und cool war sie jetzt natürlich auch, denn sie konnte sogar ihr Profilbild eigenständig wechseln.
„Geht's dir gut?", kam die Antwort umgehend. Sie stellte ihre Tasche auf die Couch und seufzte. Es war offensichtlich, dass Dominic sie selbst nach San Francisco verfolgte, wenn auch nur in diversen Gesprächen.
„Alles bestens", log sie und grinste ihre Mutter mittels eines geheuchelten Smileys an, bevor sie das Chatfenster schloss. ‚Mädchen mit 21 dürfen nicht lange unglücklich sein. Ihr habt doch alles noch vor euch', hörte sie die Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Mütter hatten immer Recht, zumindest hatte sie das noch nie so sehr gehofft wie jetzt.
„Sorry. Das mit dem Parken ist eine einzige Katastrophe. Ab jetzt sind wir zu Fuß unterwegs", hörte sie fast im gleichen Moment Aleas Stimme und drehte sich um. Ihr braunes Haar fiel ihr vereinzelt aus dem lockeren Zopf, die Jacke trug sie elegant über ihrem Arm. Obwohl sie die gesamte Strecke alleine gefahren war, sah man ihren großen braunen Augen keine Spur von Müdigkeit an.
„Kein Problem, ich habe mich schon um alles gekümmert. Unser Zimmer müsste gleich hier sein", sagte Louisa und nahm ihre Tasche wieder auf den Arm. Dann folgte sie Aleas zügigem Schritt, vorbei an der Rezeption, den Aufzügen und einer Treppe, die in höhere Stockwerke führte. Nur kurz darauf blieb sie vor dem ersten Zimmer zu ihrer Rechten stehen. In großen, silbernen Zahlen war die Zimmernummer auf der Tür vermerkt. Zimmer 121.
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ChickLitHast du dich jemals gefragt, wie wertvoll du wirklich für jemanden bist? 21, betrogen und verlassen. Louisas heile Welt ist zerbrochen und ihr derzeitiges Leben findet höchstens noch in sozialen Netzwerken statt. Bis sie plötzlich in San Francisco...