Die Stimmung außerhalb der Lounge war wesentlich ausgelassener. Erstaunt sah Louisa auf die volle Tanzfläche und die Menschenmengen, die sich zu der Musik bewegten. Sie hatte Jacob auf dem Weg nirgends sehen können, stattdessen hatte sie sich erneut die Blicke der schnieken Champagner-Gesellschaft gefangen. Es schien ein wichtiges Gespräch zu sein, das Jacob mit Victor führte. Offenbar waren sie abseits der Gruppe. Sie hatte sich so sehr gesehnt nach seinen Lippen auf ihren, nach seinem Duft und seinen Berührungen über dem Lichtermeer der Stadt. Immer noch lag die Enttäuschung über Sarahs plötzliche Unterbrechung schwer in ihrem Magen. Victor möchte dich sprechen. Jetzt. Sie hatte ihn noch nie so verabscheut wie zu diesem Zeitpunkt. Naja. Who cares. Ihr Blick huschte schließlich über die volle Tanzfläche. Hier würde sie sicherlich niemandem auffallen.
Zunehmend spürte sie, wie die Musik sie beflügelte. Jeder Bassschlag trieb die eingebildete High Society aus dem oberen Stockwerk mehr und mehr aus ihrem Kopf. Hier gehörte sie wirklich hin. Hier fühlte sie sich wohl. Auch Sarah war ausgelassen. Sie zog Louisa direkt auf die Tanzfläche. Vielleicht hatte es doch irgendetwas Gutes, dass Sarah dazu gestoßen war. Sie war anders als die restlichen Begleiterinnen. Offen. Und jung. Und an Attraktivität kaum zu überbieten. Erneut schossen Louisa die Blicke durch den Kopf, mit denen sie gemustert wurde. Es fühlte sich an, als ob etwas der Abschätzung noch immer an ihr klebte. All diese Frauen verbrachten den Abend damit, stillschweigend neben ihren Männern zu sitzen und gut auszusehen. Und stolz darauf zu sein, in einem abgetrennten Bereich mit Champagner bedient zu werden. Arme Puppen. Dort verpassten sie den ganzen Spaß. Waren sie denn noch nie auf's Dach geklettert? Ein flüchtiger Blick zur Bar verriet Louisa, dass Jacob mittlerweile ebenfalls zurückgekehrt war. Freude breitete sich in ihr aus. Endlich. Ausgelassen unterhielt er sich mit zwei Männern in seinem Alter, die offenbar ebenfalls zur Gruppe gehörten. Als sein Blick Louisas traf, hob er sein Glas. Er ließ sie tatsächlich kaum aus den Augen. Sie strahlte ihm entgegen. Auf all die guten Dinge.
Es war eine ganze Weile vergangen, bis sie sich schließlich durch die tanzende Menge in Richtung der Bar zurückkämpfte. Erschöpft erreichte sie schließlich den Tresen.
„Kann ich einen Schluck von dir trinken?" Scheiße, klang sie fertig. Scheiße, war sie fertig!
„Selbstverständlich." Jacob reichte Louisa sein Glas und sie trank hastig einige Schlücke daraus. Das lange Tanzen hatte sie durstig gemacht. Es war Zeit für eine Pause. Igitt. Was hatte er sich denn da bestellt? Sie verzog das Gesicht, woraufhin er grinste.„Vorsicht, das ist Alkohol, keine Apfelschorle. Pause?", fragte er dann und strich ihr eine Strähne hinter das Ohr, die ihr ins Gesicht gefallen war. Sie spürte eine Gänsehaut, wie all die Male zuvor. Er war ihr vertraut. Und nah. Sie nickte und sah zu Sarah, die immer noch auf der Tanzfläche stand und sich so ausgelassen bewegte als hätte sie gerade erst damit angefangen. Gottverdammt, es sah so einfach aus, wie sie ihren perfekten Körper zur Musik einsetzte. Aber es konnte ja nicht jeder die Ausdauer eines Iron-Man Siegers haben. Louisas Ausdauer glich ohnehin eher der eines... nein, dafür gab es keinen Vergleich. Mittlerweile hatte sich eine Gruppe Männer zu Sarah gesellt, was sie sichtlich genoss. Selbstverständlich stand sie im Mittelpunkt, jede einzelne ihrer Bewegungen war elegant und sexy. Die jungen Männer, mit denen Jacob sich vor einiger Zeit an der Bar unterhalten hatte, waren mittlerweile verschwunden. Erschöpft setzte Louisa sich auf einen Barhocker und sah ihn an. Er hatte den Kopf schief gelegt, während er sie beobachtete und lächelte. Immer noch lehnte er an der Bar wie schon zuvor. Er sah aus wie ein begehrter Junggeselle. Und wahrscheinlich sah er nicht nur so aus.
„Gefällt es dir hier?", fragte er. Mittlerweile. Aber nicht so gut wie auf dem Dach. Sie deutete ein Nicken an und setzte dann sein Glas wieder an ihre Lippen. Was zur Hölle trank er da? Das haute ganz schön rein. Sicherheitshalber schob sie es anschließend etwas von sich weg.
„Sehr schön. Ich hatte erst meine Bedenken, ob du hier reinpasst, aber mittlerweile habe ich diese Frage ganz klar beantworten können", sprach er weiter. Alter! War das ein Kompliment oder eine Beleidigung? Louisa zog kurz die Stirn in Falten. Das hing wohl von der Antwort ab, zu der er gekommen war. Sie wollte sie gar nicht wissen.
„Heute Abend gar nicht auf Modelsuche?", fragte sie und warf flüchtig einen Blick auf zwei Vogue-Cover Blondinen hinter ihm an der Bar.
„Wieso? Ich hab doch meins." Das stimmte. Und es tanzte mittlerweile eng und erotisch mit einem unwiderstehlich verschwitzten Latino. Arrrr.
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Broken
ChickLitHast du dich jemals gefragt, wie wertvoll du wirklich für jemanden bist? 21, betrogen und verlassen. Louisas heile Welt ist zerbrochen und ihr derzeitiges Leben findet höchstens noch in sozialen Netzwerken statt. Bis sie plötzlich in San Francisco...