Sieben

1.7K 259 62
                                    

„Wenn das mal kein erfolgreicher Tag war." Louisa legte ihren Wrap beiseite und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie spürte die gefühlten 37 km Fußmarsch schwer in den Beinen. So musste es sich mit Anfang Neunzig anfühlen.
„Ja, ich bin mittendrin. Ich hab ein gutes Gefühl für die Abschlussarbeit. Wenn nur das Schreiben nicht wäre", antwortete Alea kauend. Sie konnte exzellente Recherchearbeit leisten, nur vor der Dokumentation selbst scheute sie sich.
„Das kriegen wir schon hin. Was steht morgen an, Al?" Louisa stand auf und lief ans Waschbecken im Zimmer, um sich die Hände zu waschen.
„Ich muss später in meinen Unterlagen nachschauen. Ich weiß, dass ich irgendwann ein Gespräch mit einem Captain von einem Polizeirevier hier habe, aber ich glaube noch nicht morgen."
„Wenn das so ist, was hältst du dann davon, wenn wir heute Abend ausgehen?" Louisa sah sie im Waschbeckenspiegel mit funkelnden Augen an. Anstoßen. Auf das Leben, auf neue Handys und...das Leben.

„In einen Club oder eine Bar?" Alea sah ebenfalls auf und Louisa nickte. Sie war überhaupt nicht der Typ Partymädchen. Aber ein guter Cocktail konnte Wunder bewirken.

„Vielleicht gibt es hier ja etwas in der Nähe. Nur ein klein wenig Ablenkung." Von Oliver. Louisa lächelte und schlenderte dann zu ihrer Tasche.
„Du beschäftigst dich doch nicht immer noch mit ihm, oder?", fragte Alea mit hochgezogenen Augenbrauen. Erschrocken blieb Louisa stehen. Nahain!  Wie konnte sie nur alles wissen?

„Ich warte nur auf seinen ehrenwerten Anruf, dass mein neues Handy unterwegs ist." Alea hatte sie beobachtet und wackelte nun verdächtig anzüglich mit den Augenbrauen. Al! Google lieber!

„Google sagt, hier um die Ecke gibt es einen Nachtclub, der sich ‚The Cellar' nennt. Was meinst du?", fragte sie sogleich und scrollte mit einer Hand auf ihrem Handydisplay herunter ohne aufzuschauen. In der anderen Hand hielt sie wieder den Wrap. Na ging doch. Louisa hatte bereits Pumps aus ihrer Tasche gezogen und hielt sie in die Luft.
„Noch Fragen?"

Es war schwer einzuschätzen, wie viel Uhr es war, als Louisa nach einiger Zeit von der Toilette in den Hauptraum der Bar zurückkehrte. Alea hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Es war unverändert voll im Club und Alea hatte das Handy bei sich, sodass Louisa auf sich alleine gestellt war. Verdammtes Handy. Verdammter Oliver. Er hatte ihr Handy auf dem Gewissen. Auch, wenn sie hier vermutlich ohnehin keinen Empfang gehabt hätte. Sie schob sich durch die Menschenmassen und sah sich dabei nach Alea um. Das letzte Mal hatte sie sie mit einem kalifornischen Casanova an der Bar gesehen aber dort waren sie schon eine ganze Weile nicht mehr.

„Kann ich mal durch?" Es war eine rhetorische Frage, sie drängte sich durch die Menge in Richtung der Sitzgelegenheiten am Ende des Raumes. Dabei duckte sie sich konsequent vor dem Blick des Barkeepers weg. Er hatte sie abfüllen wollen und war mehr als schmierig. Und ganz offenbar hielt er sich für den größten Ladykiller. Vorsichtig schob sie sich an zwei breiten Männern vorbei. Wo bist du, Al? Trotz ihrer hohen Schuhe konnte Louisa nichts erkennen außer einer beeindruckenden Bandbreite an spitzen oder eher breiten Kinns, behaarten oder glatten Wangen, echten oder künstlichen Haaren der Menschen um sie herum. Die Stimmung im Nachtclub war ausgesprochen heiter und mitreißend. Es war genau die richtige Entscheidung gewesen, herzukommen. Da. Mit einem Mal sah Louisa ihre Freundin nur wenige Meter entfernt. Sie saß auf dem Schoß des kalifornischen Casanovas, beide hatten sich zusammen mit weiteren Freunden in einer Sitzecke niedergelassen und stießen gerade auf etwas an. Louisa erkannte einige leere Gläser vor Alea und schmunzelte zufrieden.
„Hab ich dich endlich." Sie erreichte die Gruppe und Alea drehte sich zu ihr. Auch der Casanova sah auf.

„Hey Süße. Geht's gut?", lallte Alea und sah hoch. Süße? Alea sah sie zufrieden an und hielt ihr ihr Glas entgegen.

„Klar. Hast du 'ne Uhrzeit?" Louisa sah von Alea zu ihrem Begleiter und wieder zurück. Dann quetschte sie sich neben die beiden auf die Couch. Ouh. Ganz offenbar gefiel ihm gar nicht, dass er Alea nun nicht mehr für sich hatte.
„Sicher. Is ers...-" Alea zog das Handy aus der Tasche und kniff die Augen zusammen. Dann drehte sie es um.
„-... halb swei. Wos dein Freund, der Barkeeper?", fragte sie dann und wackelte mit den Augenbrauen. Oh, Al.
„Sag das nicht zu laut, ich habe mich gerade erst in Sicherheit gebracht." Louisa nahm einen Schluck von Aleas Cocktail und rutschte etwas tiefer auf der Couch. Holla, die Waldfee. Noch etwas, das ordentlich reinhaute.

BrokenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt