Fünf

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„Du bist ja noch wach?" Alea schloss die Zimmertür und sah Louisa verwundert an. Diese stellte gerade die Zahnbürste zurück in den Behälter und drehte sich zu ihr. Lebendig hätte ihre Verblüffung wohl besser erklärt.
„Klar. Wie war's?", fragte sie und lief auf ihr Bett zu.
„Spannend, wenn du nichts dagegen hast, würde ich morgen Vormittag gerne noch einmal nach Tenderloin. Es ist sicher kein Zuckerschlecken dort, und das, obwohl eine recht hohe Polizeipräsenz herrscht." Sie stellte ihre Tasche ab und hing ihre Jacke auf. Dabei zog sie ihr Handy aus der Jackentasche.

„Oh...Du hast angerufen?" Offenbar sah Alea das erste Mal seit langer Zeit wieder auf ihr Handy. Louisa seufzte. Nur ein paar Hundert Mal, Al.

„Konzentriert sich deine Forschung auch auf kleinkriminelle City-Raser, die extrem selbstüberzeugt sind und-" –ziemlich gut aussehen- „...etwas zu arrogant sind?" Aleas Blick nach zu urteilen, war sie überfordert mit Louisas Fragestellung. Hoppla. Das war wohl zu viel Information, verteilt auf zu wenige Wörter.

„Es gab einen kleinen Zwischenfall vorhin. Ich wurde angefahren. Mein Handy ist kaputt", fügte sie dann erklärend hinzu. Sie hielt das zerbrochene Smartphone hoch und zog einen Schmollmund. Alea bekam große Augen. Es waren ihre da-lässt-man-dich-einmal-alleine!-Augen.

„Mein Gott, geht's dir gut? Was ist passiert?", fragte sie und lief alarmiert auf Louisa zu. Ihre Augen wanderten bereits über Louisas gesamten Körper, auf der Suche nach Platzwunden, herausstehenden Knochen und fehlenden Körperteilen.
„Keine Panik, es ist alles okay. Ich hatte ein schlechtes Gewissen nachdem du weg warst und wollte dir nachlaufen. Ich dachte, wenn Ava alleine war, als sie verschwunden ist, sollten wir alles tun, um solche Situationen zu vermeiden. Dann habe ich... einfach kurz vergessen, dass das Hostel an einer Hauptstraße liegt." Sie sah Alea vorsichtig an und suchte dann unauffällig ihre nähere Umgebung nach Gegenständen ab, die sie nach Louisa werfen könnte. Immerhin war der Waschlappen zu weit entfernt.

„Das ist nicht wahr oder? Warum hast du nicht von der Polizei aus angerufen?", fragte sie dann besorgt und setzte sich neben Louisa auf die Bettkante. Ihr entging nicht, dass Alea sie immer noch eingehend musterte, auch wenn sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Welche...Polizei?

„Polizei? Es ist ja nichts passiert. Der Kerl war... keine Ahnung, ganz okay. Ich will es einfach vergessen, es war ja irgendwie sowas wie meine eigene Schuld." Sie fuhr sich über das müde Gesicht. Bisschen vielleicht. Hörbar sog Alea Luft ein, es war kein gutes Zeichen.
„Du warst nicht bei der Polizei? Wie war denn sein Name, dann gehen wir einfach morgen." Was? Oh. Louisa sah überrascht auf. Sie hatte keine Ahnung, wie sie diese Frage beantworten sollte. Lügen? Die Wahrheit? Shit. Mischung!

„Ich weiß nicht. Ich würde tippen...vielleicht Oliver oder so. Du weißt schon, Jackett, schnieker Wagen, teure Schuhe und so." Sie spürte eine leichte Röte in ihr Gesicht steigen. Das war ihr Tod. Was sie vorhin auf der Straße überlebt hatte, würde Alea jetzt sicher nachholen. Sie hasste Leichtsinn.
„Das ist nicht...?", fing sie bereits an und sah Louisa mit geneigtem Kopf an. Sie kannte den Blick. Ihre Mutter hatte sie früher immer genauso angesehen, wenn sie den Rahmspinat vom Mittagessen heimlich ihrer Babyborn gefüttert hatte und diese dann einige Tage über der Badewanne hing, um auszutropfen.
„Himmel, Arsch und Zwirn, das ist dein Ernst!" Jap. Alea sah sie fassungslos an und stand dann auf. Eine Zeit lief sie durch das Zimmer und fuhr sich dabei durchs Haar. Louisa zählte innerlich bis 47, bevor sie es wagte, überhaupt etwas zu sagen.
„Tut mir Leid. Ich hab keine Ahnung von seinem Namen. Ich stand unter Schock. Es ging alles so schnell, ich wollte einfach, dass es vorbei ist. Das war wirklich unangenehm, Al." Das war es wirklich. Und außerdem hätte sie ernsthaft verletzt werden können. Es war eine lebensgefährliche Schocksituation. So würde Alea es ganz bestimmt verstehen.

BrokenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt