Vierzig

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„Mein Dad hat gerade angerufen, sie sind bald da, vielleicht noch 20 Minuten."
Taylor kam von der Veranda zurück herein und schob sein Handy dabei zurück in die Hosentasche.

Alea nickte nur und strich sich eine widerspenstige Strähne, die sich in den letzten Stunden schon mehrfach selbstständig gemacht hatte, zurück hinter ihr Ohr.

Sie saß bereits eine ganze Weile an der Theke in der Küche, Taylor hatte sie kurz nach seinem ersten Telefonat mit seinem Vater hier her verfrachtet. Sie wusste nicht, ob er es wegen der Beweismittel oder ihr zu Liebe getan hatte, letztlich war es auch egal, sie war nur froh, dass sie sich nicht noch länger die Fotos der Mädchen ansehen musste.

Es war ein Schock gewesen, Avas Foto an der Wand zu sehen, wusste sie doch, was mit ihr geschehen war. Ava war tot, sie würde nicht wieder kommen und ließ eine trauernde Familie zurück. Von den anderen Mädchen wusste sie nichts, auch Taylor hatte kein Licht ins Dunkle bringen können. Die Namen waren nicht bekannt, stammten aus keinem Vermisstenfall der letzten Monate oder Jahre. Eine tot, die anderen vielleicht noch am Leben. Eigentlich war das doch eine gute Quote.

Sie durfte Louisa nicht aufgeben. Auch, wenn sie direkt neben Ava an der Wand gehängt hatte, sie konnte sie nicht einfach aufgeben. Es gab eine Chance, auch wenn sie vielleicht gering war, aber sie war da. Feststand, dass Jacob sie für etwas brauchte. Alea wusste nur nicht für was.
Mit dieser Frage hatte sie sich die letzten Stunden mehr als zuvor gequält. Während Taylor das ganze Haus auf den Kopf gestellt hatte um noch mehr Anhaltspunkte zu finden, hatte sie in der Küche gesessen und nachgedacht. Jedoch ohne Ergebnis. Ging es hier um Menschenhandel?

Zwangsprostitution? Vielleicht doch ein Modelcasting? Es passte alles nicht zusammen, es gab keine Verbindung zwischen ihm und all den Mädchen. Fuck off. Alea musste einsehen, dass sie nicht weiterkam. Und eigentlich war es auch egal, was Jacob verbrochen hatten. Er war ihr egal, sein gesamtes Schicksal war ihr egal. Sie wollte lediglich Louisa finden und nach Hause fahren, weit weit weg von San Francisco.

„Das restliche Haus ist leer, oben im Schlafzimmer sind nur ein paar von Klamotten, aber mehr nicht. Er scheint nur in dem Raum gewesen zu sein."
Taylor war von seiner Suchaktion zurück gekehrt und ließ sich auf den Barhocker neben sie fallen.

„Hätte mich auch gewundert, wenn er sich hier häuslich eingerichtet hätte. Das hier war nur seine Kommandozentrale, sein Mittel zum Zweck." Sie sah nicht auf, während sie sprach.

„Du hast recht. Ich hatte nur gehofft, dass ich endlich schlau aus dieser Sache werde."
Er fuhr sich, wie schon so oft, durchs Haar und trommelte nervös auf die Theke. Seine Nervosität steckte sie an.
„Hast du eine Vermutung?", fragte sie und neigte den Kopf ein wenig, um ihn anzusehen.
„Nicht wirklich." Taylor starrte weiter auf die Theke, also hatte er wohl doch eine Vermutung.
„Das glaub ich dir nicht. Du bist Cop, natürlich hast du eine Vermutung. Du kannst die Sachen wahrscheinlich schneller zusammenzählen als ich", sagte Alea leise und fixierte ihn.

„Soweit will ich nicht gehen. Ich...denke nur, dass viel mehr dahinter steckt, als wir uns vorstellen können. Und dass die Mädchen der Schlüssel zu allem sind."

„Menschenhandel?" Alea hatte das Wort ausgesprochen, das schon seit Stunden in ihrem Kopf war und sich festgesetzt hatte.
„Ich schließe es nicht aus. Ist wohl die naheliegenste Lösung." Er zuckte mit den Achseln und sah sie zum ersten Mal seit langem wieder an.
„Glaubst du wir finden Lou?" Ihre Stimme war kaum hörbar.
„Ich weiß, dass wir alles dafür tun werden sie zu finden. Das versprech ich dir. Ehrlich." Er lächelte sie schwach an.

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