Jels Pov
Nachdem Fineen sich wieder ein bisschen beruhigt hat, verspreche ich ihm Alvaro nach den 'Schulden' zu fragen. Und wenn möglich ihm ein Versprechen abzuringen, dass er sein Wort gegenüber Fineen hält. Denn was er mir verspricht, hält er, sagt Fineen. Jetzt sitzen wir in einer riesigen Bibliothek. Ich frage mich, was die ganzen Bücher wohl gekostet haben. Fineen zieht ein riesiges Buch mit Ledereinband heraus und knallt es auf den Tisch. Ich schrecke zusammen. Er grinst. "'Tschuldige. Ich muss nur kurz was nachgucken. Wegen der Blutsschuld." Er beginnt in den vergilbten Seiten zu blättern und beugt sich konzentriert darüber. Schließlich hat er die Seite, die er sucht gefunden. Er liest wobei seine blauen Augen hin und her flitzen. Dann verändert sich sein Gesichtsausdruck plötzlich. Er sieht auf. Sein Blick ist... entgeistert. Er dreht wortlos das Buch um und zeigt auf eine Stelle. Ich beginne sie zu lesen.
Blutsschuld (...) Blutsschuld erfolgt immer von dem betroffenen Dämon. Rettet ein Mensch einem Dämon das Leben, muss dieser im Gegenzug diesen Menschen ebenfalls einmal vorm Tod bewahren.
Ich sehe auf. "Na und?" Er sieht ziemlich blass aus. "Jel! Ich hab gerade eben schon gedacht, dass mit der Aussage von Alvaro was nicht stimmt. Hast du keine Augen im Kopf? 'Blutsschuld erfolgt immer von dem betroffenen Dämon'!" Ich scheine auf der Leitung zu stehen. "Ja? Und?" Er verdreht die Augen, seine Hände zittern. "Kapierst du nicht was das heißt? Ich muss dir das Leben retten! Nicht Alvaro! Der betroffene Dämon! Das bin ich!" Klick. Ich höre es ganz deutlich in meinem Hirn. "Aber... dann... Alvaro hätte mir nie das Leben retten müssen! Wieso hat er das dann getan?" Fineen schluckt. "Hat er dir die drei Gründe gesagt wieso ein Dämon einen Menschen retten würde?" Ich überlege und nicke. Dann macht es zum zweiten Mal Klick. Ich springe auf. "Du glaubst doch wohl nicht, dass ich mit euch verwandt bin? Das ist Schwachsinn! Das kann nicht sein!" Er schüttelt den Kopf, jetzt eher ängstlich. "Mann, Jel, bist du so blind? Ich hab nicht vom ersten Punkt geredet, sondern vom dritten!" Dritter Punkt. Dritter Grund. Drittes 'Klick' im Kopf. "Nein..." Meine Stimme ist nur ein entsetztes Flüstern. Fineens Augen sind groß geworden. "Jel, es kann nur so sein. Alvaro hat auch dich angelogen. Es ging ihm nie um mich. Es war keine Blutsschuld, die hätte nur ich abbezahlen können. Mein Bruder hat sich in dich verliebt." Okay. Das ist zuviel. Ich schüttele wie besessen den Kopf und stolpere immer weiter rückwärts. "Nein!" Und dann pralle ich gegen etwas. Etwas weiches. Etwas lebendiges. Ich schreie auf und drehe mich um. Bevor ich irgendwas tun kann hat Alvaro mich an der Schulter gepackt. Wo kommt er so plötzlich her? Er sieht nicht wütend aus, nur... irgendwie erstaunt. Ich brauche einen Moment um meine Gedanken zu sortieren. Dann ist alles wieder unter Kontrolle. "Du hast mich angelogen!" Ich versuche meinen Arm wegzuziehen, aber er drückt noch stärker zu. "Hab ich nicht!" "Hast du wohl!" "Hab ich nicht, verdammt!" Was soll das werden, Streit im Kindergarten? Ich funkele ihn an. "Es ging dir nie um Fineen! Du konntest seine Blutssschuld nicht bezahlen! Das hätte nur er gekonnt!" Alvaro hebt eine Augenbraue. Und dann beginnt er zu lachen. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Er zieht mich zum Tisch, nimmt das Buch und blättert eine Seite weiter. "Fineen, du bist noch ein bisschen zu jung um den kompletten Kodex auswendig zu können. Sonst wüsstest du was hier steht." Er wirft das Buch zurück auf den Tisch. Ich verrenke mir den Kopf um lesen zu können. Die drei Worte fallen mir sofort ins Auge. Blutsschuld ist käuflich. Fineens Augen weiten sich, dann senkt er den Kopf. Alvaro beachtet ihn nicht weiter. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Keine Ahnung was ich machen würde, wenn Alvaro tatsächlich in mich verliebt wäre. Jetzt zieht er mich Richtung Tür. "He, was wird das?" Er verdreht die Augen. "Musst du immer 'Warum?' fragen?" Ich werde Fineen einen hilflosen Blick zu, aber er zuckt nur ratlos mit den Schultern. Alvaro zieht mich auf den Flur und lässt seinen kleinen Bruder zurück. "Lass mich los!", knurre ich und zerre an seinem Griff. Unbeeindruckt schleift er mich weiter. "Was, damit wir Katz und Maus spielen können? Nichts da! Ich hab was mit dir zu bereden." Er schubst mich in einen Raum. Dieser ist leer. Fast. Ein Stuhl steht darin, Seile liegen daneben. Ich bekomme Panik. "Alvaro, was...?" "Setz dich!", unterbricht er mich barsch. Als ich nicht sofort reagiere, drückt er mich selbst auf den Stuhl. Meine Angst wird immer größer. "Wieso...?" "Hör mal, ich hab kaum Zeit bis diese Geier hier auftauchen, und deshalb wirst du jetzt verdammt nochmal stillhalten und deine Klappe halten, verstanden?" "Aber..." Ein einziger Blick bringt mich zum Schweigen. Er greift nach den Seilen und bindet meine Arme fest auf die Stuhllehnen. "N-Nein!" Ich sehe ihn mit großen Augen an. "Was tust du? Lass mich in Ruhe!" Er sieht auf einmal sehr wütend aus. An diese Launenwechsel werde ich mich nie gewöhnen. Mich völlig ignorierend fesselt er auch noch meine Füße an die Stuhlbeine. Ich spüre es hinter meinen Augen brennen, aber sofort muss ich daran denken was Fineen über Tränen gesagt hat und unterdrücke es. Wie ich dieses hilflose Gefühl hasse. So ausgeliefert. "Mund auf!", kommandiert er. Ich habe zuviel Angst um mich zu weigern. Er schiebt mir ein Tuch in den Mund. Ich ziehe probeweise an meinen Fesseln. Nichts. Natürlich. "Also schön." Er sieht mich gequält an. "Ich tue das nicht gerne Jel, und es tut mir leid. Ich würde dich nie fesseln, wenn ich nicht wüsste, dass es absolut notwendig ist, okay? Aber ich hab dir auch versprochen, dir immer vorher zu erklären, was ich tue. Und ich halte mich daran. Die Sippe des roten Dämons, der dich angefallen hat wird gleich in Burning Castle erscheinen. Sie wollen dich sehen um sich zu überzeugen, dass ich aus 'Liebe' gehandelt habe." Statt 'Liebe' hätte er genauso gut 'Rasenmäher' sagen können. Sein Ton dabei ist so gefühllos, dass es mich schon wieder erschreckt. "Jeder Partner ist von seinem Dämonen gekennzeichnet, und das unmittelbar nachdem sie sich kennengelernt haben. Du brauchst ein Zeichen, Jel, sonst bringt es alles nichts." Ich sehe ihn fragend an. Er seufzt traurig. "Es ist ein Brandmal." Als ich erschrocken die Augen aufreiße und an meinen Fesseln zerre, redet er hastig weiter. "Nein, so meinte ich das nicht, verzeih mir. Es wird nicht wehtun, versprochen." Ich kann nicht mehr an mir halten. Es muss raus. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Die Tränen laufen über. Mit einem verzweifelten Stöhnen wendet Alvaro sich ab. "Nein, nicht Jel. Bitte nicht. Hör auf zu weinen! Bitte!" Ich hab ihn noch nie so flehend gehört. Aber er hat gut reden. Ein Brandmal! Er wirft einen Blick über die Schulter. "Bitte Jel! Wenn die rote Sippe hier auftaucht und sieht, dass du noch kein Zeichen hast ist Fineen tot!" Ich wimmere. Natürlich will ich nicht, dass Fineen was passiert. Aber ich habe Angst. Plötzlich wird Alvaros Blick wieder weich. Er kommt zu mir und streicht mir über die Haare. Ich sehe ihn verängstigt an. "Es tut nicht weh!", flüstert er. "Ich werde deinen Arm betäuben, du wirst überhaupt nichts spüren, versprochen. Und wenn das hier alles vorbei ist, mache ich es wieder weg. Mit Magie geht das. Du musst es nicht ewig behalten." Er scheint sich sehr zu beherrschen aufgrund der Tränen auf meiner Wange. Oder sind es die Tränen, die ihn so sanft machen? Ich schniefe und dann nicke ich leicht. Er drückt meine Schulter. "Du bist ein tapferer Junge. Dir geschieht bei mir nichts, okay? Jetzt lass mich deinen Arm betäuben." Er fährt ein paar Mal mit den Fingerspitzen über meinen Unterarm. Ich bekomme eine Gänsehaut und dann spüre ich... nichts mehr. Krass. Das ging schnell. "Alles klar?" Ich nicke zittrig. Er nimmt ein kleines Eisenstäbchen in die Hand. "Schau." Er zeigt auf ein kleines Gebilde am Ende des Stäbchens. "Das ist das Zeichen der Blackbournes." Ich erkenne es nicht wirklich, durch die Tränen sind meine Augen verschwommen. Was ich aber sehr genau sehe, dass er mit einer einfachen Handbewegung zum Glühen bringt. Ich schluchze auf und zucke zusammen. Mag ja sein, dass ich es nicht spüren werde, aber es macht mir eine Heidenangst. Alvaro legt beruhigend seine Hand auf meinen anderen Arm. "Schschsch, schon gut Jel. Keine Panik. Alles ist gut." Ich schließe die Augen. Ein Zischen. "So, schon vorbei. Das hat doch nicht wehgetan oder?" Was? Das war's? Ich öffne die Augen. Tatsächlich. Auf meinem Arm prangt ein kleines, rotes, verschlungenes Zeichen. Er nimmt mir den Knebel und die Fesseln ab. "Tut mir leid. Ich wusste nur, dass du so reagierst. Und wir haben nicht viel Zeit." Irgendwie glaube ich ihm. Als ich aufstehen will, drückt er mich sanft zurück. "Warte. Das soll sich nicht entzünden." Er zieht einen Verband aus der Tasche und bandagiert mein Handgelenk, auf dessen Unterseite sich das Zeichen befindet. Eine Zeit lang sage ich nichts. Aber irgendwann finde ich meine Stimme wieder. "Alvaro... Fineen hat mir von den Tränen erzählt, aber... ich versteh das nicht ganz. Was ist das, wenn ich weine? Was geschieht mit dir?" Er sieht mich erstaunt an, dann nimmt er behutsam meine bandagierte Hand in seine Unverletzte. "Weißt du... wenn du weinst, hat das so eine Wirkung... okay, ich bin ehrlich zu dir, aber erschrick jetzt bitte nicht, okay? Wenn du weinst beginnt in mir drin alles durchzudrehen. Am liebsten würde ich dich dann umarmen, festhalten, trösten..." Seine Stimme verliert sich, er schaut mich hilflos an. "...küssen..." Ich schlucke. Schnell redet er weiter. "Das sind Reflexe eines Dämons. Zumindest, wenn man schon in Kontakt mit dem Blut der betreffenden Person gekommen ist. Erinnerst du dich, wie ich deine Wunde am Arm geheilt hab? Dafür musste ich dein Blut berühren. Deshalb weckt es diese Gefühle. Du... du weißt gar nicht wie leid mir das tut. Wenn ich könnte würde ich es abstellen, aber das wird nie wieder weggehen. Ich weiß, dass das Ganze nicht leicht für dich ist, vor allem... wegen Fineen." Er schaut zu Boden. "Du hast das volle Recht mich ein Arschloch zu nenne. Ich weiß selbst, dass ich eins bin. Wenn ich es ändern dürfte, würde ich es tun. Es... es tut weh was für dich zu empfinden." Ich sehe ihn erschrocken an. "Tust du das denn?" Er schüttelt traurig den Kopf nur um dann wieder zu nicken. "Wenn du weinst, ja. Aber dagegen kann ich nichts tun. Der Dämon in mir hat Blut geleckt. Dein Blut. Wenn du weinst denke ich, ich empfinde was für dich, wenn du aufhörst verschwindet es wieder..." Er zuckt mit den Schultern. "Es zerreißt mich. Niemand hat behauptet es wäre leicht ein Dämon zu sein." "A-Aber... was ist denn jetzt real?" Seine blauen Augen durchdringen meine. Blau. Sie sind nicht mehr schwarz wie in der Dämonengestalt. "Das mit den Tränen ist ein Zauber. Was ich da fühle ist ein Zauber. Das ist nicht echt. Echt ist nur das Hier und Jetzt." Ich nicke erleichtert. "Gut." Dann füge ich noch hinzu: "Es muss schwer sein. Mit unechten Gefühlen zu leben." Er lächelt schief. "Ja, es könnte schöner sein. Aber glaubst du etwa nicht, ich hätte es nicht anders verdient?" Verdammt. Ich könnte mich ohrfeigen. Nein, ich könnte ihn ohrfeigen! Diese Frage ist jetzt mehr als nur hinterhältig. Gerade als ich eine neue Seite von ihm entdecke, nutzt er das gleich aus! Denk dran wie er mit seinem Bruder umspringt! Er ist grausam! Er ist ein Arschloch! Das weißt du! Aber was war das dann gerade? Er hat traurig gewirkt. Nicht wie jemand der aus purer Bösartigkeit oder auch nur aus Egoismus handelt. Unsicher sehe ich auf. "Ich..." In dem Moment ruft irgendjemand im Flur: "Alvaro Blackbourne! Hier spricht Matteo Harrowby! Du weißt, wieso ich gekommen bin!" Ich bin ziemlich froh, dass ich mich dank dieses Harrowby um die Antwort drücken konnte. Alvaro zischt und plötzlich ist er wieder ganz der Alte. "Du bleibst hier!", knurrt er. "Ich bin gleich wieder da. Und egal, was er tut, renn nicht weg!" Mit diesen Worten ist er aus der Tür. Unschlüssig bleibe ich stehen. Das hat sich ziemlich beunruhigend angehört. Andererseits - was kann mich jetzt noch beunruhigen? Ich warte ab und irgendwann öffnet sich die Tür wieder. Alvaro kommt zurück. Neben ihm läuft ein Mann. Ich kenne ihn. Obwohl seine Augen heute braun sind und nicht feuerrot. Und er trägt einen Anzug. Meine Beine wollen zurückweichen, aber ich kann mich nicht rühren. Der Dämon, der mich damals angefallen hat, grinst mir zu. Ich schlucke und sehe zu Alvaro. Dieser sieht ein wenig gereizt aus. Nach kurzer Stille sagt Harrowby: "Also Blackbourne. Das ist dein kleiner Schatz? Kann ich nachvollziehen." Drohend schiebt sich Alvaro zwischen ihn und mich. Harrowby lacht. "Okay, okay, ist schon gut. Ich will nur sein Zeichen sehen." Erstaunlich sanft zieht Alvaro mich von hinten in seine Arme. Dann nimmt er meinen Arm und wickelt den Verband ab. Die Taubheit hat nachgelassen und das Mal schmerzt ein bisschen. Harrowby kommt näher. Ich will zurückweichen, aber da ist Alvaro. Er streichelt mir kurz über die Schulter, belässt es aber dabei. Harrowby kommt mit dem Gesicht ganz nah an meinen Arm. Sein Atem kitzelt meine Haut. Meine Unterlippe beginnt zu zittern und ich drehe den Kopf nach hinten oben, um Alvaro anzusehen. Er blinzelt einmal beruhigend mit den Augen. Ich habe das Gefühl, dass er ganz genau weiß, was ich denke. Das letzte Mal, als Harrowby so nah an meinem Arm war, hat er seine Zähne reingeschlagen. Endlich richtet er sich auf. Trotzdem ist er noch entsetzlich nah. Meine Atmung geht nur bebend und stoßweise, trotz dass Alvaro mir über die Brust streicht und versucht mich zu beruhigen. Harrowby lacht. "Sieh mal einer an. Hat dein Kleiner etwa Angst?" Er streckt die Hand aus und streichelt mir übers Gesicht. Ich wimmere und drücke mich weiter nach hinten, ignoriere sogar die Tatsache, dass ich mich dadurch näher an Alvaro dränge. Plötzlich spüre ich dessen Brust vibrieren. Er knurrt, schiebt mich schnell zur Seite und packt Harrowbys Hand. "Finger... weg... von... ihm!" Die Worte kommen stoßweise und pure Wut schwingt darin mit. Harrowby hat verstanden. "Ist ja gut, lass mich los. Trotzdem schade dass du ausgerechnet auf ihn abfährst. Es wäre spaßig geworden mit ihm gestern. Meinst du nicht auch, Kleiner?" Ich sehe ihn entsetzt an. Aber was mich noch mehr entsetzt, ist, dass ich mich nicht beherrschen kann und plötzlich eine Träne meine Wange herabfällt. Es ist, als würde die Zeit still stehen. Alvaro und Harrowby sind beide erstarrt und starren auf mein Gesicht. Erst da wird mir etwas klar. Beide sind schon in Berührung mit meinem Blut gewesen. Schnell drehe ich mich um und presse mir die Hände vors Gesicht. Sie dürfen nicht beide... zu spät. Irgendjemand packt mich, schleudert mich herum und presst mich gegen die Wand. Es ist nicht Alvaro. Harrowby presst seinen ganzen Körper an mich und quetscht mich dadurch an die Wand. Ich schreie auf, aber schon hat er mein Gesicht in seine Hände genommen und beginnt mich zu küssen. Alvaro brüllt und stürmt auf ihn zu. Ich zapple und versuche mich zu befreien. Und dann ist Alvaro bei uns. Er packt Harrowby und reißt ihn von mir weg. Wimmernd kauere ich mich vor der Wand zusammen. Harrowby brüllt und schlägt nach Alvaro. Die Faust trifft diesen an der Wange, aber er kämpft so verbissen, dass er keinen Schmerz zu spüren scheint. "Hau ab!", brüllt er schließlich und schubst Harrowby von sich. "Und leg nie wieder Hand an ihn! Nie wieder, verstanden? Er gehört mir!" Fluchend stürmt Harrowby aus dem Zimmer. Plötzlich ist es gespenstisch still. Nur noch mein Wimmern ist zu hören. Alvaro dreht sich langsam um und kommt auf mich zu. Ich sehe ihm in die Augen und erstarre. Sie sind auf einmal dunkelblau. Auf dem sicheren Weg sich schwarz zu färben. "Alvaro...", hebe ich schwach an, doch schon kniet er vor mir. Er scheint vor Anspannung zu zittern. Seine Hand gleitet hinter mich und zieht mich an sich. "Nein!", protestiere ich leise. "Bitte hör auf!" Aber er ist zu stark. Plötzlich hat er mein Gesicht zwischen seinen Händen. Trotz allen Warnungen, die mein Gehirn ausstößt, muss ich umso mehr weinen. "Bitte nicht!" Ich habe nicht genug Kraft mich zu wehren. Er kommt mit seinem Mund ganz nah an meine Wange, wo die Tränen ihre salzigen Spuren ziehen. Doch plötzlich stöhnt er, als hätte ihn etwas in den Magen geschlagen. Erschrocken sehe ich ihn an. Er kneift die Augen zusammen und krümmt sich vornüber. Als er die Augen wieder öffnet, sehe ich, dass sein linkes Auge heller wird als das rechte. Die Kampfgefahr ist vorbei. Es wird rückgängig gemacht. Aber anscheinend ist der Mensch in Alvaro nicht stark genug. "Tu irgendwas!", flüstert Alvaro jetzt leise. Seine Lippen sind so nah an meinem Gesicht, dass ich jeden Hauch spüre, wenn er spricht. "Lass mich nicht an deine Tränen! Ich will dir nicht wehtun! Tu irgendwas! Wenn ich deine Tränen trinke, kann ich mich nicht mehr kontrollieren. Ich weiß nicht, was ich dann mit dir anstelle! Bitte Jel!" Fieberhaft überlege ich. Aber es gibt nur eins, was mir einfällt. "Du musst mich solange hinhalten, bis meine Augen wieder hellblau sind!", stöhnt Alvaro. Ganz knapp streifen seine Lippen an meiner Wange vorbei. Nur ein Millimeter hat gefehlt. Beim nächsten Mal ist es zu spät. Ich fahre mir über den Mund um sicherzugehen, dass dorthin keine Träne gekommen ist. Dann schlinge ich meine Hände um seinen Nacken und lege meine Lippen auf seine. Überrascht reißt er die Augen auf. Eins dunkel-, eins mittelblau. Ich tue es nicht gern. Trotzdem ist es tausendmal besser, als wenn Alvaro durch meine Tränen heiß auf mich werden würde und mich womöglich am Ende noch vergewaltigt. Es fühlt sich nicht unangenehm an ihn zu küssen, aber ich will es nicht. Außerdem muss ich aufpassen, dass Alvaros Lippen da bleiben wo sie hingehören. Nur wenige Zentimeter rüber auf mein Gesicht und er hätte eine Träne erwischt. Gott sei Dank höre ich langsam auf zu weinen. Er entspannt sich, was seine Augen eine Nuance heller werden lässt. Ich spüre, wie er den Kuss erwidert. Gut. Jetzt wird er wenigstens seinen Mund da lassen. Es fühlt sich komisch an. Irgendwo in mir drin kribbelt etwas. Er zieht mich jetzt immer näher an sich, bis ich auf seinem Schoß sitze. Seine Beine hat er auf den Boden gelegt und angewinkelt. Ich lasse es geschehen, alles andere hat sowieso wenig Sinn. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnet er die Augen. Beide im strahlendsten Hellblau. Ich mache mich von ihm los und stolpere zurück. "Du... warum hast du nicht gesagt, dass es vorbei ist?!" Er zuckt schuldbewusst mit den Schultern. "Wenn du Tränen auf dem Gesicht hast und ich verwandelt bin, kann ich mich meistens nicht beherrschen dich zu küssen. Wenn ich dabei halb verwandelt bin kann ich mich etwas länger, aber nicht ewig beherrschen. Wenn ich dabei Menschengestalt habe, kann ich mich ganz gut beherrschen. Aber das ist wie mit Schokolade. Wenn du sie anschaust, läuft dir zwar das Wasser im Mund zusammen, aber mit einem starken Willen isst du sie nicht. Aber wenn du sie schon im Mund hast, würdest du sie niemals wieder ausspucken." Ich lasse mich wieder zu Boden sinken und vergrabe die Hände in meinen Haaren. Dann sehe ich ein Stück hoch und lächele ganz schwach. "Du vergleichst mich mit Schokolade?" Er grinst. "Fällt dir was besseres ein?" "Ich muss wohl ziemlich gut küssen." Nein, Jel, das hast du jetzt nicht ernsthaft gesagt! Aber Alvaro lacht nur. "Ziemlich gut sogar. Und du solltest dir schleunigst das Gesicht waschen bevor das Salzwasser da mich dazu drängt, es nochmal herauszufinden." Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich knallrot werde. "Mhm... das Blöde ist nur dass ich weder Zimmer noch Badezimmer habe. Du lebst hier, schon vergessen?" Das bringt ihn noch mehr zum Lachen. "Wovon träumst du nachts? Glaubst du wirklich ich hätte hier kein Zimmer für dich? Wir sind auf Burning Castle, Jel. Und nur als Erinnerung: Fineen und ich leben hier gerade mal zu zweit. Meine Männer haben ein eigenes Haus auf dem Grundstück. Wir haben hier im Hauptschloss achthundertzehn Zimmer. Das sind mehr als im Buckingham Palace in England." Ich strecke ihm die Zunge raus. "Ich weiß wie groß Burning Castle ist! Das weiß jedes Kind! Nur ab und zu vergesse ich..."- ...dass der Typ mit dem ich nicht absichtlich knutsche zufällig der reichste Mann des Landes ist - "...dass ich hier wirklich drin bin. Es scheint noch so unrealistisch, verstehst du?" Er lächelt und nimmt behutsam meine Hand. „Unrealistisch? Ich kann dir versichern, dass du nicht träumst." Er wickelt den Verband wieder um mein Handgelenk. „Komm! Ich bring dich in dein Zimmer." Ich folge ihm mit ein wenig Abstand. Dieser Tag hat mich sehr verwirrt. Irgendwie glaube ich in Alvaro eine ziemlich nette Seite entdeckt zu haben. Aber andererseits kann ich das nicht richtig glauben, weil er ja immer noch derselbe ist. Er hält mir die Tür zu einem Raum auf. Ich gehe rein und sehe mich um. Es ist schön. Hell, mit großen Fenstern und weißen Gardinen. Am anderen Ende steht ein großes Doppelbett, außerdem gibt es eine Couch mit kleinem Tischchen, einen Fernseher, und einen Schreibtisch. "Da hinten ist dein Bad." Alvaro zeigt auf eine kleinere Tür. "Brauchst du noch irgendwas?" Ich schüttele den Kopf. Er nickt und dreht sich zur Tür. "Okay. Wenn dir doch was einfällt, ruf mich einfach." Ich will gerade zur Badtür gehen, da fällt mir etwas ein. "Oh, Alvaro? Kannst... kannst du Fineen fragen, ob er kurz kommen kann?" Er bleibt stehen, dreht sich aber nicht um. Ich meine zu hören wie er scharf die Luft einzieht. "Ja." Seine Stimme klingt gepresst. "Ja, mache ich." Ohne ein weiteres Wort verlässt er den Raum. Was hat er bloß mit Fineen? Ich verstehe es nicht. Wenn es stimmt, was er sagt, und er das tun muss... wer ist dann derjenige der ihn zwingt?
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Und? *___* Was denkt ihr? Kommis sind wie immer gerne gesehen :) Wenns euch gefallen hat freue ich mich auch über Votes :)
Na das war doch mal ein Klasse Start für Alvaro und Jel, oder? ^^ Hätte nicht besser laufen können ;)
Was denkt ihr, wie es weitergeht? :) Ich hör eure Ideen immer gern, also lasst doch mal was da :)
Widmung geht an @smilyyyyy ^^ Danke für deinen Kommi♡
Und danke fürs lesen, meine süßen Verrückten ♡ Ich hab euch lieb :*
Eure StreetSoldierin
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Kick the world's ass!
FantasyDämonen haben nur eins im Sinn: Liebe. Allerdings nicht wahre Liebe. Ein Dämon ist nur zufrieden, wenn er ein Spielzeug hat. Oder auch mehrere. Die einzigen, die sich wenigstens ein bisschen unter Kontrolle haben, sind die Mitglieder des Dämonenkrei...