Kapitel 4

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Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit und es wurde stärker, je höher wir den Berg hinaufkletterten. Der eisige Wind pfiff uns um die Ohren und der peitschende Schneefall machte es nicht leicht, etwas in der Ferne zu erkennen. Aragorn, Boromir und Gandalf gruben sich an vorderster Front einen Weg durch den hüfthohen Schnee, in dem man nichts anderes als versinken konnte. Meine Beine wurden langam taub, meine Hände waren schon längst abgefroren und die Kälte hinterließ ein stechendes Gefühl auf meinem Gesicht. Ich kämpfte mich Schritt für Schritt durch die Schneemassen, obwohl ich langsam immer müder wurde, umso schlimmer war es für mich, als Legolas einfach an mir vorbeispazierte, ohne auch nur im Geringsten in den Schnee einzusinken. Es machte mich total wütend, aber das war gut, denn die Wut gab mir neue Kraft, die ich ganz dringend gebrauchen konnte.

Die ganze Zeit über hatte ich den Hinweis von Aragorn, nicht nach unten zu sehen, beachtet, doch jetzt konnte ich nicht anders, als einen Blick in die Kluft nur einen Meter von mir entfernt zu werfen und wünschte sofort ich hätte es nicht getan. Es ging so tief nach unten, dass ich den Boden nicht sehen konnte.

"Es sind grausame Stimmen in der Luft", bemerkte Legolas, nachdem er ein paar Meter vor uns zum Stehen gekommen war. Jetzt, da ich mich darauf konzentierte, hörte ich es auch, ein lautes Rufen, das so leise in der Ferne erhallte, dass es fast schon wie ein Flüstern wirkte. Ich verstand nicht, was die Stimme sagte, doch es klang nach dunklem Hass. Sie wollte uns in die Knie zwingen.

"Das ist Saruman!", brüllte Gandalf und warnte uns gleichzeitig damit.

Ich traute mir zu, etwas gegen den weißen Zauberer zu unternehmen, denn dank meiner zahlreichen Meditationsübungen zu der Zeit, als ich noch auf der Erde war, hatten meine Kraft gestählt. Doch ich tat nichts. Wenn ich eingreifen würde, würden wir nicht den Weg durch die Minen von Moria gehen, wir würden dem Balrog nicht begegnen und Gandalf würde nicht sterben, um dann als weißer Zauberer wiederzukehren. Also wartete ich mit zusammengebissenen Zähnen ab.

Die ersten Gesteinsbrocken flogen auf uns herab, verfehlten uns um eine Haaresbreite und stürzten lawinenartig abwärts in die Tiefe. Wir wichen alle so dicht wir konnten an die Bergwand zurück, drückten uns an den Stein und hofften, dass uns keiner der Felsbrocken treffen würde.
"Er versucht den Berg zum Einsturz zu bringen!", rief Aragorn gegen den Wind. "Gandalf, wir müssen umkehren!"

"Nein!", erwiederte Gandalf, dann richtete er sich auf und begann ähnliche Worte zu murmeln, wie die unheilvolle Stimme aus der Luft, von der wir wussten, dass sie zu Saurman gehörte. Nur ein paar Sekunden später schlug ein Blitz mit solcher Macht in den Berg ein, dass ich mir erschrocken die Hände über die Ohren legte, um dem brüllend lauten Geräusch zu entgehen. Riesige Felsbrocken lösten sich von dem Berg und stürzten auf uns herab, doch sie waren nur ein Vorbote der sich daraufhin bildenden Lawine. Instinktiv trat ich einen Schritt vor, erhob die Arme in die Luft und hieß das prickelnde Gefühl der Magie in meinem Körper willkommen. Ich bündelte etwas von ihr, überzog sie mit meinen Gedanken und befahl so dem Schnee, uns nicht zu treffen und tatsächlich funktionierte es genau so, wie ich es wollte. Es fühlte sich so unglaublich gut an, einfach die Kraft zu entfesseln und sie nicht nur zu benutzen, um vorsichtige, heiße Lichtstrahlen auf Zielscheiben abzufeuern, wie ich es zu Hause immer nur tun konnte.

Ich spürte, wie die Schnee- und Eisbrocken nur mit sehr geringem Abstand an uns vorbeiflogen, doch nach ein paar Sekunden war die Lawine vorbei und alle aus der Gemeinschaft unversehrt.

Ich ließ meine Hände sinken und blinzelte, um den seltsamen Rausch der Magie loszuwerden, nur um zu sehen, dass mich alle anstarrten.

"Was?", fragte ich unschuldig und grinste, bevor ich auf sie zuging und den Hobbits half, sich wieder hinzustellen. Sie waren so klein, dass sie fast wieder im Schnee versunken wären, hätten sie nicht die großen Menschen benutzt, um sich an ihnen festzuhalten wie an einem Rettungsanker.

"Die Kraft ist stark in dir", bemerkte Legolas schließlich, nachdem mich alle eine Weile mit verschiedenen Emotionen betrachtet hatten. Die Hobbits wirkten überrascht, aber nicht abgeneigt, Gandalf sah mich mit seinem typischen Blick an und Gimli beäugte mich misstrauischer als vorher, er schien anscheinend generell skeptisch zu sein, was neue Dinge anging. Vielleicht erinnerte ihn meine Magie auch nur zu sehr an die Elben.

Ich zuckte mit den Schultern und nickte, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.

"Wir müssen runter vom Berg", lenkte ich schließlich ab, um die Gemeinschaft auf die Minen von Moria zu verweisen. Boromir stimmte mir zu, brachte aber den Vorschlag ein, zur Pforte von Rohan zu gehen und von dort aus den Weg nach Mordor einzuschlagen.

"Die Pforte von Rohan führt uns zu nah an Isengard heran", wiedersprach Aragorn, er musste schreien, damit wir ihn über den lauterwerdenden Wind verstehen konnten.

"Überschreiten können wir den Berg niemals, gehen wir unter ihm hindurch! Lasst uns den Weg durch die Minen von Moria gehen!", brachte Gimli ein und ich stimmte ihm sofort zu, was mir einen merkwürdigen Blick von dem Zwerg einbrachte, den ich nur schulterzuckend erwiederte.

Gandalf zögerte, sein Blick auf etwas in weiter Ferne gerichtet, das niemand außer ihm sehen konnte.

"Lasst den Ringträger entscheiden", sagte er dann und alle Blicke richteten sich auf Frodo, der immer noch damit kämpfte, nicht im Schnee unterzugehen, was auf seine seltsame Art und Weise sehr niedlich aussah.

Frodo zögerte und Boromir wurde ungeduldig, was ich nachvollziehen konnte, denn es war eiskalt auf dem Berg. "Wir werden durch die Minen gehen."

Einen innerlichen Sprung machend nickte ich und kämpfte mich aus dem Schnee heraus, der mir trotz meiner Abwehr noch bis zu den Knien ging.

Schließlich kletterten wir die ganze Strecke wieder nach unten, je weiter wir kamen, umso wärmer wurde es und irgendwann hatten wir die Schneegrenze erreicht, kurze Zeit später begannen sich unsere Körper aufzuwärmen und der Schnee, der überall an uns haftete, schmolz und nässte unsere Kleidung, die dann ekelhaft an unserer Haut haftete. Ich ließ Vardas Energie durch mich hindurchfließen, um meine Kleidung zu trocknen. Es dauerte nicht lange, dann war alles an mir wieder trocken, außer meine Haare, die bereits begannen, sich zu kringeln und zu kräuseln wie noch nie zuvor. Seufzend ließ ich sie in Ruhe und versuchte, die Kleidung der anderen heimlich zu trocken, was mir größtenteils auch gelang.

Schließlich erreichten wir den Eingang der Minen, womit die vielen Fragen der anderen bezüglich meiner Magie endlich erloschen. Besonders Merry und Pippin waren an ihr interessiert, doch ihre Fragen waren mehr wie "Könntest du damit einen Bauern zum Einschlafen bringen, damit wir uns ein kleines bisschen von seinem Gemüse ausborgen können?" oder "Könntest du einen Blitz erschaffen, der alle Gäste auf einem Geburtstag ablenkt, damit wir den Kuchen essen können?", was ich mit einem belustigen Ausdruck in den Augen bejahte.

Ein steiniger Pfad lag jetzt vor uns, dessen Ende nicht zu erkennen war, da er direkt in den Berg hinein verlief.

"Die Mauern von Moria", sagte Gimli erfürchtig und starrte die felsige Wand an, die sich direkt vor uns erhob. Ich legte meinen Kopf in den Nacken, doch ich konnte den Gipfel des Berges nicht erkennen. Nebel waberte um ihn herum und ließ es so aussehen, als hätte der Berg keine Spitze, sondern wäre einfach im oberen Drittel abgeschnitten.

Vorsichtig näherten wir uns dem Eingang, der weiter in den Berg führte, bis wir vor einer soliden Felswand standen, vor der sich der Weg verlor. Es war still, zu still, und die Härchen an meinem Nacken stellten sich auf, als ein leiser Luftzug aus dem Eingang auf uns zupfiff. Ich fühlte mich beobachtet, obwohl außer der Gemeinschaft niemand hier unten zu sehen war. Doch ich wusste es besser.

Herr Der Ringe FF - Take Me To Somewhere ElseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt