Kapitel 24 (Lesenacht Teil 2)

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"Sie werden gegen diese Festung branden wie Wasser auf Fels!"

Ich wusste, dass Theoden angespannt war. Man vermochte es von außen nicht zu erkennen, aber ich hörte, wie die Stimme des Königs ein wenig höher klang als normal, konnte sehen, wie er sein Schwertknauf mit eisernem Griff umklammerte und wie seine Augen unruhig von Mann zu Mann huschten. Ich zweifelte nicht an ihm und seiner Kampfkraft, doch je länger ich bei ihm war, desto nervöser wurde ich, weswegen ich mich entschuldigte und mich auf den Weg in die Waffenkammer machte. 

Ich konnte mir einbilden, ich wäre auf die Schlacht vorbereitet. Und obwohl das äußerlich und nach meiner Kraft zu urteilen stimmte, zog sich in mir alles zusammen, als ich an meine letzte Schlacht zurückdachte. 

Ich knirschte mit den Zähnen und drängelte mich durch zwei Männer, der eine deutlich älter als der andere, vielleicht Vater und Sohn, die ruhig miteinander diskutierten und sich nachdem ich an ihnen vorbeigelaufen war kräftig umarmten.

Die Waffenkammer war voller Männer, die ein Schwert und ein Kettenhemd ausgehändigt bekamen. Sie alle hatten Angst, das konnte ich in ihren Gesichtern lesen. Ich quetschte mich zwischen den Menschen durch, bis ich bei den Waffen angekommen war. Meine Kräfte verlangten zwar nicht unbedingt nach einem Schwert, doch ich wollte trotzdem eins bei mir haben, da ich es hasste, mich nur auf eine Sache verlassen zu können. 

Anscheinend hatte sich herumgesprochen, was in Theodens Kammer vorgefallen war, jedenfalls reichte man mir ohne zu zögern ein Schwert, welches zu meiner Größe passte. Ich ignorierte die Blicke der Männer und Jungen und holte mir ein Kettenhemd, danach zog ich mich aus dem Raum zurück. Das Gemurmel war während meines Besuches weitestgehend der Stille gewichen, doch sobald ich den Raum verlassen hatte wurde es lauter als vorher. Ich wollte gar nicht wissen, welche Gerüchte sich schon über mich verbreitet hatten, welche nur zehn Prozent der Wahrheit erzählten und die restlichen neunzig zu bizarren Märchen verzerrten.

Als ich mich auf den Weg zum Wall machte, auf dem bereits die Bogenschützen ihre Positionen eingenommen hatten, hörte ich die dünne und ängstliche Stimme eines kleinen Jungen, der nicht älter als dreizehn hätte gewesen sein können, welcher auf einer steinernen Treppe saß, welche vom Innenhof zum Außenhof führte.

"Seid Ihr die magische Frau, von der die Männer erzählen?", fragte er als er bemerkte, dass ich ihn ansah. Ich setzte mich neben ihn und nickte. Er wirkte nicht, als hätte er Angst vor mir, sondern eher neugierig, was ich als gutes Zeichen sah. 

Seine großen, braunen Augen starrten mich hoffnungsvoll an. "Dann werdet ihr uns alle retten?" Ich seufzte und spielte mit einer verbogenen Kette meines Kettenhemdes. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, denn alle zu retten war schlicht und einfach unmöglich. Trotzdem lächelte ich und fragte nach seinem Namen. "Moran", antwortete er leise. Ich legte eine Hand auf seine Schulter, die durch einen Panzer geschützt war. "Moran, möchtest du eine Geschichte hören?", fragte ich und als er nickte, begann ich zu erzählen.

"Es gab einmal einen Jungen, der mit gerade einmal zwölf Jahren bereits ein großes und böses Monster besiegte, das vier- oder vielleicht sogar fünfmal so groß war wie er. Der Junge hatte nichts weiter als sein Schwert bei sich, als das Monster versuchte, seiner Mutter und seinem besten Freund wehzutun, und obwohl er nicht richtig wusste, wie er mit diesem Schwert umgehen musste, stellte er sich dem Monster entschlossen in den Weg." Ich hielt kurz inne und sah zu dem Jungen, der mir gespannt zuhörte. "Und weißt du, warum er das Monster angriff, obwohl er dabei hätte sterben können?" Der Junge zögerte kurz und antwortete: "Weil er seine Familie retten wollte?" Ich nickte und lächelte erneut. 

"Ist deine Familie auch in den Höhlen?", fragte ich und er nickte. 

"Siehst du, also bist du nicht anders als der Junge in meiner Geschichte, und das Monster sind die Uruk Hai, die bald angreifen werden. Meistens reicht Liebe aus, um unsere Familien zu retten. Und genau das werde ich versuchen. Machst du mit?" Er nickte und griff entschlossen nach seinem Schwert. Ich beugte mich zu ihm vor und flüsterte: "Soll ich dir ein Geheimnis verraten?" Er lehrte sich ebenfalls vor und nickte gespannt.

Ich rief meine Magie herbei und ließ ein kleines leuchtendes Abbild des Jungen auf meiner ausgestreckten Handfläche entstehen. Es bestand aus vielen kleinen Sternen, die sich wie eine Milchstraße aneinanderreihten und den Körper des Jungen bildeten. "Die Herrin der Sterne wacht über uns alle", flüsterte ich. Ich nahm die Hand des Jungen, drehte seine Handfläche nach oben und ließ die Figur hinübergleiten. "Wir werden es zusammen schaffen."

Herr Der Ringe FF - Take Me To Somewhere ElseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt