Kapitel 48

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Als Aragorns großer Tag schließlich anbrach, wachte ich so früh auf, dass ich noch das rote Glühen des Sonnenaufgangs am Horizont sehen konnte. Die Krönung würde erst am Nachmittag stattfinden, weswegen ich versuchte, noch einmal einzuschlafen. Wie sich aber schnell feststellte, war mir das nicht möglich und ich stand seufzend auf. 

Mein Blick fiel auf das wahrscheinlich schönste Kleidungsstück, das ich je gesehen hatte, welches Eowyn für mich herausgesucht hatte. Es war eine silberne Robe, der von Legolas in der letzten Szene sehr ähnlich, doch meine hatte den Weißen Baum Gondors auf Brusthöhe gestickt und kam mir nicht so fest vor.

 Die Vorstellung, nach all den Abenteuern und Rüstungen wieder etwas Sauberes und Ordentliches zu tragen, kam mir ziemlich seltsam vor, doch als ich mit den Fingern den sanften Stoff befühlte, der wie Wasser durch meine Finger glitt, freute ich mich schon sehr. Da ich allerdings noch viel zu viel Zeit hatte, zog ich erstmal wieder meine normalen Sachen an und kundschaftete die Stadt ein wenig aus. Seitdem ich hier angekommen war, hatte ich kaum Zeit für so etwas Normales gehabt und ich vermisste die Ruhe, die ich auf der Erde hatte: Sich in seinem Bett verkriechen und einen ganzen Tag nicht aufzustehen; mit Freunden dumme Sachen machen (obwohl die Dinge, die ich mit den Gefährten unternahm je nach Blickwinkel auch als dumm bezeichnet werden könnten) oder einfach nur ein Buch lesen oder einen Film schauen. 

Ich schlenderte ein wenig durch die Stadt, die trotz des Schadens der Schlacht wunderschön aussah, mit riesigen weißen Gebäuden, bunt blühenden Blumen und hölzernen Fensterläden. Ich sah nicht viele Menschen, was mich gar nicht störte, und kehrte schließlich in die obere Stadt zurück, als die Sonne ein gutes Stück weiter hochgestiegen war. In der oberen Stadt war viel mehr los: Menschen rannten von einem Ort zum anderen, trugen Blumen und richteten die Stadt her, Vorfreude und Aufregung lagen in der Luft. 

Ich verbrachte die restliche Zeit in einer der riesigen Bibliotheken von Minas Tirith und stellte meinen Reiseplan zum Einsamen Berg zusammen. Es juckte mich in den Fingern, andere Bücher aufzuschlagen und in ihnen zu lesen, um mehr über alte Geschichten aus früheren Zeitaltern zu erfahren, doch meine Mission war eine andere. 

Ich ließ mir erst einmal eine Übersichtskarte von ganz Mittelerde, eine Art Lineal und eine Feder mit Papier geben und machte mich daran, einen guten Weg zu finden. Der einleuchtentste Weg führte über den Anduin nach Norden bis zur Alten Waldstraße, die mich nach Osten durch den Düsterwald bringen könnte. Danach könnte ich dem Fluss Celduin bis zum Esgaroth folgen und von dort aus schließlich das letzte Stück zum Erebor laufen. Die gewaltige Entfernung wurde mir dann erst bewusst, als ich versuchte, mit dem Lineal die Stecken abzumessen und in Meilen umzurechnen (zu meinem Glück fand sich in der unteren linken Ecke der Karte ein Maßstab, sonst wäre ich aufgeschmissen gewesen). 

Kurz gesagt: Ich kam auf etwas über tausend Meilen, die ich zurücklegen musste. 

Ich plumpste entmutigt zurück in meinen Stuhl und starrte mit einem leeren Blick auf die Karte.

"Dürfte ich Euch meine Hilfe anbieten?", riss mich eine Stimme aus der sich anbahnenden Verzweiflung. Als ich meinen Blick hob, stand der Bibliothekar vor mir, ein kleiner, runder Mann mit einer Brille und schlauen Augen, die mich erwartungsvoll ansahen.

"Ich bin mir nicht sicher", gestand ich. "Ich plane eine Reise."

"Ah, die Freuden des Reisens. Ich reiste einmal zum Auenland! Die Hobbits sind sehr gelehrt und finden große Freuden in Büchern." Er schien für einen Moment in der Vergangenheit zu leben, dann fing er sich wieder und schmunzelte. "Wohin treibt es Euch?"

"Zum Einsamen Berg", antwortete ich und zeigte es im auf der Karte, falls er nicht wusste, wo der Erebor lag (was ich allerdings bezweifelte, immerhin war er sehr belesen).

Herr Der Ringe FF - Take Me To Somewhere ElseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt