Kapitel 36

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Am nächsten Morgen wurde ich von Aragorn geweckt, der ganz Edoras zusammenschrie. 

"Die Leuchtfeuer von Minas Tirith! Die Leuchtfeuer brennen!"

Ich setzte mich stöhnend auf und rieb mir den Schlaf aus dem Gesicht, bis mir die Bedeutung der Worte bewusst wurde. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf, warf mir etwas zum Anziehen drüber und sprintete die Stufen zur goldenen Halle nach oben. Es schien, als wäre ich die letzte, die aufgestanden war, denn alle hatten sich dort versammelt.

Ich bekam nur noch mit, dass Theoden sagte: "Die Heerschau soll beginnen!" und dann versank alles im Chaos. Die Glocke wurde geläutet, Männer sattelten ihre Pferde, stürmten die Waffenkammer und versammelten sich schließlich am Tor. Ich ging ebenfalls in die Ställe und sattelte ein Pferd, welches mir von einem Soldaten gezeigt wurde, diesmal ein brauner Hengst mit einer weißen Blässe, der mich erwartungsvoll ansah als ich ihm das Geschirr umlegte. Bei dem Gedanken an eine weitere Schlacht schüttelte es mich vor Adrenalin, sodass ich mehrere Versuche brauchte, den Sattel richtig zu befestigen. Als ich es dann geschafft hatte, nahm ich die Zügel in die Hand und führte es nach draußen. 

Dort traf ich auf Aragorn, der gerade Eowyns Schwert entdeckt hatte. Sein Blick war durchzogen von vielen Gefühlen, Ehrfurcht, Zweifel und Verwirrung, doch Eowyn machte es deutlich, dass sie genauso gut kämpfen konnte wie die Männer und Aragorn sagte nichts weiter dazu. Ich zwinkerte Eowyn zu, als ich an ihr vorbeiging und schenkte Aragorn ein Schmunzeln, woraufhin dieser nur die Augen verdrehte und sein Pferd wegführte.

Es dauerte nicht lange, da setzte sich der Zug in Bewegung und mit flatternden Bannern ritten wir los in richtig Minas Tirith. Es war beeindruckend, wie viele Reiter aus der Stadt kamen. 

Meine Rüstung war mir ein wenig zu groß, sodass sie unangenehm hin- und herrutschte, doch nach einer Weile gewöhnte ich mich an das regelmäßige Gefühl und blendete es aus. 

Als wir Dunharg am nächsten Tag erreichten, waren dort bereits einige Nachtlager im Schatten eines mächtigen Berges aufgebaut.Ich sah einen gewundenen Pfad, der sich an dem Berg entlang nach oben schlängelte und selbst dort standen Zelte um Zelte aufgereiht. Männer entzündeten Feuerstellen, versorgten Pferde oder bauten weitere Zelte auf und es war so ein Gewusel im Lager, dass ich mich fragte, wie jemand hier noch durchsehen konnte. 

Legolas anscheinend, denn sobald Gimli und er von ihrem Pferd abgestiegen waren und jemandem die Zügel in die Hand gedrückt hatten, kam er auf mich zu, deutete auf die höchste Anhöhe des Berges und sagte: "Alisa, dort oben schlafen wir!" Mir graute es schon vor der Hitze und der Enge eines Zeltes, das ich mit den beiden teilen sollte, aber immerhin war es nicht für lang und wenn Gimli schnarchte, konnte ich ihm immer noch mit einem Kissen schlagen. 

Wir liefen den Pfad nach oben, bis wir an der höchsten, passierbaren Stelle ankamen, wo neben unserem und einigen weiteren auch des Königs Zelt stand und wo man eine faszinierende Aussicht auf das von dort winzig wirkende Lager hatte. Mir lief ein Schauder über den Rücken, als ich die Felswände des Berges betrachtete und es schien nicht nur mir so zu gehen; die Pferde waren unruhig, die Männer sprachen kaum und es schien so, als würden alle nur darauf warten, dass etwas Böses aus dem Berg kriechen würde.

Ich sah Aragorn, wie er vor einer Felsspalte stand, die sich senkrecht durch den Berg zog, und hineinstarrte. Gimli versuchte ihn zu rufen, doch es schien ganz so, als könnte Aragorn ihn nicht hören, weswegen er einfach zu ihm hinstapfte und nicht gerade sanft einen Arm anstoß. Aragorn zuckte so stark zusammen, dass er beinahe gesprungen wäre und sah den Zwergen mit einem orientierungslosen Blick an. Dieser runzelte nur die Stirn und sagte: "Los komm, suchen wir uns etwas zu essen."

Ein letztes Mal sah Aragorn in die Felsspalte, doch was auch immer er vorher dort gesehen hatte, schien verschwunden zu sein und schließlich schloss er sich uns an und wir durchsuchten das Lager nach etwas zu essen. 

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Als es dunkel wurde, begannen wir wieder mit dem Aufstieg nach oben (im Ernst, wer hatte es als eine gute Idee angesehen, dort oben Zelte hinzustellen?) und ich freute mich darauf, mich hinzulegen und für ein paar Stunden zu schlafen, als wir auffiel, dass Aragorn sich diese Nacht ja auf den Weg in den Berg machen würde, um Verstärkung von den Seelen zu holen, die dort gefangen waren. Ich seufzte und meine Hoffnung auf wenigstens ein bisschen Schlaf vor der Schlacht verschwand vor meinen Augen. Wir gingen trotzdem zum Zelt und ruhten uns aus (Gimli und Legolas legten sich sogar hin, als würden sie wirklich schlafen gehen) und ich hatte Angst, dass irgendetwas schiefgehen würde und Aragorn ohne uns losziehen würde. Als ich Gimli dabei beobachtete, wie er sein provisorisches Bett aufstellte und grummelnd eine Decke drauflegte, wurde mir bewusst, wie nah wir dem Ende der Geschichte schon gekommen waren. Nicht mehr lang und ich könnte zum Erebor reisen und... 

Was würde ich dann dort machen? Fili konnte sich nicht mehr an mich erinnern und selbst wenn er solche Erinnerungsflashbacks wie Legolas bekam, hieß es noch lange nicht, dass er sich komplett an mich erinnern würde, immerhin hielten die von Legolas auch nicht für sehr lange an.

Ich wurde aus meiner Grübelei gerissen, als Legolas schlagartig einen Krug voller Wasser fallen ließ und einen sehr hohen Ton von sich gab. Erschrocken drehte ich mich zu ihm um und stellte fest, dass er mich anstarrte, als seien mir zwei Köpfe gewachsen. Sein Mund öffnete sich doch keine Worte kamen heraus, weswegen er ihn direkt wieder schloss.

"Was!", rief ich besorgt und warf einen hilflosen Blick zu Gimli, der Legolas anstarrte, als hätte er seinen Verstand verloren. 

"Ich wusste, dass ich dich kenne!", rief er schließlich und ich zog überrascht die Augenbrauen nach oben. "Du warst mit den Zwergen im Verließ meines Vaters!"

"Wovon genau spricht er?", fragte Gimli und ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder ängstlich sein sollte.

"Du weißt alles?" 

Legolas runzelte die Stirn. "Du hattest rotes Haar und hast dir eine Zelle mit einem blonden Zwerg geteilt. Dann seid ihr durch die Keller und die Flüsse geflohen, habt unsere Weinfässer zerstört und hattet Schuld daran, dass Smaug Seestadt zerstörte und der abscheuliche Bolg meine Nase gebrochen hat!"

  Ich ließ mich auf mein Bett fallen und eine Welle der Erleichterung durchflutete mich. Ich hätte anfangen können zu weinen, denn gerade, als ich darüber nachgedacht hatte, ob der Zauber gebrochen werden konnte, erinnerte sich Legolas plötzlich an mich.

"Legolas, du...", stammelte ich. Dann grinste ich breit und umarmte den Elben ganz fest. "Du kannst dich erinnern!!", rief ich begeistert und löste mich lachend von ihm. Ich führte einen kleinen Freudentanz auf und als ich mich ein wenig beruhigt hatte, starrten mich meine beiden Zeltmitbewohner an, als sei ich verrückt geworden. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, war aber zu dem Zeitpunkt so glücklich, dass ich es nicht so wirklich registrierte.

"Hat sie jetzt komplett den Verstand verloren?", fragte Gimli. "Ich meine, ein bisschen verrückt war sie ja schon zu Beginn der Reise, aber jetzt..."

Ich lachte vergnügt und wies die beiden an, sich hinzusetzen, damit ich ihn alles erklären konnte.  


Herr Der Ringe FF - Take Me To Somewhere ElseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt