Kapitel 28 (Lesenacht Teil 6)

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Ich hörte nur das dumpfe "Verbarrikadiert das Tor!" von König Theoden von innerhalb der Festung kommen und wenige Sekunden später wurden mehrere Holzbalken vor die klaffende Lücke des Tores geschoben. Ich kämpfte weiter, wich Angriffen aus und täuschte an, parierte und erstach. Ich hatte einen Vorteil: meine Größe. Viele der Uruks, die auf mich zugestürmt kamen erwarteten nichts von einem kleinen Mädchen, weswegen ich leichteres Spiel hatte.

Irgendetwas schlug mit einem dumpfen Geräusch neben mir auf das Schlachtfeld. Ich war kurz desorientiert und als ich nachsehen wollte, traf mich etwas an meinem rechten Oberarm. Brennender Schmerz explodierte an dieser Stelle und mein ganzer Arm wurde durch das heiße Pulsieren taub. Ich fluchte und wechselte meine Schwerthand, doch mit links konnte ich nicht ansatzweise so gut kämpfen. Ich parierte so gut ich konnte die nächsten Angriffe mit zusammengebissenen Zähnen und schaffte es irgendwie, mein Schwert in einem der Angreifenden zu verbohren. 

"Gimli, Aragorn, Alisa! Verschwindet dort!", befahl Theoden bevor der letzte Balken das Tor wieder vollends verschloss. Durch die Unaufmerksamkeit Aragorns und Gimlis näherte sich ihnen ein Uruk, doch ich traf ihn mit einem seltsam herumschlingenden Schlag an seinem Hals, wo eine kleine Lücke in seiner Rüstung war. Das war allerdings keine gute Idee, denn jetzt spritzte das Uruk-Blut auf mich und wenn ich euch eins sagen kann: Es war durchaus nicht schön. 

"Aragorn!" Ich hörte einen leisen Ruf von Oberhalb der Mauer, wo Legolas stand und ein Seil für uns hinunter warf. Elbenkraft hin oder her, ich bezweifelte, dass er uns alle gleichzeitig nach oben ziehen konnte. Aragorn sah das Problem auch, denn er gestikulierte mit einer Hand, dass Gimli und ich das Seil nehmen sollten, während er mit der anderen Hand einen weiteren Uruk erschlug. Ich wollte protestieren, aber Aragorn unterbrach mich.

"Du bist verwundet, Alisa." Er stach sein Schwert in einen angreifenden Uruk. "Ich zweifle nicht an Deiner Stärke", unterbrach er mich als ich den Mund aufmachte. "Wenn Du nicht verwundet wärst, würde ich Dir komplett damit vertrauen, die ganze Brücke allein zu halten!" Er grinste und erstach einen Uruk, der sich seitlich auf ihn zuschleichen wollte. "Aber das bist Du nicht, also geh! Ich bin direkt hinter euch." Aragorn legte mir für einen Moment eine Hand auf die Schulter, drehte sich dann um und schenkte seine ganze Aufmerksamkeit den Uruks.

Ich packte Gimli und gemeinsam sprangen wir an das Seil. 

Ich hatte Todesangst. 

Unter mir ging es bestimmt 30 Meter nach unten und ich hatte nur eine Hand, um mich festzuhalten, da der andere Arm immer noch pochte und sobald ich versuchte, meinen Arm anzuspannen, traten mir vor Schmerzen Tränen in die Augen. Ich biss die Zähne zusammen und schaute genau nicht nach unten sondern nach oben und bemerkte, dass Legolas uns sehr schnell nach oben zog. Als ich auf den Wall klettern konnte, hätte ich vor Erleichterung beinahe angefangen zu weinen. 

Legolas warf das Seil nach einmal aus und schließlich kam auch der Waldläufer wohlbehalten bei uns an.

"Rückzug! Rückzuuuuug!" 

Wir sahen und verdutzt an. An unserer Situation hatte sich nicht viel geändert: Immer noch total beschissen, aber wir regelten es.

Wir leisteten dem Befehl trotzdem Folge und rannten in die Burg, Uruks auf unseren Fersen. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie viele der Monster eigentlich in dieser Festung waren: Auf einen Soldaten Rohans kamen vielleicht zwanzig Uruks. 

Die wenigen, die es in die Burg geschafft hatten, schlossen das kleine Tor mit einem Knall und begannen sofort damit, es zu verbarrikadieren, während der König nur verloren in einer Ecke stand und mit leerem Blick auf das Tor starrte. Nur wenige Sekunden später drohte die Tür außeinanderzubrechen, als die Uruks mit ihrem Rammbock vorgingen. 

"Die Festung ist eingenommen. Es ist vorbei", sagte Theoden resigniert. 

Ich hätte ihm ins Gesicht schlagen können.

Es entbrannte eine sehr heftige Diskussion (eigentlich ein Streit) zwischen Aragorn und dem König und ich schritt nicht dazwischen. Selbst wenn ich wollte - ich wollte nicht - hätte ich kaum noch die Kraft dazu gehabt. In der ganzen hektischen Situation und dem ganzen Adrenalin hatte ich nicht auf meinen Arm geachtet, an welchem sich die Wunde befand. Jetzt, wo es sich etwas beruhigt hatte (soweit das unter lebensbedrohlichen Bedingungen möglich war) setzte der Schmerz umso stärker wieder ein. Ich versuchte erneut Zugang zu meiner Magie zu finden, doch wieder ohne Erfolg, weswegen ich mich entmutigt auf den Boden sinken ließ.

"So viel Hass", vernahm ich aus der Ecke des Königs, als ich mir gerade frustriert ein Stück meines Hemdes abriss, um mir einen provisorischen Druckverband anzulegen. "Was kann der Mensch gegen solch tollkühnen Hass ausrichten?" 

Ich wickelte den Stoff so fest ich konnte ohne meinen Arm abzuschnüren um diesen und zog mein kaputtes Kettenhemd wieder an. 

"Reitet raus mit mir. Reitet raus und kämpft!" Aragorn klang so ziemlich am Ende seiner Geduld. Als ich einen Blick auf die beiden warf, hatte sich Theoden dem Waldläufer zugewandt und in seine Augen war ein neues Feuer entflammt.

"Für Tod und Glorie?"

"Für Rohan und Euer Volk", bekräftigte Aragorn und ich konnte sehen, dass er bald aufgeben würde.

Bevor die beiden anfangen konnten, sich richtig zu streiten, unterbrach Gimli sie. "Die Sonne geht auf", sagte er. Alle Gefährten sahen sich perplex an, als es uns dämmerte: Gandalf mit Hilfe!

Theoden verstand. "Ja. Ja! Das Horn Helm Hammerhands soll erschallen in der Klamm. Ein allerletztes Mal!"

Gimli hob seine Axt und schrie (einigermaßen) euphorisch: "JA!"

Der König wandte sich Aragorn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Dies möge die Stunde sein, da wir gemeinsam Schwerter ziehen!" 

Ich erhob mich ebenfalls und war erleichtert, dass der Schmerz zu einem stumpfen Pochen zurückgegangen war, welcher mich nicht mehr so sehr belastete wie vorher.

Gimli rannte irgendwo hin (ich glaube er sollte das Horn blasen) und Pferde wurden in die Kammer geführt. Auch ich bekam eins und mein Herz begann sehr schnell zu klopfen. Heroisch sein und alles war ja gut, aber trotzdem konnte wir bei diesem Plan immer noch sehr leicht draufgehen. Ich stieg in den Sattel und zog mein Schwert, dann brachen die Tore durch und wir ritten in die Masse der Uruks.

Es war beängstigend. Sobald wir das kleine Tor der Kammer passiert hatten, fanden wir uns in einem Meer von Uruks wieder, was auf mich so wirkte wie eine zehnmal größere Version einer Zombiehorde aus The Walking Dead. Sie waren überall, es wirkte wie ein Meer aus Uruks, durch das wir hindurchpreschten. Ich streckte meinen linken Arm mit Schwert aus und versuchte, Uruks zu erschlagen. Zum Glück beobachtete mich keiner, denn es ging mehr als ein Mal schief und ich wäre ein paar Mal fast aus meinem Sattel gefallen.

Als wir die Brücke nach unten ritten, konnte ich im Licht der aufgehenden Sonne das Ende Sarumans Armee sehen. Es sah gar nicht so weit weg aus. Ich schöpfte daraus neue Kraft und erschlug meine Feinde mit neuem Elan.

Wir kämpften nicht lange, als wir ein Wiehern hörten, was lauter war als das jedes normalen Pferdes: Schattenfell. Gandalf stand auf einer Anhöhe im Westen, nicht im Osten und hinter ihm hatten sich bestimmt tausend Mann versammelt, die sich jetzt wie eine Welle der Rettung über den Hang ergossen und schließlich die Armee der Uruks niedermetzelten. Es war beeindruckend anzusehen: Diese Männer waren (im Gegensatz zu uns) noch voller Stärke, als sie sich ins Getümmel stürzten und kämpften. Es dauerte nicht lange, bis wir gemeinsam den Großteil der Armee bezwungen hatten und die restlichen Uruks aus dem Tal in die Wälder flohen. Doch dort kamen sie nicht weit: Auch ohne meine Magie einsetzen zu können, spürte ich das Leben in diesem Wald. Es waren die Huorns, erwachte Baumgeister, die die letzten Uruks vernichteten. 

Für eine Weile sagte niemand etwas, dann begannen alle zu jubeln. Ein breites Grinsen überzog mein Gesicht: Wir hatten es tatsächlich geschafft.

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Das war die Lesenacht, danke fürs Dabeisein! Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten oder was auch immer ihr feiert und einen guten Rutsch, falls kein Kapitel mehr in diesem Jahr kommt.

💛💛💛

Herr Der Ringe FF - Take Me To Somewhere ElseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt