Kapitel 10

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Ich fühlte mich wie der letzte Dreck, als ich den Gefährten nach draußen folgte, weil ich Gandalf dem Tode geweiht hatte. Frodo schrie und wehrte sich gegen den festen Griff Boromirs, doch der Mann war stärker und zog ihn schließlich in das Tageslicht, wo der Hobbit kraftlos auf die Steine sank und auf den Boden starrte.

"Legolas, wir müssen weiter." Aragorns sanfte Stimme durchbrach die traurige Stille. "Wir müssen die Wälder Lothloriens erreichen, noch bevor die Nacht hereinbricht."

Die Männer halfen den Hobbits auf und wir liefen weiter, doch keiner sprach. Ununterbrochen flossen Tränen Frodos Wangen hinab und mit jeder einzelnen von ihnen wuchs mein schlechtes Gewissen. Der Hobbit würde nicht einmal wissen, dass Gandalf wieder auferstehen würde. Er lief als letztes in unserer Gemeinschaft und ich ließ mich zurückfallen, um neben ihm gehen zu können, als ich dann jedoch bei ihm war, wusste ich nicht was ich sagen sollte.

Hey Frodo, Gandalf ist zwar tot, aber er wird wiederkommen, unzwar mächtiger als zuvor und anstatt grauen Sachen wird er weiße tragen! klang selbst für meine Ohren nicht besonders aufheiternd und glauben würde er es mir sowieso nicht. 

Doch als würde er meine Gedanken lesen versuchte Frodo ein Lächeln zustande zubringen (was aber eher in einer seltsam verzogenen Grimasse endete) und ich spürte eine Idee in mir wachsen.

"Weißt du, nur weil du glaubst, dass Gandalf gestorben ist, muss das nicht zwingend der Fall sein", begann ich und ein Knoten bildete sich in meinem Magen. Frodo sah mich nur an und wartete. "Es gab einmal ein Mädchen, die von weit her kam, um jemandem bei einer wichtigen Reise zu unterstützen. Zusammen erlebten sie ein paar Abenteuer und schließlich hatten sie ihre Aufgabe fast geschafft, doch dann starb das Mädchen und hinterließ viel Kummer." Ich atmete einmal tief durch und sah in Frodos Richtung, der mich immer noch ohne ein Gefühl in den Augen ansah. "Aber sie wurde wieder erweckt, weil ihre Aufgabe noch nicht erfüllt war und jemand anderes ihre Hilfe brauchte."

Nachdem ich meine eigene Geschichte beendet hatte beobachtete ich den Hobbit aus dem Augenwinkel. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er verarbeitete, was ich ihm gerade erzählt hatte. Eine Weile lief er schweigend neben mir her ohne etwas zu sagen und ich dachte schon, dass er nichts mehr sagen würde, als er leise flüsterte: "Das warst du, nicht wahr?" Ich nickte zur Bestätigung und schenkte ihm ein halbes Lächeln. "Und alles, was ich davon noch übrig habe, ist dieses hässliche Ding hier", ergänzte ich und strich mit meinem Finger über die Narbe, die sich quer über mein unteres Gesicht zog.

Danach reagierte er nicht weiter sondern lief schweigend - mit Falten zwischen den Augenbrauen - weiter. Doch ich konnte spüren, dass sein Kummer etwas weiter in die Ferne gerückt war und trottete zufrieden weiter.

Inzwischen war es dunkel geworden und vor uns lag das Königreich Lothlorien. Die Sonne ging am Horizont unter und warf warmes Licht auf die Bäume, dessen Schatten immer länger wurden. Die reine Schönheit und Vollkommenheit dieses Ortes raubte mir den Atmen.

Doch uns blieb nicht viel Zeit zum Staunen, denn Aragorn trieb uns weiter auf den Saum des Waldes und schließlich in den Wald hinein. Auch ohne Elbenmusik wirkte der Wald verwunschen und wie aus einem Märchenbuch, mit den bewachsenen Stämmen und dem mooosigen Boden, auf dem es sich wie auf einem Teppich lief. Die Äste verzweigten sich zu einer Kuppel, durch die nur wenig Licht drang und ich konnte die Magie in meinem Umfeld so deutlich spüren, als würde sie jemand direkt neben mir anwenden. Sie flüsterte zu mir, doch im Gegensatz zu Bruchtal waren ihre Worte zärtlicher, weicher und nicht so stürmisch, wie sie es bei Elrond waren. Fasziniert sah ich mich um und entdeckte überall neue, wunderbare Dinge. Ich fühlte mich wie Alice im Wunderland.

"Bleibt in der Nähe junge Hobbits!", durchdrang Gimlis raue Stimme die idyllische Stille. Ich widerstand dem Drang, meine Augen zu verdrehen. "Man sagt, dass eine große Zauberin in diesen Wäldern lebt. Eine Elbenhexe! Von entsetzlicher Macht. Alle die sie erblicken erliegen ihrem Zauberbann und werden nie wieder gesehen!"

Frodo bewegte auf einmal seine Kopf hin und her, als würde er versuchen, eine lästige Fliege loszuwerden. Ich spürte die Magie, die plötzlich von ihm ausging, als Galadriel in seinen Kopf sah und mit ihm sprach und entweder bildete ich es mir ein oder ich konnte ihre Stimme wie ein fernes Echo auch wahrnehmen.

"Immerhin ist hier ein Zwerg und den kann sie nicht so leicht umgarnen." Ich spürte neue Magie, die sich uns von allen Seiten näherte, doch ich sagte nichts und ließ Gimli seinen Reinfall.

"Ich habe die Augen eines Habichts und die Ohren eines Fuchses!" Mit diesen Worten wurde ihm genau ein gespannter Pfeil ins Gesicht gehalten. Ich versuchte mein Lachen mit einem Husten zu überdecken, aber den mörderischen Blicken des Zwerges nach zu urteilen gelang es mir nicht besonders gut. Ich konnte nichts dafür: Während Gimli seine tollen Fähigkeiten erläuterte, hatten sich die Elben nicht gerade leise angeschlichen und ihre Bögen gespannt, sodass es jeder außer dem Zwerg und den Hobbits, die auf ihn fixiert waren, bemerkte.

"Der Zwerg atmet so laut, wir hätten ihn im Dunkeln erschießen können." Ein neuer Elb kam ins Spiel, blond, groß und wahnsinnig schön. Der Haldir im Film war ja schon eine Augenweide, aber dieser hier übertraf alles. Seine Haut war blass, sein Gesicht spitzer und seine Wangenknochen traten so deutlich hervor, dass man sich an ihnen hätte schneiden können, wäre man ihnen zu nahe gekommen. Mein Starren war anscheinend zu auffällig geworden, denn Aragorn stieß mir seinen Ellenbogen in die Seite und warf mir einen wtf-Blick zu, woraufhin ich mich räusperte und die Röte nicht daran hindern konnte, sich auf meinen Wangen zu verbreiten.

Der Elbentrupp führte uns auf eine Fläche in Blattform, die uns von allen Seiten gut sichtbar machte und selbst ich erkannte, dass dieser Ort eine gute Position hatte: von allen Seiten konnte man gesehen werden und ungesehen verschwinden konnte man auch nicht. Natürlich war alles im Charm der Elben gehalten, versteht sich.

Haldir begrüßte Legolas und Aragorn auf elbisch, was Gimli überhaupt nicht gefiel. "Sprich Worte, die wir alle verstehen!", meckerte er und Haldir wurde auf die kleine Figur aufmerksam. Daraufhin lieferten sie sich ein gegenseitiges Beleidigen, wobei Gimli Thorins Zeile mit "îsh kakhfê ai-'d dûr-rugnu" klaute (oder hat Thorin sie von ihm geklaut?) und Aragorn musste mit seinen Gefährten schimpfen. 

"ihr bringt großes Übel mit euch", stellte Haldir fest, nachdem er einen ernsthaften Blick auf Frodo geworfen hatte. "Ihr dürft nicht weitergehen."

Herr Der Ringe FF - Take Me To Somewhere ElseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt