Kapitel 20

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Die ersten Gebäude der Stadt tauchten in der Ferne auf, als ich ein einsames Pferd etwas weiter links von mir sah, auf dem zwei kleine Reiter saßen. Ich kniff meine Augen zusammen und bemerkte, dass es Kinder waren. Als ich näher kam, drohte das jüngere der Beiden hinunterzufallen, weswegen ich hingaloppierte und mit ein bisschen Magie verhinderte, dass es auf dem Boden aufkam. 

Die beiden sahen fürchterlich aus: Sie waren abgemagert, hatten schmutzige Kleidung an und ihre Gesichter waren vor Anstrengung und Schlafmangel zusammengekniffen.

"Helft uns, bitte!", rief der Junge mit heiserer Stimme. "Sie haben alles zerstört und verbrannt! Unsere Hütten, unser Vieh, sogar unser Spielzeug."

Ich beruhigte den Jungen und setzte seine Schwester vor ihm auf den Sattel. "Kannst du sie festhalten, bis wir in Edoras sind?" Er nickte nur und schlang einen Arm um sie, während sie vor Erschöpfung kaum die Augen offen halten konnte.

Ich bestieg mein Pferd, nahm die Zügel des anderen in eine Hand und machte mich auf den restlichen Weg zurück in die Stadt.

Als wir ankamen erwartete mich eine traurig dreinschauende Eowyn auf den Mauern des Stadttores, doch als sie mich sah, verschwand die Traurigkeit aus ihrem Blick und wurde durch so etwas wie Neugierde ersetzt. 

Nachdem ich ihr die Sache erklärt hatte, übernahm sie die beiden wohlwollend und ich brachte unsere Pferde in die Ställe. Der Geruch von warmen Stroh und Heu empfing mich und ließ mich aufatmen. Als sie in ihrer Box standen, sattelte ich sie ab und dabei fiel mir auf, dass das Reittier der beiden Kinder genauso abgemagert und dreckig war wie sie. Ich versorgte die beiden, hängte die Sattel an die dafür vorgesehenen Stellen und ging zur Königshalle.

Die Wachen ließen mich passieren, da sie mich erkannten und stellten auch keine Fragen, warum ich nicht bei der Trauerzeremonie gewesen war. Die schweren Tore der Halle öffnete sich und gaben - neben einigen Leuten der Stadt und Gimli und Legolas - den Blick auf einen frustriert aussehenden Theoden, einen genervten Aragorn und Eowyn frei, die gerade die Kinder der Pferde versorgte. Keiner schenkte mir besondere Aufmerksamkeit als ich mich neben sie setzte und ihnen aufmunternd zulächelte. 

"Ich weiß, was Ihr von mir erwartet", sagte Theoden gerade. "aber ich will kein vermehrtes Leid unter meinem Volk. Ich will keinen offenen Krieg riskieren."

"Offener Krieg steht Euch bevor, ob Ihr Ihn riskieren wollt oder nicht", erwiderte Aragorn und ich konnte förmlich spüren, wie alle schockiert weg sahen. Aragorn hatte gerade den König von Rohan infrage gestellt, obwohl er weder die gleiche Stellung besaß noch zu Theodens engsten Vertrauten zählte. Ich zog nur die Augenbrauen nach oben und legte eine Decke um die Schultern des Jungen, welcher gerade heiße Suppe inhalierte. Ein Wunder, dass er sich nicht die Zunge verbrannte.

"Soweit ich mich erinnern kann war Theoden, nicht Aragorn König von Rohan."

Die beiden lieferten sich einen kurzen Starr-Wettkampf, der von Gandalfs beschwichtigenden Worten unterbrochen wurde.

"Und wie lautet des Königs Entscheidung?"

Eine geisterhafte Stille trat ein, da keiner der Beteiligten des Königs Antwort verpassen wollte. Schließlich brach der das Schweigen. Er wandte sich an eine seiner Wache und befahl: "Sagt den Leuten sie sollen ihre Häuser räumen. Wir suchen Zuflucht in Helms Klamm!"

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Ich bemerkte, dass Aragorn und die Gefährten Theodens Entscheidung nicht guthießen, doch sie versuchten es so gut wie möglich zu verbergen. Als sie sich auf den Weg in die Ställe machten, um ihre geheimen Pläne zu schmieden (die ich natürlich alle schon kannte, weil ich sowohl die Filme als auch die Bücher kannte, obwohl ich in letzter Zeit dazu tendierte das zu vergessen, weil die ganze Mittelerde-Welt so real war!), ging ich in die Stadt und half so vielen Leuten wie ich konnte. Dort gab es einen alten Mann, der nicht mehr genug Kraft hatte, um eine Lasten auf einen Karren zu heben, also hievte ich alles mit einem Mal nach oben und ließ es, so sanft ich konnte, auf den Wagen fallen. Dabei bemerkte ich, wie es mir gar nicht schwerfiel, die Last von bestimmt 25 kg zu tragen. Ich erinnerte mich an Erebor, wo ich den Zwergen half, den Schutzwall zu bauen, und auch dort Steine von immensem Gewicht zu tragen, als wären sie Einkaufstüten. Und jetzt, da ich meine Lücken aufgefüllt hatte, indem ich alle Bücher über diese Welt verschlungen hatte, wusste ich auch, wieso das so war: Tulkas, einer der Valar, und somit auch ein Teil von mir, war ein starker Ringer und Kämpfer. Man mochte es mir nicht ansehen (immerhin war ich nur sehr klein und hatte nicht unbedingt definierte Muskeln), doch ich war durchaus eine starke Kämpferin.

Während ich durch die Stadt ging und half, wo ich konnte, schweiften meine Gedanken ab. Auf der Strecke bis nach Edoras gab es zwar viele, lange Wege, auf denen kaum gesprochen wurde, doch dort hatte ich an wichtige Sachen zu denken, wie beispielsweise die Rettung der Welt und wie ich alle meine Gefährten sicherhalten konnte. Jetzt, obwohl Saurons Macht stärker und stärker wurde, wiegte ich mich soweit in Sicherheit, dass ich über andere Dinge nachdenken konnte. 

Und wieder begann der Zweifel an mir zu nagen. Vorausgesetzt ich würde alle Schlachten und böse Wesen dieses Abenteuers überleben und überhaupt bis zum Einsamen Berg gelangen, wer garantierte mir überhaupt, dass ich dort willkommen war? Es konnte ich immer noch keiner an mich erinnern und Varda wäre bestimmt nicht so gnädig ihren Zauber wieder rückgängig zu machen, Teil meines Seins und meine Mittelerde-Mutter hin oder her.

Trotzdem vermisste ich Fili. Und je länger ich in Mittelerde war, desto schlimmer wurde meine Sehnsucht nach ihm. Ob auch die anderen Zwerge noch lebten? Ich fragte mich, ob der Boden in der riesigen Thronhalle in Erebor immer noch golden war, ob die Schatzkammern immer noch strahlend glänzten, ob Kili und Fili immer noch für jeden Scherz gemacht waren und ob sie das überhaupt noch durften, da sie jetzt Thronfolger waren. Bestimmt hielt sie das immer noch nicht davon ab, irgendwelche Dummheiten anzuzetteln. Ich beschloss mich auf die positiven Sachen zu konzentrieren, an die ich mich aus meinem ersten Abenteuer erinnern konnte. Um über das Vergessensprobelm nachzudenken hatte ich auch später noch genug Zeit.

Ich lächelte in mich hinein und ging schließlich zu den Ställen, um mir von Eowyn ein Pferd geben zu lassen. Als sie mich und mein fröhliches Gesicht bemerkte, lösten sich auch bei ihr einige Sorgenfalten. Sie reichte mir das Geschirr und führte mich zu einer Box etwas weiter hinten, in welcher ein hellbraunes Pferd stand, welches eine weiche, fast schon blonde Mähne hatte und mich aus großen, runden Augen erwartungsvoll ansah. Bevor ich begann es zu satteln, strich ich ihm über die Schnauze und es wieherte leise, als würde es mich freundlich begrüßen.

Und somit begann unser Ritt zur Klamm.

Herr Der Ringe FF - Take Me To Somewhere ElseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt