Kapitel 21

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Zum Beginn unserer Reise war die Stimmung sehr gedrückt, verständlicherweise, da alle ihr Zuhause und die meisten ihrer Besitztümer zurücklassen mussten. Außerdem hob der Schatten einer vagen Vorahnung auf einen Krieg gegen das Böse auch nicht gerade die Stimmung.

Doch je länger wir unterwegs waren, desto besser waren alle drauf. Gimli unterhielt sich mit Eowyn über Zwergenfrauen, Aragorn machte Witze und Gimli lachte so sehr, dass er auch einmal von seinem Pferd fiel (auch ohne zu lachen machte sein Hintern ein paar Mal Bekanntschaft mit dem Boden). 

Ich ritt immer an anderen Stellen des Zuges und betrieb sozusagen Mittelerde-Smalltalk, fragte, wie die Menschen lebten und erfuhr einige neue Sachen von ihren. 

Als wir an einem Abend der Reise haltmachten (ich hatte nicht sonderlich aufgepasst, wie lange wir unterwegs waren) und ich mir mein Lager herrichtete, bemerkte ich, wie Eowyn herumging und ihre selbstgemachte Suppe verteilte. Bevor sie zu mir kam, bot sie auch Aragorn ein wenig davon an und der aß es mit nur sehr schlecht verborgenem Ekel. Entweder Eowyn bekam es nicht mit, oder sie kommentierte es nicht. Doch auch als Aragorn seinen Teller geleert hatte ging sie nicht, sondern versuchte sich noch mit ihm zu unterhalten. Die Betonung liegt auch versuchte, denn der Waldläufer schien nicht sonderlich in der Stimmung für Gespräche zu sein, vielleicht lag es ja auch am Thema. Ich konnte tatsächlich spüren, wie es ihn schmerzte, mit Eowyn zu reden. Er vermisste Arwen. 

Letztendlich kam Eowyn dann doch zu mir und schenkte mir ein kleines Lächeln. "Möchtet Ihr etwas?" Ich warf einen Blick in den Topf und sah, dass sich dort quasi nur Wasser mit Fleisch befand und schüttelte höflich den Kopf. "Nein vielen Dank, aber mir mundet kein Fleisch." 

Sie nickte nur und wollte weitergehen, doch ich hielt sie am Ärmel ihres Kleides auf. 

"Verzeiht mir", sagte ich, als ich bemerkte, dass diese Geste zu dieser Zeit vielleicht nicht sehr angemessen war. "Wollt Ihr mir etwas Gesellschaft leisten?"

Eowyn zuckte mit den Schultern und setzte sich neben mich auf den Boden. Ich hatte eine Art Decke von Theoden bekommen, die wunderbar nach Pferd roch und für Reiseverhältnisse echt bequem war. Eowyn sah mich erwartungsvoll an.

"Ich möchte nicht unehrlich mit Euch sein, denn ich habe Euch schon etwas liebgewonnen", begann ich und bemerkte, dass ich genau so klang wie jemand, der gleich Schluss mit seiner Freundin oder seinem Freund macht. Abgesehen vonn der komischen Umgangsform mit dem 'Ihr' und 'Euer'. Das war komisch.

"Oh, tatsächlich? Ihr mir auch", erwiderte sie immer noch lächelnd. Sie stellte den Topf neben sich auf den Boden und drehte sich komplett zu mir um. "Egal was Ihr sagen wollt, sagt es einfach!"

Ich kniff die Augen zusammen und suchte nach einem Anfang, der nicht so unverblümt erscheinen würde, doch mir fiel nichts ein. Ich holte Luft und fragte: "Ihr hab ein Augen auf Aragorn geworfen, stimmt das?" 

Eowyn schwieg erst einmal für eine kurze Zeit, doch dann nickte sie. Mir fiel auf, wie unberührt sie aussah für jemanden, der seine Eltern in einem sehr jungen Alter verloren hatte und mich verließ der Mut. Wohin wollte ich eigentlich mit diesem Gespräch kommen? Stand es mir überhaupt zu, zu enthüllen, dass Aragorn bereits jemanden hatte, der auf ihn wartete? Ich fluchte in Gedanken. Wohl eher nicht.

"Ihr... ah... solltet Euch nicht zu sehr auf ihn einlassen." Oh Gott, das klang genau nicht so, wie ich es hatte formulieren wollen. "Äh, ich meine, dass er... nicht leicht zu erreichen sein kann."

"Oh", erwiderte Eowyn und sah auf ihre Hände. Auch sie schien über etwas nachzudenken. "Wisst Ihr, ob er... Ihr wisst schon..." Sie lief rot an strich sich nervös eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht. 

"Jemanden hat?", fragte ich, um sie aus ihrer misslichen Situation zu befreihen. Sie nickte erleichtert und ich zögerte.

"Naja... Irgendwie schon", begann ich vorsichtig und sah sie entschuldigend an. "Sie heißt Arwen und ist eine der Elben aus Bruchtal. Es wird von ihr erwartet, dass sie zu den Unsterblichen landen segelt, genau wie der Rest ihrer Art, um ihr Leben bei den Herren von Valinor fortzuführen. Aragorn glaubt sie verloren, doch ich habe da ein ganz anderes Gefühl." 

Ich hoffte, dass Eowyn mich nicht hassen würde.

"Oh", sagte sie erneut und schwieg. Sie starrte auf  ihre Hände und sagte nichts mehr.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, doch ich würde es ihr auch noch einmal sagen. Ich fühlte mich allerdings verpflichtet, sie irgendwie aufzumuntern.

"Soll ich Euch etwas Schönes zeigen?", frage ich. Sie sah wieder zu mir und ein kleines Lächeln war wieder auf ihrem Gesicht erschienen. "Kommt mit."

Ich stand auf und nahm die Decke mit, nachdem Eowyn aufgestanden war und nahm ihre Hand. Inzwischen war es dunkel geworden und Millionen von Sternen erleuchteten den Himmel. Gemeinsam gingen wir ein Stück vom Lager weg und ließen uns dann wieder auf die Decke fallen. Ich legte mich auf den Rücken und sah in die Sterne und meine Begleitung tat es mir nach.

Eine Weile schwiegen wir nur und genossen die Stille der Nacht, Hand in Hand, bis Eowyn ihre Stimme erhob. "Kennt Ihr Geschichten über die Herren von Valinor?"

Ich musste grinsen und antwortete mit einem ja. Immerhin waren es meine... komischen... Eltern, die ein Teil von sich in mich gepresst hatten, also von daher...

Ich erzählte vom Anbeginn der Zeit, als Illuvatar die Valar erschuf, wie er sie unterrichtete und gemeinsam mit ihnen eine Welt aufzubauen versuchte. Wie Melkors Misstöne ihre Werke zerstörten, wie sie auf Arda hinabstiegen und wie sie die Elben erschufen. Sie hörte mir aufmerksam zu und während ich erzählte und auf die Sterne sah, konnte ich die Präsenz Vardas Spüren, die sich zu uns gesellte und meinen Erzählungen lauschte. Irgendwann bemerkte ich, dass Eowyn neben mir eingeschlafen war, immer noch mit ihrer Hand in meiner, und musste Lächeln. Es war so ein friedliches Szenario, dass ich uns nur noch zudeckte und weiterhin in den Himmel schaute, bis ich schließlich auch einschlief.

Herr Der Ringe FF - Take Me To Somewhere ElseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt